Jörg Buttgereit wurde mit Horrorfilmen wie Nekromantik bekannt – bei der Bundesprüfstelle auch berüchtigt. Anfang der 1990er Jahre zog er sich vom Filmgeschäft zurück, war aber als Theater-Regisseur erfolgreich. Mit einer Geschichte des Episodenfilms German Angst hat er sich nun zurückgemeldet, hauptsächlich will er aber auch künftig dem Theater und den Comics treu bleiben. Peter Osteried sprach für CRON mit dem Schöpfer von Captain Berlin.
CRON fragt. Jörg Buttgereit antwortet.
Der Autor im Interview.
Ein Captain-Berlin-Film wäre ja denkbar. Nach Kurzfilmen, Hörspiel, Theater und Comic wäre das der logische Schritt, nicht?
Da würde ich mich jetzt halt fragen, wo der Witz wäre. Die Amerikaner können so gute Superheldenfilme machen, da können wir nicht gegen anstinken. Da müsste man vielleicht eine Parodie machen, und die hab ich eigentlich auch schon für die Theaterbühne mit Captain Berlin versus Hitler gemacht, von dem es auch eine DVD gibt. Was mich reizt ist, wie man einen Superhelden auf die Bühne bringen kann. Da ist die Fallhöhe viel größer. Im Film kann man das alles mit Computereffekten überzeugend machen, aber wo ist da der Reiz? Wo ist die Herausforderung?
Captain Berlin als geradliniger Superheldenfilm – da müsste mir schon noch was anderes einfallen, um das zu machen, weil es einfach zu offensichtlich ist. Ich hab 1982 den ersten Super-8-Film gemacht, dann 1984 noch mal einen Kurzfilm, dann ein Hörspiel für den WDR, dann das Theaterstück und dann die DVD davon. Und nun sind die Comics relativ erfolgreich. Captain Berlin in den Comics aufleben zu lassen, fühlt sich total richtig an, denn das ist ja das Medium, wo er eigentlich hingehört. Die Comics weiterzumachen, fühlt sich richtig an, weil die Ideen, die ich dazu habe, unbegrenzt umgesetzt werden können. Ich schreibe es einfach auf, jemand zeichnet es, und gut ist. Ein Budget gibt es nicht, und das ist total befreiend, so arbeiten zu können.
Ich bin ja auch ein großer Comicfan und mit Superheldencomics aufgewachsen. Ich lese auch immer noch Comics. Für mich ist das ein ernstzunehmendes Medium, das ich nicht schlechter finde als Film. Darum bin ich froh, dass Captain Berlin in den Comics angekommen ist. Jetzt zum Film zurückzugehen, wäre fast ein Rückschritt.
Die letzen zwei Hefte sind schneller erschienen, was für einen Turnus wollt ihr da denn erreichen?
Das liegt halt daran, dass das ein kleiner Verlag ist, so dass es ein bisschen an der Manpower liegt. Aber wir werden schon versuchen, so zwei- bis dreimal im Jahr ein Heft zu bringen. Das nächste ist im Mai geplant. Bis Nummer 5 ist schon alles durchgeplant, das habe ich auch schon geschrieben. Aber die Zeichner brauchen halt etwas länger.
Wie kam es denn zu der Comicserie? Ich weiß, es gab dieses kleine Heftchen für die DVD im Jahr 2009.
Genau. Ein Fan von mir, Martin Trafford, ein Brite, der die Elefantenmensch- und Fukushima-Geschichte gemacht hat, hat für meine Captain-Berlin-Facebook-Seite die »Captain Berlin vs. Fukuda«-Geschichte als Onlinecomic in Englisch gemacht. Dann gab es dieses kleine Heftchen in der DVD und diese beiden Sachen habe ich Levin Kurio von Weissblech Comics gezeigt. Das ist alles fertig, es muss nur noch die Geschichte von Martin Trafford ins Deutsche übersetzt werden und man hat ein komplettes Heft fertig. Das könnte man drucken und sehen, was passiert. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn die Zeit nicht für ein Captain-Berlin-Comicheft reif wäre. Das hat er dann gemacht, weil keine weiteren Kosten entstanden.
Das ist anderthalb Jahre her, und er war überrascht, dass die erste Auflage nach zwei, drei Monaten vergriffen war. Dann haben wir nachgedruckt und begonnen, am zweiten Heft zu arbeiten. Die Resonanz ist so positiv im Rahmen dieses Independentverlags, dass wir weitermachen, dass es sich auch lohnt – klar, die Auflagen könnten höher sein, dann könnten die Zeichner besser bezahlt werden – aber wir haben auch gar nicht genug Zeit, das Heft noch öfter erscheinen zu lassen. Es soll ja auch Spaß machen und ich will inhaltlich und redaktionell so viel mitreden, dass es mir lieber ist, es erscheint seltener und dafür habe ich die Kontrolle darüber.
Man merkt, dass du dich mit Superheldencomics auch auskennst. Im zweiten Heft bricht Germanikus den Rücken von Captain Berlin – oder zumindest sieht es so aus. Wie seinerzeit bei Batman und Bane.
Wie bei »Knightfall«, ja. Das geht auch immer weiter so.
Es sind ja verschiedene Zeichner, darunter Levin Kurio selbst. Bei seinen Arbeiten gefällt mir, dass es so ein Jack-Kirby-Feeling hat.
Ja, das sind meistens Vorzeichnungen von Levin Kurio, während Rainer Engel die Tuschezeichnungen gemacht hat. Der Fufu Frauenwahl ist auch super. Der hat die Cover der letzten beiden Hefte gemacht hat. Fufu Frauenwahl ist ein Deutscher, mit dem ich häufig in Berlin zusammengesessen bin, ist jetzt nach Amerika gezogen. Und Martin Trafford, der eigentlich aus England kommt, war zwischendurch in Japan und ist jetzt in Australien gelandet.
Das heißt, das findet alles quer über den Erdball statt. Das ist natürlich merkwürdig, wenn jemand wie Martin Trafford so viel beisteuert und dann die Hefte erhält, dann kann er die gar nicht lesen. Es gab hier in einem Comicladen in Berlin auch die Anregung, es würde sich schon lohnen, eine englische Ausgabe zu machen, weil er von der deutschen schon sehr viel an Touristen verkauft. Aber auch das ist so eine Zeitfrage. Wir erzählen lieber neue Geschichten, als dass wir die alten noch mal veröffentlichen. Aber vielleicht sollten wir mal was auf Englisch machen.
Es ist natürlich schwer zu sagen, wie manche Sachen auf Englisch funktionieren. Viele der Anspielungen auf die deutsche Geschichte sind für Amerikaner vielleicht schwer zu verstehen.
Es gibt sogar lehrreiche Passagen. In Kästen werden immer wieder Fakten – etwa darüber, dass die Hitler-Wachsfigur bespuckt wird, oder die Hintergründe zum Elefantenmenschen – geboten.
Die Idee, den Elefantenmenschen im Captain-Berlin-Comic auftreten zu lassen, lag natürlich daran, dass ich Der Elefantenmensch fürs Theater Dortmund inszeniert habe. Und da ich schon so viel Wissen darüber hatte, floss das auch in die Comics ein. Ich versuche da auch, in den Vorworten ein paar Informationen zu geben. Es ist für die Leute aber sicher auch lustvoll, manche Anspielungen selbst ausfindig machen zu müssen. In der zweiten Geschichte des dritten Hefts ist die erste Seite eine Anspielung auf das Filmplakat von Re-Animator.
Die Geschichten spielen in den 1940ern und der Gegenwart. In Captain Berlins Historie gibt es einige Lücken (Kräfte, die er heute hat, früher aber nicht besaß): Weißt du schon, wie du diese Lücken auffüllen willst?
Bei manchen Stellen schon, aber nicht überall. Im vierten Heft wird Captain Berlin Fliegen lernen – in Hiroshima. Wir haben auf Anraten von Levin Kurio eine Chronologie der Ereignisse anhand der Geschichten, die es schon gibt, gemacht. Aber da ich immer nur zwei Hefte im Voraus plane, macht das die Sache für mich auch recht lustig. Wir hatten ja nicht mal geplant, dass es eine Serie sein sollte, und jetzt denken wir schon über die Nummer 5 nach.
Welche Comics liest du selbst denn gerne?
Ich bin ein Old-School-Comic-Fan. Ich lese zur Zeit viele Fantastic-Four-Comics aus den 1960er Jahren. Man merkt bei Captain Berlin auch, dass wir die Farbpalette der frühen Comics nehmen. Das sind ja hauptsächlich Primärfarben, mit denen wir arbeiten, um den Comics auch so einen naiven Touch zu geben.
Früher habe ich sehr gerne die Horrorcomics von Bernie Wrightson gelesen. Captain America mag ich auch. Wenn politische Subtexte da sind und diese mit trivialen Comic-Klischees angereichert werden, mag ich das total.
Ich lese aber auch neue. Kürzlich erst einen Horror-Comic: Rachel Rising. Da hab ich den ersten Band gelesen und fand ihn wahnsinnig toll.
Die Frage, die du wahrscheinlich immer zu hören bekommst: Gäbe es denn Ideen für Nekromantik 3?
Es gab früher schon Ideen. Martin Trafford hat sogar zwei Seiten eines Comics gemacht, der da heißt Son of Nekromantik. An der Sache werde ich mal ein bisschen arbeiten, das haben Martin Trafford und ich beschlossen, aber das wird erst mal nur in Comicform passieren. Eben aus den Gründen, auf die ich schon eingegangen bin, dass man in Deutschland einfach keine vernünftigen Bedingungen hat, um so einen Stoff realisieren zu können. Das Medium Comic ist so anarchistisch, weil man einfach machen kann, was man will, ohne dass man große Gelder benötigt. Man benötigt nur kreative Künstler, mit denen man was ausprobieren kann.
Da bin ich gespannt drauf.
Das kann natürlich noch dauern. Zwei Seiten gibt es schon. Auf meiner Facebook-Seite müssten die auch zu sehen sein.
Die Fragen stellte Peter Osteried
Foto © Jörg Buttgereit, Captain Berlin © Jörg Buttgereit, Weissblech Comics
Weiterführende Links:
Homepage des Autors: Jörg Buttgereit
Homepage des Verlags: Weissblech Comics