Unter dem schlichten Titel »Comics!« eröffnete am 14. Juli eine Ausstellung im baden-württembergischen Heilbronn. Die Schau, die noch bis zum 17. September kostenlos zu sehen ist, versammelt mehr als 160 Originalzeichnungen vom Ende der 1940er-Jahre bis heute. CRON hat sich vor Ort umgesehen und sich mit Kurator Christian Schmidt-Neumann über die Neunte Kunst, die Herausforderungen ihrer Präsentation und seine Lieblingsstücke unterhalten.
Noch vor dem Eingang in den Hauptsaal, den eine gläserne Pyramide überspannt, begrüßt die Besucher ein alter Bekannter. Eine Illustration, die Donald Duck zeigt, hängt als erster Hingucker links an der Wand. Gemeinsam mit einer Reihe Originale von Carl Barks über Don Rosa bis Arild Midthun ist dieser kleine, als »DISNEY-Kosmos« bezeichnete Blick auf Entenhausen der eigentlichen Ausstellung quasi vorgeschaltet – und könnte keine bessere Einführung in die Materie bieten. Schließlich dürften Donald, Micky & Co. beim Publikum nicht nur den größten Bekanntheitsgrad genießen, Donalds Onkel Dagobert und seine berühmten Geldbäder passen auch wunderbar zum Veranstaltungsort: dem Hauptsitz der Kreissparkasse (KSK) Heilbronn.
Die bietet jede Menge Platz, den es erst einmal zu befüllen gilt. CRON hat sich Kurator Christian Schmidt-Neumann zur Seite genommen und mit ihm über die Ausstellung – vom ersten Konzept auf dem Papier bis zu den ausgewählten Originalen an der Wand – gesprochen. Schmidt-Neumann ist kein Unerfahrener auf dem Gebiet. Er konzipierte mit seinen Freunden vom Pfälzer Comicstammtisch in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Speyer bereits 2011 eine Comicausstellung. Das sagt der Macher ...
… über die Idee: Die Idee einer Comicausstellung stammt von einem Mitarbeiter der KSK, Uwe Reber, der selbst gerne Comics liest und in seiner Freizeit Illustrationen anfertigt. Er sprach Alexander Bubenheimer an, den er als Fan von Signierstunden des Panini Verlags kennt. Und Alexander holte zur Ergänzung Michael Gref und mich dazu. Und so bildete sich in Kürze ein kleiner Vorbereitungskreis, der mich als Kurator auserkoren hat. Die KSK Heilbronn bildet innerhalb der Bank ein kleines Team von Mitarbeitern, das sich ausschließlich um die vielfältigen Veranstaltungen kümmert. Einer dieser Mitarbeiter, Alexander Scheuermann, fungierte als Ansprechpartner und übernahm die ganze administrative Seite der Ausstellung.
... über die Besucher: Als jemand, der manches über Comics weiß, ist es nicht einfach, sich auf die Sichtweise der potenziellen Besucher einzulassen. Unsere Zielgruppe sind die comicalischen Laien aus dem Großraum Heilbronn im weiteren Sinn, im engeren Sinn die Kunden der Kreissparkasse Heilbronn. Jedoch möchten wir ebenfalls comicaffine Menschen ansprechen. Es sieht so aus, als wollten wir die Quadratur des Kreises angehen.
In zwei großen Quadraten sind dann auch die Exponate des Hauptsaals angeordnet. Im Uhrzeigersinn geht es an frühen US-amerikanischen Strips und deutschen Comics vorbei und über Graphic Novels und frankobelgische Vertreter zurück zu Zeitungsstrips jüngeren Datums. Die Innenseite des inneren Quadrats, in deren Mitte sich eine Leseecke befindet, ist den Superhelden gewidmet. Die Stücke auf der Bühne sind dem jeweiligen Künstler vorbehalten, dessen Veranstaltung als Nächstes in Haus steht. Kein leichtes Unterfangen. Im Folgenden erklärt Christian Schmidt-Neumann ...
… die Auswahl der Exponate: Was die Auswahl der Originale angeht, habe ich mich unter anderem nach dem Grundsatz »farbig vor schwarz-weiß« gerichtet. Es geht hier ja darum, Leute in die Ausstellung zu locken, die unabhängig von der comichistorischen Bedeutung eines Originals für das Medium gewonnen und begeistert werden sollen. Dabei haben wir bei der Zurschaustellung von Comicoriginalen ein ähnliches Problem zu lösen, wie die Ausstellungen, die sich mit Literatur befassen. Die meisten Betrachter kennen das komplette Werk nicht, von dem irgendeine beliebige Seite an der Wand hängt. Sie ist nur ein Bruchteil des Ganzen, im Gegensatz zur bildenden Kunst, in der das singuläre Werk den Besuchern eher etwas sagt.
… deren Herkunft: Alle gezeigten Stücke sind in privater Sammlerhand. Keines kann man in einem öffentlichen Rahmen sehen. Das ist ja die Krux in Deutschland. Es gibt sehr, sehr wenige Museen, die sich der Neunten Kunst annehmen. Ein gewichtiges Argument zum Besuch der Ausstellung!
…. und die Beschränkungen dabei: Die Räumlichkeiten hatten keinen Einfluss auf die Auswahl der Exponate. Ganz klar standen die thematischen Schwerpunkte von vornherein im Fokus. Dass ich mich aus den unterschiedlichsten Gründen begrenzen muss, war mir bereits klar, als ich als Kurator zugesagt hatte. Da waren einerseits die zeitlichen Vorgaben zu beachten. Bereits bei den ersten Gesprächen lag der Zeitraum der Ausstellung auf dem Tisch. Es galt die potenziellen Sammler zu kontaktieren, die Sammlungen zu sichten, die thematische Vorgabe zu beachten, das eigene Leben nicht außen vor zu lassen und zudem daran zu denken, dass 100 laufende Meter zu bespielen sind. Wie sich im Laufe der Planungen herausstellte, lediglich 100 Meter.
Die Vernissage und erste Veranstaltungen gingen bereits erfolgreich über die Bühne. Ein Abend (11.08.) und eine Signierstunde (13.08.) mit Timo Wuerz, ein Werkstattgespräch (26.08.) und eine Signierstunde (27.08.) mit Ulf K. sowie ein Prinz Eisenherz-Sonntag (17.09.) mit Thomas Yeates stehen noch aus. Das meint der Kurator ...
… über die Künstler vor Ort: Jeder unseres Planungsteams kennt Comickünstler persönlich, ist zum Teil gut mit ihnen befreundet. Da fällt es leicht, die zu den Themen passenden Künstler direkt anzusprechen und eine Zusage zu erhalten. Timo Wuerz beispielsweise kommt ja einerseits aus der Region und ist mit dem Großteil des Planungsteams sehr gut bekannt. Für ihn war es keine Frage, dass er sich für die Ausstellung einspannen lassen und dass er zudem das tolle Plakat gestalten würde. Mit den drei noch ausstehenden Künstlern werden jeweils Künstlergespräche für das interessierte Publikum geführt. Zudem werden Signierstunden angeboten. Die bisherigen Veranstaltungen mit Wuerz/Midthun (Vernissage) und Mike Perkins waren sehr gut besucht. Sie signierten für die Besucher, bis ihnen die Hände wehtaten. Auch das ein Effekt, den man hat, wenn die Künstler gerne kommen, weil sie das auch als Freundschaftsdienst betrachten.
… über den Katalog zur Ausstellung: Für all jene, die das Thema etwas vertiefen möchten, hat Alexander Bubenheimer mit meiner Unterstützung einen durchaus hochwertigen Ausstellungskatalog erstellt, der vor Ort oder auch über Hummelcomic, beziehungsweise die Sammlerecke erhältlich ist. Darin sind neben kurzen Texten von Alexander Abbildungen der bedeutendsten Originale zu sehen sowie die wesentlichen Angaben zu allen ausgestellten Exponaten.
… und über seine Lieblingsstücke: Sie sind mir alle ans Herz gewachsen. Ich versuche mal, anhand der Ausstellungsthemen ein paar besondere Exponate hervorzuheben.
Disney: die beiden Don-Rosa-Cover, also das Weihnachtsmotiv und das Cover zu »Onkel Dagobert – Sein Leben, seine Milliarden«.
Strips: Fosters Eisenherz und die drei Peanuts-Dailies.
Superhelden: Aparos Batman-Cover und Hardins Harley Quinn mit Batman, ebenfalls ein Cover.
Deutsche Zeichner: e.o. Plauens Vater und Sohn-Geschichte und Ulf K.s aktuelle Version
Graphic Novels: Eisners Seite aus »Ein Vertrag mit Gott« und Chris Wares Seite aus »Building Stories«.
Frankobelgische Comics: die beiden Chaland-Seiten aus unterschiedlichen Perioden von Freddy Lombard, die in der Ausstellung dem Thema ligne claire zugeordnet sind.
Ob sich die Besucher dieselben Lieblingsstücke herauspicken werden? Beim Verlassen der Ausstellung grüßen Donald, Dagobert, Micky & Co. ein letztes Mal von den Wänden und lassen das Publikum – egal ob Laien oder Comicfachkundige – mit dem Gefühl zurück, im Quadrat unter der Pyramide eine runde Sache gesehen zu haben.
Fotos © Falk Straub, privat
Die nackten Fakten:
Comicausstellung in Heilbronn
Termin: 14.07. bis 17.09.2017
Ort: Kreissparkasse Heilbronn, Am Wollhaus 14, 74072 Heilbronn
Eintritt: frei
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 17.30 Uhr, Donnerstag 9 bis 18 Uhr, Sonntag 13 bis 17 Uhr, Samstag geschlossen
Signierstunde mit Timo Wuerz: 13.08., 13 bis 17 Uhr, Eintritt frei
Werkstattgespräch mit Ulf K.: 26.08., Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19 Uhr**
Signierstunde mit Ulf K.: 27.08., 13 bis 17 Uhr, Eintritt frei
Prinz Eisenherz-Sonntag mit Thomas Yeates: 13 bis 17 Uhr, Eintritt frei
Der Ausstellungskatalog ist für 10 Euro vor Ort erhältlich.
*Anmeldung erforderlich unter: www.ksk-hn.de/comics
** Eintritt im Vorverkauf 10 Euro, 5 Euro für Girokontokunden der KSK Heilbronn. Eintrittskarten unter: www.ksk-hn.de/comics