Eine Woche nach dem Comicfestival 2013 zogen Michael Kompa und Heiner Lünstedt, die beiden Leiter des Organisationsteams, eine erste Bilanz. Mehr Besucher als 2011 und mehr gut besuchte Programmpunkte sorgten für ein positives Fazit. Die Zweiteilung der Verlagsmesse auf verschiedene Veranstaltungsorte provozierte jedoch, sowohl vor als auch nach dem Festival, einige kontroverse Meinungen in der Szene.
Im CRON-Interview äußert sich Michael Kompa zu den Bedenken und gibt zu erkennen, dass man jede konstruktive Kritik genau prüfen will.
Rund 13.000 Besucher auf dem Comicfestival
Interview mit Michael Kompa
Das Comicfestival 2013 ist Geschichte. Eine große Leistung, die viel Energie und Nerven gekostet hat, besonders wenn man einige der außergewöhnlichen Umstände in Betracht zieht, wie z.B. der viertägige Dauerregen. Wie viele Besucher wurden dieses Jahr gezählt?
Danke für die Anerkennung unserer Leistung. Wir konnten trotz schwieriger Umstände - Katastrophenwetter und FC-Bayern-Triple-Feier - einen deutlichen Zuschauerzuwachs verzeichnen. Waren es 2011 noch rund 10.000 Besucher lagen wir heuer bei rund 13.000 Besuchern.
Alle Veranstaltungsorte haben auch ihr eigenes Publikum angezogen, so dass selbst in abgelegenen Locations wie z.B. der Galerie Truk Tschechtarow oder der Mohr Villa ein Comicfieber entstanden ist und neues Interesse für das Medium Comic generiert werden konnte. Bei den Künstlergesprächen mit R.M. Guéra im Instituto Cervantes oder bei Ulrich Schröder und Daan Jippes in der Mohr Villa mussten die Besucher aufgrund des großen Andrangs sogar auf dem Boden sitzen.
Laut der ersten CRON-Blitzumfrage unter den teilnehmenden Verlagen sind die meisten zufrieden, sowohl mit ihrem Stand als auch dem Besucherinteresse. Was aber sehr oft als ungünstig genannt wurde, das war die Zweiteilung der Verlagsmesse auf Künstlerhaus und Altes Rathaus. Von den Independent-Verlagen hieß es, man hätte Euch während des Festivals nicht im Alten Rathaus gesehen. Wie kam es dazu?
Bei 22 Veranstaltungsorten waren wir überall und nirgends und mussten verschiedene Tätigkeiten delegieren. Für das Alte Rathaus hat uns Gerhard Schlegel im Vorfeld zugesichert, während des Festivals die dortige Leitung zu übernehmen, was leider überhaupt nicht funktioniert hat.
Zusätzlich haben wir am Eingangsbereich des Alten Rathauses einen Infostand installiert, der ständig mit Heiners Schwester und Praktikanten besetzt war. Wir haben uns jeden Morgen persönlich und auch laufend per Telefon mit dem Team abgestimmt und wer hier nach Hilfe angefragt hat, bekam auch tatkräftige Unterstützung. Sowohl am Mittwoch den 29.05., als auch am Montag den 03.06. konnte man uns vormittags beim Aufbau und beim Aufräumen und Auskehren im Alten Rathaus persönlich antreffen.
Das Alte Rathaus hatte aufgrund von Brandschutzbestimmungen eine Besucherbegrenzung. War das im Vorfeld nicht bekannt?
Nein, das war im Detail leider nicht bekannt. Wir wussten nur dass sich die Brandschutzbestimmungen für das Alte Rathaus gegenüber den Festivals der Vorjahre deutlich verschärft hatten. Als wir Ende 2012 den Mietvertrag für das Alte Rathaus unterzeichnet haben, mussten wir auch die Veranstaltung beim Brandschutz anmelden. Der Beschluss vom Brandschutz ging uns trotz diverser Nachfragen (per Mail und Telefon) erst am 28.05.13 zu. Und auch hier war keine Personenbegrenzung dargestellt.
Der Saal ist laut der Stadt für 550 Personen zugelassen (wir waren noch eine Woche vor dem Festival zu einer städtischen Veranstaltung mit deutlich mehr Besuchern in dem Saal eingeladen). Uns wurde zwar auch mitgeteilt, dass eine Zählung der Besucher erfolgte und Schließungen befürchtet wurden – aber es wurde zwischen dem 30.05.13 und dem 01.06.13 keinem Besucher der Zutritt ins Alte Rathaus verwehrt. Selbst am Tag der Triple-Feier des FCB haben die Ordnungskräfte Besucher des Comicfestivals zuvorkommend und bevorzugt durch die Schleuse in das Alte Rathaus gelassen, zum Verdruss zahlreicher Bayern-Fans, die nur sehr eingeschränkt in den Altstadtbereich durften.
Welche Lehren zieht ihr aus den Problemen, die durch die Trennung der Messe entstanden sind? Sieht so aus, dass die räumliche Aufteilung der Verlage in große und kleine keine Zukunft hat …
Na ja, bei anderen etablierten Festivals wie in Angouleme oder St. Malo funktioniert das ja sehr gut. Bei gutem Wetter wäre es auch in München völlig anders gelaufen, außerdem gibt es verschiedene Aussteller im Alten Rathaus, die sehr gut verkauft haben. Der Verkaufserfolg bei einem Festival hängt mit vielen Faktoren zusammen, nicht nur mit dem Konzept der Veranstalter, sondern vor allem mit Angebot und Nachfrage.
Entgegen anderslautender Aussagen von Gerhard Schlegel gibt es keine zentral gelegene Location in der Münchner Innenstadt, die das gesamte Spektrum der Comicszene beherbergen kann. Es stellt sich also die Frage, ob die Comics im Münchner Zentrum residieren sollen und damit als allgemeines Kulturgut zelebriert werden oder ob das Comicfestival sich wieder wie noch vor acht Jahren in Randgebieten tummeln und damit in die Schmuddelecke zurückkehren soll.
Aber natürlich haben wir auch unsere Lehren aus den Auswirkungen des schlechten Wetters gezogen und werden weitere Locations besichtigen. Sollten wir uns wieder für das Alte Rathaus entscheiden, werden wir über eine andere Aufteilung der Standplätze nachdenken.
Die Beschilderung war für viele ein großes Problem. Wie seht ihr das?
Das sehen wir leider genauso, sowohl im Alten Rathaus als auch im Künstlerhaus müssen wir uns sehr stark nach dem Denkmalschutz richten, d.h. es dürfen keine Schilder an die Wände oder Holz geklebt werden (bzw. das was wir bereits dort hingeklebt haben war ein Ausloten des Möglichen).
Uns war dieses Problem im Vorfeld bewusst, deshalb haben wir 100.000 Exemplare unseres Programmheftes gedruckt und über 80.000 davon dem überall gratis in München ausliegenden Veranstaltungsmagazin IN MÜNCHEN beigelegt.
Zusätzlich wurde noch ein Lageplan inkl. sämtlicher Verlagsstände mit einer Auflage von 25.000 Stück erstellt, wovon 15.000 im Vorfeld in Münchner Kneipen und kulturellen Einrichtungen verteilt wurden und 10.000 Pläne den Festivalbesuchern an den Kassen und am Infostand zur Verfügung standen. Wir haben sehr zeitig über unsere Internet- und Facebook-Seiten auf alle unsere Veranstaltungen hingewiesen und zudem noch in einem sehr viel stärkeren Maße als auf den vorherigen Festivals im Innenstadtbereich plakatiert. Die Münchner Bürger waren also, auch durch die gute Vorberichterstattung in den Medien - von SZ bis Tagesschau – bestens über das Festival informiert.
Manche der Ausstellungen waren sehr gelungen (Underground), manche die Bezeichnung nicht wert (z.B. Wertham und der Comics Code). Was ist zur Qualität und der vielleicht zu großen Menge der Ausstellungen zu sagen?
Wir haben sehr viel Zeit, Geld und Energie in unsere Ausstellungen investiert. Dabei haben wir über 600 Originalzeichnungen von hochkarätigen Künstlern präsentiert. Uns ist es auch wichtig Einsteiger inhaltlich auf einem niedrigeren Niveau abzuholen, - was weitestgehend mit Texttafeln gut funktioniert hat. Einige Ausstellungen wurden gemeinsam mit den Künstlern kuratiert (z.B. Barbara Yelin oder Ulrich Schröder).
Auf die Wertham-Ausstellung hatten wir keinen Einfluss. Diese wurde vom Jüdischen Museum eigenständig kuratiert, was aber auch ein Erfolg für die Anerkennung des Medium Comic ist. Wir hatten Beratung angeboten, was bei einem Museum mit mehreren eigenen Kuratoren kaum angenommen wird. Durch die zahlreichen im Vorfeld des Festivals stattfindenden Vernissagen ergab sich zudem ein großer Werbeeffekt für das gesamte Festival.
Viele Ausstellungen laufen auch noch länger. Hier empfehlen wir besonders die Underground-Ausstellung im Valentin Karlstadt-Musäum mit noch nie gezeigten Originalen von Robert Crumb aus dem Nachlass von Harvey Kurtzman (darunter drei spektakuläre Fritz the Cat-Seiten), die Kalenbach-Retrospektive im Christian Fischbacher Showroom oder die Ausstellungen im Instituto Cervantes (Django Unchained und Fraternity). José-Luis Munuera besucht am 22.06.13 auch nochmal München. Er wird beim »dia é des Instituto Cervantes« wieder für ein Künstlergespräch und Signieraktionen zur Verfügung stehen.
Mit was seid ihr zufrieden?
Grundsätzlich sind wir mit dem gesamten Festival sehr zufrieden. In einer kulturell so aktiven Stadt wie München wurde fünf Tage lang tatsächlich ein Comicfieber entfacht, das vielleicht erst vom FC Bayern am 02.06.13 teilweise wieder kuriert wurde. Aber hey, in dieser Saison besiegt der FCB anscheinend einfach jeden.
Natürlich sind wir mächtig stolz auf den Besuch unserer Gäste - allen voran Robert Crumb. Obwohl Crumb Festivals nicht mag, hat er sich in München pudelwohl gefühlt (aber eben weil wir seine Wünsche respektiert haben - auch in Bezug des »Moderators« Gerhard Seyfried). Wer sich ein Autogramm von Crumb gewünscht hat, konnte dies auch über die 400 signierten Drucke von uns quasi für Umme bekommen. Auch die späte Anerkennung für Lona Rietschel und die Freude dieser tollen Frau über den PENG!-Preis und das Festival insgesamt waren ein absolutes Highlight.
Sehr gefreut haben uns auch die zahlreichen – von uns teilweise noch gar nicht ausgewerteten - Pressemeldungen, wie z. B. der sehr positive Nachbericht, der am Montag den 03.06.2013 in der FAZ erschien!
Wir sind mit allen Ausstellungen – einschließlich der unserer Meinung nach kleinen, aber feinen Wertham-Präsentation - sehr zufrieden und stolz was für tolle Exponate wir präsentieren konnten bzw. noch können. Wir sind sehr froh, dass wir bei den zahlreichen Originalzeichnungen mit einem Gesamtwert von über 500.000 Euro auch die Verantwortung gegenüber allen Leihgebern erfüllen konnten und keine Verluste zu vermelden haben. Trotz entsprechender Versicherung wäre das für uns eine der größten Katastrophen, denn wie sollte man es z.B. Rags Morales erklären, wenn das Originalcover von Action Comics #1 trotz üppiger Versicherungssumme nicht mehr verfügbar wäre.
Dazu eine kleine Anekdote am Rande: Der Munch-Zeichner Steffen Kverneland hatte uns am Montag vor dem Festival kontaktiert, dass er in Berlin die Originale für seine Ausstellung verloren hatte oder ihm diese gestohlen wurden. Obwohl Steffen dies erstaunlich professionell verarbeitet hat und sich damit den Spaß am Festival nicht verderben lassen wollte, lag dies für uns wie ein böser Schatten über dem Festival. Gestern informierte uns Steffen, dass seine Originale im Berliner Fundbüro aufgetaucht sind. Spätestens von da an sind wir der Meinung, dass es ein großartiges Festival war. Kleinere und größere Pannen passieren immer, aber es gab keine Katastrophen.
Was muss anders gemacht werden beim nächsten Mal?
Das ist müßig zu beantworten. Wir haben gegenüber dem letzten Festival zahlreiche Feedbacks berücksichtigt und das hat nicht immer zu einer Verbesserung geführt (z.B. beim Wunsch in diesem Jahr ein anderes Hotel für die Künstler zu buchen).
Wir sind natürlich lernbereit, werden uns die Feedbacks zu Herzen nehmen und schauen was in der Infrastruktur von München umsetzbar ist. Dabei sollte allerdings auch berücksichtigen werden, dass wir keine professionellen Eventmanager oder städtische Angestellte sind, die dies im Vorfeld ganztägig alles voll durchplanen können. Wir sind Comic-Enthusiasten und die gesamte Vor- und Nacharbeit wird hauptsächlich von uns Zweien nebenberuflich gemacht. Was uns sehr gefreut hat, ist das tolle Team aus Praktikanten und freiwilligen Helfern, das sich rechtzeitig zum Festival formiert und eine hervorragende Arbeit geleistet hat! Von weiten Teilen der Comicszene hingegen kam vor und während des Festivals, außer klugen Ratschlägen, sehr wenig konstruktive Unterstützung. Es wäre schön, wenn mehr Leute gemeinsam ihre Interessen zum Wohle einer in Summe tollen Comicveranstaltung bündeln würden.
Das müsste doch bei einer entsprechenden rechtzeitigen Vorausplanung und Kommunikation das nächste Mal möglich sein. Aber jetzt ist das Festival 2013 vorbei. Eine Frage noch: Wann geht’s in den wohlverdienten Urlaub?
In einem Jahr mit Comicfestival bleibt kaum Raum für Erholungsurlaub. Zur Durchführung und Nachbereitung des Festivals – wir mussten bis zum Samstag nach dem Festival harte körperliche Aufräumarbeiten leisten – musste ich bereits drei Wochen seines Jahresurlaubes nehmen.
Aber wir werden die nächste Zeit weitere Festivals besuchen. Heiner fährt im Juli nach San Diego, um unsere Pläne für 2015 langsam auf die Strecke zu bringen und gemeinsam fahren wir in der ersten Augustwoche nach A Coruna, um unser Partnerfestival und unseren Freund Miguelanxo Prado zu besuchen.
Da manche Künstler FedEx nicht vertrauen, werde ich noch eine Weile damit beschäftigt sein, einige Originale persönlich zurück zu geben. Das Festival ist zwar vorbei, aber noch nicht komplett abgewickelt. Es stehen noch zahlreiche Rechnungen an.
Aber egal: Nach dem Festival ist vor dem nächsten Festival.
In diesem Sinne: Frohes Schaffen und auf ein Neues im Jahre 2015!
Die Fragen stellte Matthias Hofmann
Weiterführende Links:
Alle bisherigen Festivalinformationen auf CRON: Comicfestival München 2013
Homepage des Festivals: Comicfestival München