»Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt man hat die Mittel.« So stand es schon bei Wilhelm Busch, und wer die Mittel aufbringen kann, sollte ins niedersächsische Wiedensahl reisen und sich die Ausstellung »Endlich Comic!« ansehen. Über die Präsentation prämierter Werke des Max-und-Moritz-Preises sprach Stefan Svik für CRON mit Darjush Davar, dem Kurator der sehenswerten und vielseitigen Ausstellung.
»Leute! Der Comic hat vor allem eine deutsche Tradition!«
Interview mit Kurator Darjush Davar
Anlässlich der Ausstellung »Endlich Comic!« im Geburtshaus von Wilhelm Busch in Wiedensahl sprach CRON mit dem Kurator der Ausstellung, Darjush Davar, über die diesjährigen Gewinner des Max-und-Moritz-Preises, über die Kooperation mit dem Wilhelm-Busch-Museum in Hannover und über den langen Weg, um gegen anhaltende Vorurteile gegen sequentielle Kunst zum ersten Mal Comics in Wiedensahl ausstellen zu können.
CRON: In Ihrer Pressemitteilung steht, dass im gesamten Landkreis Schaumburg 2015 die Entstehung von Wilhelm Buschs Max-und-Moritz gefeiert wird. Bedeutet das, dass der ganze Landkreis zum Museum wird, also ähnlich wie beim Comic-Salon Erlangen über den Ort verteilt riesige Bilder von Tardi und anderen Comic-Künstlern aufgehängt werden?
Darjush Davar: Es gibt ja gewissermaßen zwei Jubiläen. Das Museum in Hannover hat bereits im Frühjahr 2014 – mit der Ausstellung »Streich auf Streich« den 150. Geburtstag der Entstehung von Max-und-Moritz 1863/64 gefeiert. Der Landkreis Schaumburg hat sich für eine Feier 2015 entschieden, da das Buch 1865 veröffentlicht wurde. Das hat zum einen den Vorteil, dass man das Thema länger spielen kann und zum anderen konnte sich Hannover mit Erlangen abstimmen und die Ausstellung auch dort zeigen. Jetzt ist sie in der Ludwiggalerie in Oberhausen zu sehen und im Herbst 2015 schließlich auch im Landkreis Schaumburg, genauer gesagt im Stadtmuseum in Bückeburg.
30 Jahre Comic-Salon sind auch 30 Jahre Plakatgestaltung die die jeweiligen Comic-Trends aufgreifen
Die taz hatte kritisiert, dass es etwas willkürlich wirkt, dass der Geburtstag mal 2014 und mal 2015 begangen wird. Was sagen sie zu der Kritik?
Das darf man sehr wohl fragen, allerdings habe ich daran keine Beteiligung gehabt. Warum sich Hannover für 2014 entschieden hat und der hiesige Landkreis für 2015 kann ich nicht sagen. Ich bin aber auch nicht traurig darum, denn hätten alle Museen gleichzeitig die Ausstellungen veranstaltet wäre das wohl etwas schwierig geworden...
Wie gestaltet sich denn generell die Zusammenarbeit mit dem Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover und dem Wilhelm-Busch-Geburtshaus in Wiedensahl? Teilen sie sich die Exponate und arbeiten sie eng zusammen?
Das Geburtshaus wurde 2006 umgebaut und erweitert. Es wurde nochmal richtig aufgewertet, museumsdidaktisch aufbereitet und seitdem läuft dort auch mehr an Ausstellungsaktivitäten und an Veranstaltungen.
Zwei Mal im Jahr bekommt das Geburtshaus aus Hannover Busch-Originale als Leihgaben. Es gibt den Sonderausstellungsraum, in dem das ganze Jahr Busch-Originale hängen – diese Ausstellung wechselt thematisch, und daher gibt es natürlich immer eine Abstimmung mit Hannover, weil sie dem Haus aus ihrem umfangreichen Originalfundus Ausstellungsstücke zur Verfügung zu stellen.
Das Geburtshaus ist Busch-Stätte. Hinzu kommt in Wiedensahl noch das »Alte Pfarrhaus«, ebenfalls ein Wohnhaus von Wilhelm Busch, dessen Originalräume zu besichtigen sind. Beide Häuser werden jetzt auch für »Endlich Comic!« in Beschlag genommen. Die Comic-Workshops von Mawil (im Oktober) und Barbara Yelin (im Januar) gehören zum Rahmenprogramm der Ausstellung im Geburtshaus, finden aber im Pfarrhaus statt. Also an dem Ort, am dem Busch sehr lange gelebt hat. Das Pfarrwitwenhaus, wo er vor seinem Umzug nach Mechtshausen lebte, ist leider nicht für Besucher zugänglich. Er hat die überwiegende Zeit seines Lebens in Wiedensahl gelebt, das wird leider immer wieder vergessen. Die Leute wissen, dass er in München war, in Frankfurt und Antwerpen und sonstwo, aber tatsächlich war er die längste Zeit in Wiedensahl und hat dort den Großteil seiner Werke geschaffen.
Zwei Wochen nach Eröffnung unserer Ausstellung »Endlich Comic!« beginnt in Hannover die große Werkschau »Ralf König: Echte Kerle«. Das ist für uns super! Denn wir hatten schon zunächst Bedenken, wie wir rund 35 Jahre Comic-Schaffen von Ralf König in einer Sammelausstellung von sechs Preisträgern, in unserem kleinen Geburtshaus gebührend würdigen. Dieser im Grunde unmöglichen Aufgabe wurden wir dadurch entledigt, weil Hannover in seinen Räumen Ralf König umfassend ausstellt. So können wir interessierten Besuchern, die mehr über König erfahren möchten, sagen: 45 Autominuten von Wiedensahl entfernt zeigt das Wilhelm Busch Museum in Hannover die große Werkschau! Wir weisen auch aktiv darauf hin, etwa auf unserer Website! Und Hannover nimmt uns ebenfalls auf ihre Homepage. Denn das gehört natürlich an dieser Stelle zusammen.
Das Museum in Hannover hat einen anderen Themenschwerpunkt und legt darauf auch sehr viel Wert. Bei uns steht Wilhelm Busch im Zentrum. Aber wir versuchen auch immer wieder neue Besucher zu gewinnen und die Verbindung zur heutigen Kunst, sprachlich oder bildnerisch herzustellen. Z.B. mit Fragen wie: Warum hat Busch heute noch Bestand? Die Comic-Forschung betrachtet heute Wilhelm Busch nicht mehr als DEN Urvater des Comics, denn es gab schon vor ihm Pioniere auf diesem Gebiet, aber Buschs Werk und der Erfolg von Max und Moritz hat sicher dazu beigetragen, dass sich die Comics (weiter-)entwickeln konnten.
Und das möchten wir unseren Besuchern vermitteln: Es gibt seit 30 Jahren einen Max-und-Moritz Preis und 30 Jahre lang gab es keinerlei Nachbereitung! Darüber hatte ich mit Herrn Birk mit Herbst 2013 gesprochen. Es gibt die Preisverleihung, eine Gala, danach prangt noch eine Weile auf den Verlagsseiten der Gewinner ein Foto der Medaille für das ausgezeichnete Werk oder den Künstler und das war's! Erlangens Bürgermeister, Dr. Janik, hat in seiner Eröffnungsrede auf der diesjährigen Max-und-Moritz-Gala mehr Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit für den Comic in Deutschland und eben den Preis gewünscht.
Die 6 Künstlertafeln zeigen Arbeitsplatz, Jurytexte und die ganz persönliche Haltung zum Medium Comic
Zurück zum Wilhelm-Busch-Geburtshaus. Wie dient es heute als Museum?
In diesem Haus befinden sich die beiden Originalräume, in denen Busch 1832 geboren wurde und in denen er als Kind gelebt hat. Nach der Übernahme der Verantwortung für das Haus durch den Förderkreis, in dem sich der Landkreis Schaumburg, die Samtgemeinde Niedernwöhren und die Gemeinde Wiedensahl stark engagieren, wurde das Museum 2006 erweitert und konzeptionell neu ausgerichtet. Es gibt eine museumsdidaktisch Dauerausstellung, die seine Lebensstationen aufzeigt, daraus läßt sich viel über Busch als Person erfahren.
Im Erdgeschoss gibt es den bereits erwähnten Sonderausstellungsraum, in dem immer Busch-Originale zu sehen sind. Nur bei besonderen Anläßen werden dort auch andere Künstler gezeigt, wie etwa die Ausstellungen für die Wilhelm-Busch-Preisträger Robert Gernhardt (2006) und Franziska Becker (2013).
Das Dachgeschoss wird für wechselnde Ausstellungen aktueller Künstler oder Busch-affiner Themenstellungen genutzt. Zudem haben dort die museumspädagogische Angebote ihren Platz, dort wird viel mit Jugendlichen und Schulkassen, aber auch mit Erwachsenen gearbeitet.
Für »Endlich Comic!« mussten nun 150 Jahre Max und Moritz und 30 Jahre des gleichnamigen Preises zusammenfallen, damit man auf offene Ohren für eine Comic-Ausstellung stieß! Da konnten wir dann sagen: Hey! Das gehört zusammen! Es gibt hier diesen Preis, der sich auf die berühmten Lausbuben und ihren Schöpfer bezieht! Wiedensahl wirbt mit dem Slogan »Bei Wilhelm Busch zu Hause« und wird im Jubiläumsjahr 2015 wie der gesamte Landkreis Schaumburg noch einiges an Programm anbieten, um diese Verbindung zu Wilhelm Busch bundesweit stärker bekannt zu machen.
Soll diese Aktion eine einmalige Sache bleiben oder hoffen Sie darauf, dass weitere Comic-Ausstellungen folgen werden?
Genau. Das ist zumindest die Idee dahinter, aber das hängt natürlich auch mit der Akzeptanz der aktuellen Comic-Ausstellung zusammen. Ich habe bei Herrn Birk vom Kulturbüro in Erlangen darum geworben, alle zwei Jahre im Herbst als Nachklang der Preisverleihung auf den Comic-Salon die aktuellen Gewinner ausstellen, mit Fokus auf die deutschsprachigen Preisträger. Deutschsprachig, um klarzumachen: Leute! Der Comic hat auch und vor allem eine deutsche Tradition! Wir haben nicht den Anspruch international auftreten zu wollen. Wiedensahl ist ein kleiner historischer Marktflecken. Busch hat sich nicht umsonst immer wieder dahin zurückgezogen. Für das Internationale ist dann mehr Hannover zuständig. Wir betreiben eine kleine Nabelschau: Was liegt gerade an in der deutschen Comicszene? Weniger von kommerziellen Überlegungen, mehr vom kreativ künstlerischen Standpunkt aus.
Die Vitrine von Ulli Lust mit Originalen und Skizzen zu ihrem berühmtesten Werk samt Auszeichnung
Interessiert das Irgendjemanden in den USA und Japan, was hier passiert?
Letztens fand ich auf einer US-amerikanischen Internetseite einen schönen Artikel über Wilhelm Busch. Und das »Comic Journal« hat auch etwas über ihn in seinem Archiv.
In Frankreich wird das Thema ebenfalls, aber deutlich weniger behandelt. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber wir wollen das Thema »Wilhelm Busch und der Comic« bekannter machen, deshalb werden wir auch im Juni 2015 im Europaparlament in Brüssel eine Ausstellung zur Rezeptionsgeschichte von Max und Moritz zeigen, angeregt vom Europa-Abgeordneten aus Schaumburg Burkhard Balz. Dort werden wir sinnvoller Weise auch auf den Max-und-Moritz-Preis und den Wilhelm-Busch-Preis verweisen.
Ich bin überzeugt, dass derLandkreis Schaumburg überregional und auch international stärker für bzw. mit Wilhelm Busch werben sollte! Der Landkreis hat Wilhelm Busch als »touristischen Leuchtturm« festgeschrieben, (also als Attraktion dieser Region, Anmerkung des Autors) und sich zu ihm bekannt.
Für eine Ausstellung mit internationaler Ausrichtung bräuchte man allerdings ganz andere finanzielle und personelle Mittel!
Wie können sich Menschen, die noch nicht selbst im Geburtshaus in Wiedensahl waren, diesen Ort vorstellen?
Wenn Sie ins Haus kommen, betreten sie zuerst die historische Diele. Auf der rechten Seite ist der Museumsladen. Auf der linken Seite geht es in den besagten Sonderausstellungsraum, der nur beleuchtet wird, wenn ihn Besucher betreten, damit das Licht die Originale nicht beschädigt – der Raum hat also kein Tageslicht. Inmitten der Diele finden Sie einen großen Lesetisch, und es wird auf großen Bannern das Leben Wilhelm Buschs chronologisch nacherzählt. Für Kinder gibt es eine gesondert aufbereitete Themenebene. Die Diele dient auch als Kleinkunstbühne, also Konzerte, Lesungen, etc.
Am Ende der Diele geht es rechts in die beiden historischen Originalräume. In einem davon steht das Kinderbett der Familie Busch, in dem auch der kleine Wilhelm geschlafen hat. Im anderen Raum stehen u.a. Möbel aus dem neuen Elternhaus, z.B. das von Busch auch in einer Zeichnung verewigte Schreibpult. Auf der linken Seite geht es in den Erweiterungsbau. Dort gibt es Schubladen und Vitrinen mit allerlei Originalen, wie Briefen und Pfeifen. Es sind weiter erläuternde Banner zu sehen, sowie Hörstationen, an denen z.B. neu aufgenommene Busch-Briefe oder Max und Moritz in diversen Sprachen zu hören sind. Seit April 2014 gibt es zusätzlich eine Medienstation, die sich verstärkt Buschs Familiengeschichte widmet. Außerdem informiert eine interaktive Europakarte über die Orte, in denen Busch war. Weiterhin ist ein Stammbaum eingepflegt, der fast 500 Personen umfasst, und ein Zeitstrahl, der einen Überblick über die wichtigsten Stationen, Personen und Ereignisse gibt und mit diesen verknüpft ist.
Diese Medienstation können wir nun auch hervorragend für die Ausstellung der Max-und-Moritz-Preisträger nutzen, denn wir haben zu fast jedem von ihnen auch einen Videobeitrag. Außerdem gibt es dort Originale, Skizzen, Notizbücher und anderes von den Künstlern zu sehen, das wir aus Platzgründen nicht physisch in der Ausstellung zeigen. »Totes Meer« von 18 Metzger und »Schisslaweng« von Marvin Clifford sind ja auch Werke, die vornehmlich digital vertrieben werden, die zeigen wir folglich auch elektronisch. Bei Clifford entstehen sie, anders als bei 18 Metzger, vollständig digital, und auch das zeigen wir. Auf dem großen Bildschirm können die Besucher gut die feinen Details erkennen. Die Videos wurden natürlich nicht eigens für die Ausstellung erstellt, wir verwenden etwa von »Zeit Online« ein sehr schönes Porträt über Ulli Lust, oder von Marvin Clifford ein Screenrecording, wie er vom leeren Blatt zur fertigen Zeichnung kommt. Das zu sehen, wie etwas aus dem Nichts entsteht, ist sehr spannend! Und wir zeigen von 18 Metzger einen schönen skurrilen Animationsfilm.
Außerdem stellen wir bei der Ausstellung die Verbindung von Busch zu den Preisträgern heraus. Für das Fachpublikum ist das nichts Neues. Aber es ist die erste Comic-Ausstellung in Wiedensahl und man muss vielen Besuchern immer wieder erklären, was Busch eigentlich mit Comics zu tun hat.
Weiterhin thematisieren wir auch 30 Jahre Max-und-Moritz-Preis in Erlangen, um den Preis und den Comic-Salon auch außerhalb des Comic-Fachpublikums bekannter zu machen. Wir können also Herrn Dr. Janik jetzt zurufen: Hallo! Wir sind der Nachklang, den Sie sich auf dem Salon gewünscht haben! Vielleicht stößt die Ausstellung, wenn sie im Mai 2015 bei uns ausläuft, bei anderen (Comic-)Museen in Deutschland auf Interesse, die so den Ball aufnehmen und ihn bis zum nächsten Comic-Salon im Spiel halten könnten.
Die 6 Künstlertafeln zeigen Arbeitsplatz, Jurytexte und die ganz persönliche Haltung zum Medium Comic
Sie zeigen Originalseiten, einige Comicszenen stellen Sie vergrößert aus, damit alle Details zu sehen sind und Sie bieten einige Comics der ausgestellten Künstler zum Verkauf an. Wird es auch Exponate geben, wie Merchandise, Pappaufsteller und ähnliches?
Nein. Die Ausstellung ist fokussiert auf den Max-und-Moritz-Preis. Wir wollen die ausgezeichneten Künstler etwas näher bringen. Wir haben von allen Künstlern Fotos ihrer Arbeitsplätze. Wir stellen Skizzen und Originale gegenüber, wir wollen zeigen, wie und wo jemand arbeiten. Das ist bei Ralf König etwas dürftig, da er »am offenen Herzen operiert«. Er hat zwar ein Skizzenbuch, aber es gibt bei ihm nur wenige Vorstudien oder Storyboards. Er geht gleich direkt am Blatt in die Vollen. Während wir bei anderen Künstlern auch Storyboards und Entwicklungsskizzen zeigen können. Sehr interessant ist 18 Metzger, der bislang als Comic-Strip vor allem digital und in der »JungleWorld« veröffentlicht wurde. Aber diese Originale muss man mal gesehen haben! Die sind teilweise auf Finnpappe, auf großen Sperrholzbrettchen, auf kleinen Pappen – also unterschiedlichste Formate. Das schwankt zwischen 30 Zentimetern und vier mal zwei Meter! Letztere haben wir aus Platzgründen gerne an die aktuelle Ausstellung in Oberhausen weitergegeben. Superschöne Zeichnungen, Malereien mit Kreide und Stiften – und die präsentieren wir eben auch. Es gibt Originale von König, wir haben sehr viel »Making-of« von Mawil zu »Kinderland«. Von Ulli Lust haben wir Originalseiten und Skizzen aus »Flughunde« und »Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens«.
”Triebwerk« wiederum ist eine Ausnahme, da das ein Comic-Magazin einer Illustrationsklasse von ca. 50 Leuten ist. Die können wir nicht angemessen präsentieren. Sie werden im April/Mai 2015 nach Schaumburg kommen und setzen sich dann zeichnerisch mit Busch auseinander. Sie bekommen dann eine Sonderausstellung in unserer Kreisstadt Stadthagen, die 10 Minuten Fahrt von Wiedensahl entfernt liegt. Im Geburtshaus zeigen wir folglich einen kleinen Ausschnitt von »Triebwerk«.
Marvin Clifford präsentieren wir vornehmlich digital, denn das ist sein Medium.
Meine Frau als Museumsleiterin und ich haben alle Künstler vor Ort persönlich besucht, mit ihnen gesprochen und Originale ausgeliehen. Das war ein Heidenaufwand, den uns keiner bezahlen wird, aber wir wollen’s jetzt einfach mal wissen.
Skizzenbuch und Originalleporello für ”Totes Meer“ von 18 Metzger
Gibt es oder wird es einen virtuellen Museumsrundgang im Internet oder auf DVD geben?
Derzeit nicht. Viele Museumsmacher schrecken davor zurück, weil sie befürchten, die Leute besuchen nicht mehr das Museum, wenn sie es bereits virtuell erkundet haben. Aber nur weil ich die Mona Lisa schon mal digital gesehen habe, will ich doch trotzdem das Original im Louvre betrachten, es sei denn ich mag das Bild nicht. Es wäre allerdings auch technisch und finanziell sehr aufwändig, so einen virtuellen Rundgang professionell und anspruchsvoll umzusetzen und nicht nur als »Haben-wir-auch«-Gimmick mitzunehmen.
Sie stellen aber nicht sämtliche Künstler aus 30 Jahren Max-und-Moritz-Preis aus, sondern aus Platzmangel nur den Jahrgang 2014?
Sicherlich aus Platzgründen, aber auch aus rein logistischen Überlegungen. Wie sollen wir mal eben die deutschsprachigen Preisträger der letzten 30 Jahre in einer Ausstellung präsentieren. Wir haben für den Start das große Glück, dass der Preisträger für das Lebenswerk ein deutscher Künstler, nämlich Ralf König, ist. Besser konnte es nicht laufen, da König mit seiner pointierten Busch-Hommage 2007 gezeigt hat, was ihn mit Wilhelm Busch verbindet. Wie wunderschön Ralf König das auch zeichnerisch umgesetzt hat!
Wir zeigen auch etwas »Prototyp«, Religionskritik und »Konrad und Paul«. Die beiden letztgenannten begleiten Ralf ja auch schon viele Jahre. Er hat uns auch freundlicherweise eine seiner Max-und-Moritz-Preis-Medaillen für die Ausstellung zur Verfügung gestellt.
Entwicklung der Figuren, Storyboards und Originalseiten für ”Kinderland“ von Mawil
Die Gewinner 2014, Jimmy Corrigan aus den USA und Billy Bat aus Japan, sind auch in Wiedensahl zu sehen?
Nein. Wir sagen: deutschsprachige Comic-Künstler. Wir betreten hier völliges
Neuland, deshalb heißt die Ausstellung ja auch »Endlich Comic!«. Weder im Pfarrhaus noch im Geburtshaus oder überhaupt in Schaumburg wurden bisher Comics ausgestellt. So merkwürdig das für langjährige Comicleser auch klingt, aber wir müssen die Besucher, die die vor allem wegen Wilhelm Busch ins Haus kommen, erst mal an das Thema Comics heranführen und dafür werben. Wir wollen etwas für das Ansehen von Comicsin Deutschland tun. Wenn man dann gleich noch mit internationalen Titeln kommt, würde man zu viel wollen. Wir werben mit einem etablierten, international anerkannten Künstler – Wilhelm Busch. Wir wollen verdeutlichen, dass es eine deutsche Comictradition gibt, die es vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg bereits gab, die aber dann nach dem Zweiten Weltkrieg eingebrochen ist. Dann kamen »Mickey Maus«- und
»Superman«-Heftchen aus den USA. Natürlich kamen dann auch Bedenken hoch, dass wir Wilhelm Busch mit »Donald Duck« über einen Kamm scheren. Insofern freut mich die große Bandbreite bei den Preisträgern, deren Werke wir ausstellen.
Ist denn Schaumburg eine besonders konservative Region oder warum diese Skepsis?
Das ist doch bundesweit so! Daskonnte man doch auch in Erlangen dieses Jahr überall wieder hören, bei jedem Panel, bei jeder Diskussion wurde geklagt, wie schwer es ist in Deutschland, eine Lanze für die Kunstform Comic zu brechen. Was etwa Reprodukt und andere in den Buchhandlungen immer wieder erleben, wenn es um die Platzierung von Comics, Graphic Novels geht, ist schon sehr bezeichnend. In der deutschen Rezeption besteht noch immer das Vorurteil, dass Comics amerikanische Kinderheftchen seien. Da können wir das Phrasenschwein reichlich füllen, mit all den TV- und Zeitungsberichten über Comics die mit Sätzen beginnen wie:»Comics sind nicht nur Micky Mouse und Donald Duck...«. »Comics sind mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen...«, »Comics sind inzwischen auch Kunst...« und so weiter.
Das klingt nach Seniorenargumenten. Die jungen Leute lesen seit Jahrzehnten Mangas. Könnte man die denn nicht mit Billy Bat ins Museum locken? Ein Vorbehalt von manchen Leuten ist ja, dass Museen eher für ein hochbetagtes Publikum attraktiv zu sein scheinen?
Das Geburtshaus hat im Dachgeschoss überschaubare räumliche Möglichkeiten. Das wir später mal auch deutschsprachige Veröffentlichungen und nicht nur deutschsprachige Künstler ausstellen, will ich ja gar nicht ausschließen. Wir wollen uns mit der ersten Ausstellung nicht übernehmen, indem wir gleich alles zeigen wollen, was es gibt. Denn dann müsste ich sogar erst noch die Comicform Manga erklären. Zunächst erklärte Andreas C. Knigge bei derAusstellungseröffnung im Geburtshaus die Verbindung von Wilhelm Busch und dem Comic.
Kurz in drei Stichworten: warum sollten Interessierte in die Ausstellung »Endlich Comic!« kommen?
Weil es ein Debüt ist. Weil es in dem Ort stattfindet, in dem Busch die meiste Zeit seines Lebens gewirkt hat. Und weil es beeindruckende Artefakte zu sehen gibt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Stefan Svik.
Abbildungen © 2014 Wilhelm-Busch-Geburtshaus
Weiterführende Links:
Bericht zur Eröffnung der Ausstellung: Ausstellung »Endlich Comic!« im Wilhelm-Busch-Haus
Homepage des Museums: Wilhelm-Busch-Haus