Der Ludwigsburger Verlag Cross Cult bietet auch im ersten Halbjahr 2014 ein abwechslungsreiches Programm. Unter anderem startet die von verschiedenen Verlagen umworbene Serie Gung Ho von Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg, von der es auch ein Gratis-Comic-Tag-Heft geben wird. CRON sprach mit Andreas Mergenthaler und Filipe Tavares über die neusten Entwicklungen und Titel bei Cross Cult.
Cross Cult: Neuheiten Frühjahr 2014
Interview mit Andreas Mergenthaler & Filipe Tavares
Pippo, letztes Jahr war Dein Chef in San Diego auf der ComicCon, wie man hört reist Du in wenigen Tagen zum Comicfestival in Angoulême? Wie kommt’s? Will Cross Cult in Zukunft mehr frankobelgische Lizenzen einkaufen?
[Pippo]: Cross Cult war einige Jahre nicht mehr in Angoulême. Gerade aber in den letzten Monaten und mit Blick auf Projekte weit über 2014 hinaus haben sich einige Kontakte und Ideen angesammelt, die es gerade jetzt sinnvoll machen, wieder hinzufahren. Dabei geht es, ohne zuviel verraten zu können, nicht nur um Lizenzeinkäufe, sondern auch darum, mit einer Handvoll interessierter Verlage über Steam Noir zu verhandeln und für angedachte Comicserien Partner zu gewinnen. Natürlich gibt es aber auch die einen oder anderen europäischen, besonders frankobelgischen Comicklassiker, die als Gesamtausgabe in der Tradition der hochgelobten Roland, Ritter Ungestüm-Edition interessant sind: In der Überlegung sind etwa schon seit Längerem eine Intégrale-Edition von Andreas' Rork, von Die Schiffbrüchigen der Zeit, von Simon, Zeuge der Zukunft oder von Deribs Buddy Longway. Das sind aber alles Projekte, die aufgrund der aktuellen Programmfülle und -dichte und anderer Hindernisse nicht vor 2015 passieren können.
Holla. Das hört sich ja interessant an, vor allem, weil man das in der frankobelgischen Breite nicht unbedingt erwartet. Und wer fliegt im Sommer nach San Diego?
[Andreas]: Dieses Jahr: Niemand von Cross Cult. Als regelmäßige Einrichtung ist das etwas zu kostspielig und zudem enorm anstrengend, wenn man wirklich nur wegen zwei bis drei Messetagen 20 Stunden Anreise in Kauf nimmt. Das Schöne dort ist, dass man natürlich so gut wie alle Autoren und Zeichner der US-Comicszene auf einem Fleck versammelt hat, dass man neue Kontakte knüpfen und Künstlern, die wir schon von Signiertouren in Deutschland her kennen, endlich mal wieder persönlich »Hallo« sagen kann. So hat mich letztes Jahr Tim Seeley in der langen Schlange am Einlass zur The Walking Dead Jubiläums-Party angestupst und mir nochmal Revival ans Herz gelegt. Es hätten mehrere deutsche Verlage Interesse daran angemeldet, er wolle aber auf uns warten. Also haben wir Revival dann ja auch gleich auf den Weg gebracht.
Neben den persönlichen Kontakten steht in San Diego aber auch im Vordergrund, dass man aktuelle Trends, neue angesagte Comics, TV-Serien, Games und Filme präsentiert bekommt. Alles Themen, die wichtig für Cross Cult sind. Unter anderem haben wir vor vielen Jahren aus San Diego die ersten zwei oder drei Trades von The Walking Dead mitgebracht. Was sich ja mittlerweile als absoluter Glücksfall herausgestellt hat. Andererseits finden die wirklich wichtigen Gespräche mit Lizenzgebern dann aber eher im Rahmen der Frankfurter Buchmesse statt, also sparen wir uns dieses Jahr den teuren Trip ins kalifornische Comicparadies.
Aber lasst uns über das kommende Programm sprechen. Mit Gung Ho habt Ihr meiner bescheidenen Meinung nach einen absoluten Knaller an Land gezogen. Ich hatte die Serie so richtig in Angoulême vor einem Jahr wahrgenommen, woraus ein Artikel in ALFONZ Nr. 2/13 resultierte. Wie seid Ihr darauf aufmerksam geworden?
[Andreas]: Seit Chronik der Unsterblichen bin ich ein großer Fan von Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg. Nicht nur der enorme Aufwand und die neuen Wege bei der Gestaltung der Chroniken-Seiten, haben mich beeindruckt, sondern auch die künstlerische Qualität. Damit haben die beiden 99% ihrer Kollegen aus Frankreich und Belgien locker deklassiert. Beide haben damals netterweise Pin-Ups zu unserer Hellboy-Reihe beigesteuert, aber einen tiefergehenden Kontakt gab es nicht. Der kam erst vor ziemlich genau einem Jahr zustande, als im Internet erste Illustrationen zu Gung Ho aufgetaucht sind.
Thomas von Kummant & Benjamin von Eckartsberg, Foto © Cross Cult
Ich weiß nicht genau, wie ich darauf gestoßen bin, vielleicht über einen Like-Hinweis auf Facebook. Jedenfalls habe ich einfach eine E-Mail an Thomas geschrieben, meine Begeisterung über die ersten Skizzen ausgedrückt und gefragt, ob sie schon einen deutschen Verlag dafür haben. Thomas und Benjamin haben gleich nett zurückgeschrieben und Infos über die Story mitgeteilt, die ja damals im Netz noch nicht so richtig ersichtlich war. Wir waren die ersten, die angefragt haben und während der nächsten Monate waren wir sehr hartnäckig und haben immer mal wieder Ideen und Vorschläge für eine deutsche Veröffentlichung und Vermarktung geschickt. Das und unsere »kurzen Dienstwege« im Verlag fanden die beiden dann sympathisch. Also haben sie uns den Zuschlag gegeben, trotz zahlreicher Angebote auch von größeren Verlagen. Wir sind natürlich mehr als glücklich über das Vertrauen, das die beiden uns entgegenbringen und deshalb hängen wir uns auch voll rein.
Irgendwie ist das Timing auch gerade jetzt perfekt, da die schöne und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Felix und Verena an Steam Noir: Das Kuperherz sich dem Ende neigt. Gung Ho ist ein würdiger »Nachfolger« als deutsche Produktion bei Cross Cult und sie passt thematisch auch ein wenig zu unserer »Blockbusterserie« The Walking Dead. Wobei Gung Ho aber keine Zombieserie ist, sondern eher eine »Coming-of-Age-Abenteuer-Geschichte« in einer Endzeitumgebung. Die ständige Bedrohung von außen ist aber ähnlich präsent wie bei The Walking Dead.
Wir möchten jetzt übrigens nicht auf einmal jede Menge deutsche Serien ins Programm nehmen, nur weil Felix Mertikat und Benjamin Schreuder gleich zwei Sondermann-Preise in Frankfurt entgegennehmen durften. Wir wissen schon, dass das eine besondere Ausnahmeerscheinung war, denn richtig gute, unterhaltsame, realistisch gezeichnete Comics von deutschen Künstlern findet man nur sehr, sehr selten. Auch deshalb kommt Gung Ho gerade recht. Es war und ist uns eine große Ehre und es macht großen Spaß mit Felix, Verena und Benjamin Schreuder zusammenzuarbeiten und ebenso schön lässt sich nach einem ersten Treffen in München vor ein paar Monaten auch die Zusammenarbeit mit Benjamin und Thomas an.
Der Deal läuft aber nicht über die beiden deutschen Autoren, sondern über den Genfer Verlag Éditions Paquet. Richtig?
[Andreas]: Das stimmt, der Vertrag wurde mit Paquet geschlossen, wie Cross Cult ein eher kleiner Verlag mit überschaubarer Hierarchie. Weshalb Thomas und Benjamin bei der Vergabe der Lizenz für die deutschsprachige Ausgabe auch ein gewichtiges Wort mitreden durften. Bei einem der französischen oder belgischen Großverlage wäre das wohl nicht so ohne weiteres möglich gewesen. Paquet hat auch schon die französischsprachige Ausgabe der Chroniken veröffentlicht.
Die Comicserie ist also eine schweizer Produktion und damit quasi ein »Re-Import«. Was für uns auch den Vorteil hat, dass die Serie durch die Erstveröffentlichung im großen französischsprachigen Markt finanziell gesichert ist und somit in rascher Folge erscheinen kann. Die beiden Künstler müssen sich also nicht nebenbei mit Illustrations- oder Autoren-Jobs ihren Lebensunterhalt verdienen. Was aber wegen des extrem aufwändigen Artworks immer noch rund eineinhalb Jahre bedeutet, bis ein 80seitiger Band fertig ist. Aber diese Wartezeit lohnt sich! Ein weiterer Vorteil: Die Bände liegen dann fix und fertig auf Deutsch vor – für die Erstveröffentlichung werden sie ins Französische übersetzt – wir können uns also komplett auf die Vermarktung konzentrieren.
Welches Format ist geplant und wird es Bonusmaterial geben?
[Andreas]: Wegen der prachtvollen und detailreichen Zeichnungen werden wir die Serie in einem übergroßen Albenformat auflegen, ähnlich dem der Originalausgabe. Dazu gibt es eine limitierte Vorzugsausgabe mit zahlreichen Extraseiten, die wir aber nicht wie Paquet im unhandlichen Riesenformat veröffentlichen, sondern im selben Format wie die Normalausgabe. Ist ja groß genug. Zudem hat Paquet wohl das sehr große Format nur gewählt um die zweigeteilte und vor der Normalausgabe erschienene Vorzugsausgabe möglichst teuer anbieten zu können. Diese Vorab-Luxusausgabe war vor allem dazu da, um die Produktion des ersten Bandes zu finanzieren. Unsere Vorzugsausgabe mit eingelegter Landkarte ist hingegen dazu da, um all jenen Fans, die mehr haben möchten, mehr zu bieten – ohne diese jetzt extrem teuer anbieten zu müssen.
Übrigens stehen die Titel aller 5 Bände schon fest: »Schwarze Schafe«, »Ohne Rücksicht auf Verluste«, »Sexy Beast«, »Zorn« und »Die weiße Flut«.
Interessant für Sci-Fi-Fans dürfte die italienische Serie Orfani sein, die bei Euch Waisen heißen wird. Was gibt es dazu zu sagen?
[Andreas]: Auch da sind wir zuerst online aufmerksam geworden – auf das sehr, coole, dynamische Sci-Fi-Artwork. Wir konnten erst gar nicht glauben, dass dies eine neue italienische Produktion sein soll, zudem noch vom altehrwürdigen Traditionsverlag Bonelli, der ja bislang nur für schwarzweiße, kleinformatige Softcoverbände bekannt war, die in Italien zwar sehr populär sind und die dort in vergleichsweise riesigen Auflagen über den Ladentisch gehen, die bei uns aber nie so richtig Fuß fassen konnten. Orfani sah da schon ganz anders aus, mit einem farbigen Artwork, irgendwo zwischen US-Comics und frankobelgischem BD, so dass die Serie durchaus auch Hierzulande viele Leser begeistern könnte.
Bonelli hat über eine Million Euro in Produktion und Marketing der Serie investiert, was man auch sehen kann. Auch wenn die Story optisch viele Anleihen an Halo, Starship Troopers & Co. macht, so ist die Story doch auch eigenständig genug und sehr lesefreundlich konzipiert, so dass wir kurzerhand die komplette erste »Staffel« lizensiert haben. In Italien sitzt ja ein großes Kreativteam an der Serie, so dass jeden Monat ein knapp 90seitiger Softcoverband erscheinen kann. Wir sammeln jeweils immer zwei Originalbände und veröffentlichen alle zwei Monate einen 200 Seiten starken Hardcoverband, so dass wir Schritt halten können. In Italien erscheint übrigens eine Edelausgabe, auch in Hardcover, beim Bao-Verlag. Mit diesen Kollegen haben wir eine Vereinbarung getroffen, so dass wir deren Extraseiten übernehmen können.
Wie zu Gung Ho wird es auch zu Waisen eine Leseprobe im Rahmen des Gratis-Comic-Tag geben.
Was hat euch bewogen, Nowhere Men ins Programm zunehmen?
[Andreas]: Nowhere Men ist eine sehr innovative neue Serie aus dem Hause Image Comics. Beziehungsweise vom Chefschreibtisch, denn der Autor der Serie ist niemand geringerer als der Publisher von Image Eric Stephenson. Auch bei dieser Serie hat uns einfach das Paket überzeugt: Stephensons Geschichte über eine Zeit, in der eine Gruppe von Wissenschaftlern die neuen, großen Helden sind, über aus dem Ruder laufende Experimente, über Größenwahn und Freundschaft, über die Frage »Wer bezahlt für die Kosten des Fortschritts?«, und vieles mehr, ist einfach neu und erfrischend. Das fantastische Artwork stammt von Nate Bellegarde und der sehr talentierten Koloristin Jordie Bellaire. Und besonderes Augenmerk wird auch auf Gestaltung der Zwischenseiten, Zeitungsartikel etc. gelegt, die aufwändig von Fonografiks gestaltet wurden. Das alles erinnert an Watchmen oder an die Lebensgeschichten gehypter Rock 'n Roll-Bands, die sich auf dem Gipfel ihres Ruhms zerstreiten – ist aber trotzdem sehr eigenständig und überrascht immer wieder aufs Neue. Man sollte sich als Leser aber unbedingt genug Zeit nehmen und sich darauf einlassen. Locker flockiges Lesefutter für Zwischendurch ist die Serie sicher nicht. Wenn man sich darauf einlässt, wird man aber belohnt.
Was ist bei Cross Cult zum Comic-Salon in Erlangen geplant?
[Pippo]: Der diesjährige Comicsalon bringt für Cross Cult etwas Einmaliges mit sich: Zum einen wird das vorläufige Ende einer der erfolgreichsten und beliebtesten Comicreihen bei Cross Cult gefeiert, zum anderen gleichzeitig der Auftakt einer neuen Comicreihe, mit einer Ausstellung, Panels, Gesprächen und Signieraktionen präsentiert. Konkret: Sowohl Verena Klinke und Felix Mertikat mit ihrem Abschlussband Steam Noir: Das Kupferherz 4 als auch Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant mit dem ersten Band von Gung Ho werden mit zahlreichen Aktionen im Messezentrum und an weiteren Locations in der ganzen Stadt vor Ort sein.
Mit anderen Verlagen ist außerdem ein Spezialprogramm zu Moebius geplant, um den 2012 verstorbenen französischen Comicgiganten zu würdigen. Neben einem Kinoprogramm mit Spiel- und Dokumentarfilmen sind auch Panels mit Weggefährten angedacht, die das ganze Schaffen von Moebius aufzeigen werden.
Das ist aber nicht genug! Pünktlich zu Erlangen ist auch eine ganze Welle an frischen Comicschwergewichten geplant - und das ist ganz wortwörtlich gemeint: Der dritte Hellboy Universum-Band mit ca. 550 Seiten und der zweite 30 Days of Night-Band mit ca. 450 Seiten werden für ordentlich Lesevergnügen sorgen - beide Bände mit bisher in Deutschland unveröffentlichten Geschichten. Also, unbedingt mit einem Trolley nur für Comics anreisen.
Die Fragen stellte Matthias Hofmann
Fotos © Andreas Mergenthaler, Abbildungen © Cross Cult
Cross Cult Neuheiten 1. Halbjahr 2014
Februar 2014
- Mouse Guard Band 3: Die schwarze Axt
- Als die Zombies die Welt ... Band 2
- 300 – The Art of the Film Band 2: Rise of an Empire
März 2014
- Hack/Slash Band 10: Folterverliebt
April 2014
- The Goon Band 9: Die Verdammten
- Nowhere Men Band 1: Schlimmer als der Tod
- The Walking Dead Band 20: Kriegszustand - Teil 1
- Avatar: Der Herr der Elemente – Premium Band 1:Das Versprechen
Mai 2014
- Star Trek Comic Band 10: Die neue Zeit 5
- Star Trek Comic: Khan
- Avatar: Der Herr der Elemente Band 8: Der Graben 1
- Waisen 1
Juni 2014
- Gung Ho Band 1: Schwarze Schafe
- Saga Band 3
- Revival Band 2: Lebe dein Leben
- Zeit des Bösen Band 2: 110 Katanas
- Steam Noir Band 4: Das Kupferherz 4
- 30 Days of Night Band 2: Jenseits von Barrow
Juli 2014
- Chew - Bulle mit Biss Band 8: Familienrezept
Weiterführender Link:
Homepage des Verlags: Cross Cult