Ab dem 1. Mai 2015 wird ein Wandgemälde des deutschen Zeichners Ralf König das Stadtbild von Brüssel verschönern. Der Zeichner (Konrad & Paul, Archetyp) ist damit nach Hugo Pratt der erste nicht aus dem frankobelgischen Raum stammende Künstler, dem diese Ehre zuteil wird.
Riesen-Wandgemälde als Zeichen
für Toleranz und Transgender
Jeder Comicfan, der einmal durch die Straßen von Belgiens Hauptstadt gestreift ist, kennt sie: Riesige, auf Haus- und Hallenwände gebrachte Gemälde mit Motiven bekannter, beliebter oder sogar legendärer Helden der Neunten Kunst. Mehr als 60 dieser beeindruckenden Zeugen für die Bedeutung von Comics in Belgien können auf einem geführten Rundgang des CBBD (Belgisches Zentrum für Comics) abgelaufen werden, und der Besucher entdeckt dabei die Helden von Hergé, Morris, Franquin, Vandersteen und vielen weiteren großen Künstlern.
Am 1. Mai dieses Jahres, der auch in Belgien als gesetzlicher Feiertag der Arbeiterbewegung gilt, wird mit einer feierlichen Zeremonie das auf Initiative von Rainbow House entstandene Gemälde von Ralf König in der Rue de la Chaufferette Nr. 3 in der Nähe des Grand Place mit einer beeindruckenden Größe von nahezu 8 x 4 Metern eingeweiht. Rainbow House ist die Dachorganisation der wallonischen und flämischen LGBTQI-Vereinigungen, die sich um die Belange von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen kümmert. Wir sprachen mit François Massoz-Fouillien, dem Pressesprecher von Rainbow House, über die Entstehung des Wandgemäldes.
François, wie kam es dazu, dass Ralf König der erste in Brüssel gezeigte »Wandgemälde-Künstler« aus Deutschland sein wird?
Bereits 2014 haben wir die erste Ausgabe unseres »Out in the Street«-Projektes realisiert mit einem unmittelbaren riesigen Erfolg. Während zwei Monaten haben wir 20 Mauern in Brüssels Innenstadt mit LGBTQI-Porträts der griechischen Künstlerin Fotini Tikkou geschmückt, die auf Situationen oder Probleme von Schwulen, Lesben und LGBTQI allgemein aufmerksam machten – stets mit einem positiven, manchmal komischen Unterton. Das hat sich zu einer großen Sache in den sozialen Netzwerken entwickelt, und Touristen und Einwohner haben sich mit den Tikkou-Porträts fotografieren lassen. Das war sehr spannend, weil wir keine Vorstellung vom Ausgang der Aktion hatten und uns über die vielen positiven Reaktionen gefreut haben.
Nach Monaten der Suche nach Partnerschaften und offizieller Genehmigungen wiederholen wir das Projekt dieses Jahr in Zusammenarbeit mit der Stadt, begrenzt auf eine Straße und mit verschiedenen Künstlern. Dafür dauerhaft. Neben Fotini Tikkou aus Griechenland, die wieder dabei ist, haben wir noch Les Chaolo aus Brüssel für eine Zusammenarbeit gewinnen können, und natürlich Ralf König. Er wird in seinem unnachahmlichen Stil die LGBTQI-Gemeinschaft repräsentieren, während wir von Fotini weitere Porträts sehen werden und Les Chaolo mit einer großen »Genders Diversity Wall« auf Diskriminierungen von LGBTQI hinweist.
Wie seid ihr auf Ralf König gekommen?
Weil er gute Charaktere zeichnet in seinem besonderen Stil, aber immer auch diesen besonderen humoristischen Ton trifft. Wenn du auf Ausgrenzung und Diskriminierung hinweisen willst, sind Humor und eine positive Einstellung die besten Mittel, um gegen Stereotypen anzugehen. In dieser Hinsicht ist Ralf wohl einer der besten Künstler in ganz Europa. Es ist eine Ehre für uns, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Wie bekannt sind eigentlich die Comics von Ralf König in Belgien? Werden die Brüsseler einen Bezug zu dem Wandgemälde herstellen können?
Auf jeden Fall! Brüssel ist ja eine sehr internationale Stadt, wo es mehr Zugezogene als »Eingeborene« gibt. Hier werden viele Sprachen gesprochen, viele Nationalitäten kommen zusammen, die ganze Stadt ist bekannt für ihre Offenheit. Das ist Teil ihrer Identität. Und da ist es kein Wunder, dass Ralfs Comics auch hier bekannt sind. Berühmte Leute aus aller Welt sind auch in Brüssel berühmt.
Wie wird das Gemälde von Ralf König am 1. Mai eingeweiht?
Zusammen mit Ralf, den anderen Künstlern und Vertretern unserer Partnerorganisationen gibt es eine große Eröffnungsparty mit Livemusik und Führungen zu den Kunstwerken. Wichtiger ist natürlich, dass die Straße auch nach dem 1. Mai offen ist für alle Besucher der Kunstwerke – und das für eine lange Zeit. Jeder wird Gelegenheit haben, sich die Wandgemälde anzusehen.
Das Interview führte Volker Hamann
Abbildungen © 2015 Ralf König/Rainbow House/CBBD
Weitere Infos
Homepage von Rainbow House: http://rainbowhouse.be/actualites/105-out-in-the-street-first-belgian-lgbtqi-art-street/
Homepage von Ralf König: http://www.ralf-koenig.com/