Am 26. Mai startet der 17. Internationale Comic-Salon in Erlangen, die wichtigste Veranstaltung für Comicfans und Comicschaffende im deutschsprachigen Raum. Vier Tage lang präsentieren Verlage und Künstler ihr Werk, darunter auch Schwarwel, der Leipziger Alleskönner, der nicht nur als Comiczeichner aktiv ist, sondern vor allem auch als Karikaturist, Regisseur und Illustrator. Mit im Gepäck hat Schwarwel u.a. seine neue nachdenklich stimmende Sammlung Das Maximum der Menschlichkeit. (Halle E, Stand 99, Glücklicher Montag).
CRON fragt. Schwarwel antwortet.
Der Künstler im Interview
Schwarwel, kürzlich ist Das Maximum der Menschlichkeit erschienen, Deine neue Sammlung mit Karikaturen und Cartoons. Ich hatte Dich bislang als Humorist im Stile Deines Schweinevogels einsortiert, eine Comicfigur, die ohnehin schwer zu definieren ist, und natürlich als Comiczeichner.
Deine Cartoons sind hochpolitisch und Du beziehst eindeutig Stellung. Welche Entwicklung in Deutschland hat Dich im vergangenen Jahr und 2016 am besten beschäftigt?
PEGIDA und die Wutbürger, die AfD und ihre Wähler, die sogenannte »Flüchtlingskrise« und Erdogans Ansichten zur Meinungsfreiheit sind neben den geplanten Freihandelsabkommen TTIP/CETA schon die Themen, die mich als Karikaturisten am meisten beschäftigt haben und beschäftigen. Und nicht nur als Karikaturist, denn diese ganzen Themen sind ja tagtäglich um mich herum und wühlen die Gesellschaft bis ins Familienleben auf.
Seit 2010 bin ich als Karikaturist tätig und viele Themen kommen und gehen, tauchen plötzlich mal wieder auf … doch die oben genannten haben immer mehr Raum eingenommen in den letzten zwölf Monaten.
Sehr, sehr besorgniserregend. Als Karikaturist kann ich da zielorientiert handeln und mit ein paar Strichen und etwas Computerfarbe die Situationen und was daraus erwachsen kann, schnell aufs Papier und unter die Leute bringen.
Deine kreative Ader scheint in mehreren Bahnen zu verlaufen. Du bist Grafiker, Comiczeichner, Illustrator, aber auch Regisseur von Zeichentrickfilmen. Außerdem kannst Du Deinen Zeichenstil wechseln, wenn man Deine Cartoons mit Deinen Comics und Illustrationen vergleicht. Das geht sogar so weit, dass Deine Signatur variiert, mal als Wort mit auslaufendem »L«, mal als Quadrat mit drei Mal drei Buchstaben übereinander.
Wie viele Seelen wohnen ach in Deiner Brust? [schmunzelt]
Eine Seele, nur eine einzige, kleine, zerbrechliche Seele. [zwinkert]
Um einen oder gar »meinen« Stil habe ich mich noch nie so richtig geschert, weil ich auch gar nicht so richtig weiß, was so ein »Stil« bedeuten soll.
Also, ich meine das auch im Sinne eines sofortigen Wiedererkennungswerts, à la »Das ist eindeutig ein Haitzinger!« …
Ich schaue immer, was in meinen Augen am besten zur jeweiligen anstehenden Arbeit passen würde – ob funny, cartoony, semi-realistic oder realistic, Schwarzweiß, Farbe oder Graustufen … – und dann versuche ich, die jeweiligen Ideen so umzusetzen, dass der Inhalt, die Grundaussage bestmöglich transportiert wird.
Und die Variationen meiner Signatur kommen auch nur daher, dass es gerade bei den Karikaturen meist besser ist, wenn die Signatur »im Motiv verschwindet« und nur als Deko wahrgenommen wird statt sich präsent vor den Inhalt und die Aussage zu schieben – daher der 3x3-Buchstabenkasten.
Du veranstaltest auch Workshops oder Events wie Live-Zeichnen und Mitmach-Malaktionen. Wie kann man sich das vorstellen?
Die Workshops veranstalten wir – also unser Studio Glücklicher Montag und ich als ausführendes Organ – meistenteils mit Schulen, Bildungseinrichtungen, Lernstuben oder Bibliotheken und mit Schülern bzw. Schulklassen zwischen der 5. und 12. Klasse. Wir bieten Comic- und Trickfilm-Workshops an, wobei es fürs Trickfilmen besser ist, wenn wir mindestens zwei Projekttage zur Verfügung haben, um dann auch entsprechend gelungene kleine Stop-Motion-Filme fertig zu bekommen.
Die Themen, zu denen die Schüler ihre Arbeiten anfertigen, besprechen wir vorab mit den jeweiligen Lehrkräften, Betreuern und Pädagogen ebenso wie die Zielsetzungen. Wichtig ist uns dabei immer, dass die Schüler Geschichten von sich selbst und ihrer jeweiligen Lebenswelt erzählen, denn da kennen sie sich am besten aus und dazu haben sie einen persönlichen Bezug. Da können sie sich voll reinhängen.
Daneben geht es uns und mir bei den Workshops vor allem um eine Stärkung der sozialen Kompetenzen der Teilnehmer, die ja letztlich ihre Arbeiten alle selbst zeichnen, Texten und/oder animieren, filmen und vertonen. Dazu brauchen sie Fähigkeiten, sich sowohl alleine etwas auszudenken, als es dann auch im Team umzusetzen, mit Kritik oder anderen Meinungen im Team umzugehen, Krisen zu überwinden usw. Als Workshopleiter ist es also meine Aufgabe, die Teilnehmer durch den Kurs zu bringen und damit ihr Ziel zu erreichen, sie zu motivieren und ihnen dabei zu helfen, Hindernisse zu überwinden, die sich beim Erstellen eines Comics oder eines Trickfilms ergeben.
Das Live-Zeichnen und die Mal-Aktionen hängen immer von den Anfragen ab – von der Schweinevogel-Schnitzeljagd, die wir seit fünf Jahren jeweils zwei bis drei Tage für insgesamt 1.500 Teilnehmer im Leipziger Zoo organisieren, über die Begleitung bei Supervisionsworkshops von Firmenchefetagen bis zum klassischen Portraitzeichnen auf der Hochzeitsfeier habe ich alles schon mal gemacht. Am meisten Spaß machen mir dabei die Malwand-Aktionen bei Familientagen, wo man die ganze Familie dazu verführen kann, gemeinsam an einem großen Bild zu arbeiten.
Menschenskind, das hört sich zeitintensiv an. Da bleibt wenig Zeit für reine Comics. Von Deiner Graphic-Novel-Serie Seelenfresser sind bislang zwei Bände erschienen. Buch 3 lässt schon seit einiger Zeit auf sich warten. Wie ist hier der Stand und wann wird es erscheinen?
Aua.
Ja, aufgrund unserer vielen anderen Projekten und Aktivitäten muss Seelenfresser – genau wie Schweinevogel – leider immer hinten anstehen, was mich selbst enorm stresst und nervt, weil die Seelenfresser-Story natürlich trotzdem immer in mir bohrt und weitererzählt werden will. Gerade bei den jüngsten, wirklich kniffeligen Projekten wie unserem Leipzig-von-oben-Trickfilm hatte ich weder die Zeit noch den Nerv, parallel weiter an Seelenfresser zu arbeiten, da wir auch viel Tagesgeschäft wie seit über einem Jahr meine tägliche Karikatur für das Handelsblatt zu wuppen haben, wodurch schon die Hälfte meines Tages in Anspruch genommen ist …
Nachdem ich die ersten 33 Seiten des Dritten Buches »Hoffnung« von Seelenfresser fertig hatte, habe ich mich erstmals hingesetzt und mein komplettes Drehbuch auf die Einzelseiten heruntergebrochen, weil ich erst mal herausfinden musste, wie viele Seiten die ganze Geschichte eigentlich am Ende haben wird. So wurden aus den geplanten 66 Innenteilseiten für das dritte Buch eben plötzlich 96 Seiten und für das vierte Buch sind es 84 statt der grob geschätzten 66 Seiten.
Das einzige, das zur Fertigstellung von Seelenfresser fehlt, ist tatsächlich ganz normale, konzentrierte Lebenszeit. Unser momentaner Glücklicher-Montag-Heile-Welt-Plan dazu sagt, Ende diesen Jahres publizieren wir Buch Drei und 2017 publizieren wir Buch Vier: »Barmherzigkeit«.
Du bist auch auf dem Comic-Salon in Erlangen anzutreffen. Gibt es speziell dafür eine Neuheit? Was hat Dein Hausverlag Glücklicher Montag geplant?
Speziell fertig geworden ist unser Kinoprogramm »Total Eclipse of the Heart«, ein 90-minütiges, abendfüllendes Breitwanderlebnis, für das wir sechs unserer Trickfilme nochmal neu als DCP in Kinoqualität gemastert und zusammengeführt haben. Letzte Woche war dazu im heimatlichen Leipzig die »Generalprobe« und das Programm funktioniert – man muss es einfach so sagen – einfach grandios. Gerade die älteren Filme habe ich lange nicht mehr gesehen und auf so einer großen Leinwand und mit gutem Sound ist das schon noch mal was anderes als in PAL auf DVD mit Miniboxen …
Unser neuer Trickfilm Leipzig von oben ist da natürlich auch dabei. Mit dem beginnen wir gerade die Auswertung für Filmfestivals, weshalb es mit dem Comic-Salon die Idee gab, einfach einen Erlangener Kinoabend zur Prime Time zu veranstalten. Bitte sehr, am Samstag ist‘s soweit.
Daneben ist Das Maximum der Menschlichkeit für die meisten Salon-Besucher auch neu – passend dazu nehme ich am Salon-Freitag an einer Podiumsdiskussion zum Thema »Was darf Satire?« teil, worauf ich mich schon sehr freue, weil so was immer wieder verspricht, sehr … äh – lebhaft zu werden – Erdogan, PEGIDA und der AfD als Verweigerern sei Dank!
Als aktuelle Neuerscheinung war eigentlich mein 6-seitiger Comicbeitrag für das neue Comic-Culture-Clash-Magazin von Moga Mobo und Epidermophytie geplant. Leider scheint das Buch selbst aber erst nach Erlangen zu erscheinen. Aber einen Preview wird es wohl geben, wie man munkeln hört …
Die Fragen stellte Matthias Hofmann
Abbildungen & Foto © 2016 Glücklicher Montag/Schwarwel
Weiterführender Link:
Homepage: Schwarwel.de