2014 gilt als das »Karlsjahr«, denn im Jahr 814, vor 1200 Jahren, starb Karl der Große in Aachen. Im Frühjahr 2014 erschien im Verlag Wesentlich eine Graphic Novel, die das Leben von »Charlemagne«, dem berühmten König und Kaiser, auf anschauliche Weise darstellt.
Die ganze Wahrheit
Historisches und Unterhaltsames über Karl den Großen
So ein bisschen von allem, auf jeden Fall nicht klar einem Medium zuzuordnen, ist das Buch Karl der Große – Die ganze Wahrheit der Deutschen Saskia Petermann und der Belgierin Fabienne Loodts, die sich beide während des gemeinsamen Kommunikationsdesign-Studiums an der Hochschule La Cambre in Brüssel kennengelernt haben. Loodts, die seit 2004 als freie Illustratorin und Autorin arbeitet, steuerte die Illustrationen und Comics bei, während Petermann, die als freie Grafikerin und Konzepterin ihre Brötchen verdient, vor allem für den Inhalt und das Design zuständig war.
Das Buch besteht aus Comics (oder Neudeutsch: Graphic-Novel-Sequenzen), Illustrationen, Infografiken, Zitaten und Informationen, und versucht ein Mittelding zwischen Wikipedia-Eintrag und umfangreicher Dissertation zur Person Karls des Großen zu sein. »Die ganze Wahrheit« wird versprochen, und es gelingt zumindest der Versuch, dem durch unzählige Bücher und Abhandlungen leidlich ausgewalzten Thema, durch einen frischen Blickwinkel neue Facetten abzugewinnen. Das Ergebnis, ein rund 150 Seiten starkes edel aufgemachtes Buch, ist überraschend unterhaltsam und vermittelt einen guten Einblick in die Zeit des Frühmittelalters.
CRON sprach mit Saskia Petermann, einer der beiden Autorinnen, über das ambitionierte Projekt.
CRON fragt. Saskia Petermann antwortet.
Interview mit der Autorin.
Saskia Petermann |
Wie kommt man darauf, ein Buch über Karl den Großen zu machen, über den vermeintlich schon alles gesagt und geschrieben wurde?
Wir sind beide keine großen Geschichtsfanatiker. Deswegen scheint es vielleicht auf den ersten Blick umso abwegiger. Aber mit unserem Designbüro »wesentlich«, das in Aachen und damit in Karls Lieblingspfalz ansässig ist, haben wir schon vor einigen Jahren quasi gezwungener Maßen angefangen, uns mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei ist uns aufgefallen, dass es für uns keine befriedigende Literatur zu Karl gab.
Wir fanden es eine interessante Aufgabe, zwischen dem 500-seitigen Schmöker, für den man eh keine Zeit hat und dem viel zu oberflächlichen Bilderbuch für Kinder noch etwas anderes zu bieten. Etwas, was auch Erwachsene lesen können. Außerdem wollten wir mit unterschiedlichen Erzählweisen experimentieren und das Puzzle, das Karl aus unserer Sicht ist, auch so darstellen.
Wie kam es zu der Idee, das Ganze als Mischung aus Text, Illustration und Comicpassagen zu machen?
Bei solchen Figuren wie Karl dem Großen sind die verlässlichen Quellen ja ziemlich mager.
Fabienne Loodts |
Das Bild, das im Laufe der Recherche entstand, blieb also ein fragmentiertes: Die verschiedenen Theorien, teilweise widersprüchlichen Aussagen, charmanten Anekdoten und faszinierenden Geschichten bilden Spannungsfelder. Damit wollten wir spielen und es auch genau so wiedergeben
Zum einen weiß man nichts genaues, zum anderen ist das, was man erfährt unheimlich spannend und hilft, den Kontext, in dem Karl lebte, besser zu erfühlen und zu verstehen. Daher haben wir diese fragmentierte Erzählweise gewählt. Außerdem wollten wir uns beide – als Grafik-Designerin und als Illustratorin gleichermaßen einbringen – einige aus unserer Sicht wichtige Aspekte so einfach, kreativ und ästhetisch wie möglich auf den Punkt bringen und dem Leser so einen angenehmen Überblick zum Thema geben und ihn einladen sich mit einigen der Aspekte im Anschluss vielleicht tiefer zu beschäftigen. Das sich das Buch dadurch nicht genau einordnen lässt, war uns erst mal egal.
Welchen Bezug hast Du zu Comics?
Ich bin, wie Fabienne, in Belgien aufgewachsen, wenn auch im deutschsprachigen Teil. Da sind Comics eine Art Hauptnahrungsmittel für Kinder. Zugeschüttet mit Tintin, Spirou, Marsupilami und endlich – danke – Corto Maltèse, waren wir beide dann parallel ganz happy als der Begriff der Graphic Novel aufkam und damit auch eine ganz andere Ästhetik in unser Blickfeld kam, mit der wir uns besser identifizieren konnten. Eine Ästhetik, die grafisch unkonventioneller war oder in der – wie zum Beispiel bei Mattotti – jedes Bild ein Gemälde sein durfte. Auch die Japaner und später natürlich Marjane Satrapi haben uns beide damals sehr beeindruckt.
Was war die größte Herausforderung bei der Entstehung eures Gesamtkunstwerks?
Zum einen stand bis kurz vor Ende die Frage im Raum, wie wir die Produktion finanziell stemmen würden. Wir haben mit den Einnahmen des Designbüros Fabiennes Illustrationsarbeit finanziert und hatten dann Glück, dass die Museumspädagogik des Centre Charlemagne in Aachen sich für das fertige Projekt begeistern ließ und eine Teilauflage bestellt hat.
Gerade arbeiten wir an pädagogischem Begleitmaterial für Schulen. Comics werden in Deutschland ja noch viel zu wenig im Unterricht genutzt. In Belgien und Frankreich wird die französischsprachige Auflage viel selbstverständlicher aufgenommen, was ganz interessant ist im direkten Vergleich.
Zum anderen war es über das ganze Jahr der Entstehung hinweg eine riesige Herausforderung, die aufwendige Radierungstechnik des Monotype und die ebenso zeitaufwendige inhaltliche Aufbereitung des komplexen Themas neben unseren normalen Jobs unter einen Hut zu bringen. Dafür sind jede Menge Wochenenden und Nächte draufgegangen. Dass wir es dennoch geschafft haben, macht uns natürlich Mut für das nächste Projekt.
Welche Comics haben dich beeindruckt?
Für mich persönlich war die Begegnung mit Lorenzo Mattotti besonders prägend. Er ist ein toller Lehrer und sehr netter, motivierender Mensch und wir hatten das Glück an unserer Hochschule in Brüssel einen Workshop mit ihm zu haben.
Ich habe so viele Comics gelesen, dass ich heute gar nicht mehr sagen kann, welche für mich »die« Comics waren. Blaue Pillen habe ich sehr geliebt, auch Silence, der Stumme, lange davor habe ich natürlich auch Death und Sandman gelesen.
Heute freue ich mich besonders über jede neue Arbeit von Manuele Fior und entschuldige mich hiermit schon mal offiziell bei allen, die ich sonst noch liebe und hier nicht erwähnt habe!
Welches Projekt ist nächstes geplant? Wieder etwas »Comicartiges«?
Fabienne arbeitet grade an zwei unterschiedlichen Comics. Einer davon ist aber sehr persönlich und ich darf noch nichts sagen.
Ich brüte grade eine neue Idee für uns beide zusammen aus. Es würde das krasse Gegenteil werden. Sehr bunt und sehr aktuell. Ein globales Thema, das mich sehr bewegt. Außerdem würden wir bei der Recherche ein bisschen rumkommen. In Länder, die man ohne Grund sonst nicht unbedingt bereisen würde. Ich würde mich freuen, wenn Fabienne mitmacht, weiß aber noch nicht, ob ich sie begeistern kann und wie wir das finanzieren werden.
Na, dann drücke ich mal die Daumen, dass das klappt. Vielen Dank für die Antworten.
Die Fragen stellte Matthias Hofmann
Abbildungen © Fabienne Loodts & Saskia Petermann
Die nackten Fakten:
Karl der Große, Die ganze Wahrheit
Fabienne Loodts, Saskia Petermann
mit einem Nachwort von Martin Schulz, Präsident des europäischen Parlaments
148 Seiten, illustriert, Leineneinband mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-9814449-3-3, € 24,90
Weiterführender Link:
Homepage des Verlags: Wesentlich