Marktführer im Manga-Segment des deutschsprachigen Comicmarktes ist der Hamburger Carlsen Verlag. Dessen Ankündigungen neuer Programme werden immer mit großer Spannung erwartet. Wir haben uns die Neuheiten angeschaut und mit Programmleiter Kai-Steffen Schwarz über die Highlights gesprochen.
Interview mit Kai-Steffen Schwarz,
Programmleiter Carlsen Manga
Bei Durchsicht der Neuheiten im Manga-Programm fällt auf, dass wenig neue Serien begonnen werden. Stattdessen wird das laufende Programm bedient. Ist es in diesem Segment mittlerweile auch so, dass die »guten« Serien bereits in deutscher Übersetzung vorliegen und man neue Highlights in Japan suchen muss?
Highlights muss man immer suchen! Aber im Ernst, ich habe momentan den Eindruck, dass es in Japan eher mehr gute und gut verkäufliche Stoffe als noch vor einigen Jahren gibt. Das liegt zunächst an der Arbeit der japanischen Mangaka und ihren Redakteuren - aber auch daran, dass sich der hiesige Markt weiterentwickelt hat, z.B. weil nun auch mehr Seinen-Manga bzw. »Ab 16er«-Serien okaye bis hervorragende Verkaufszahlen erreichen. Unsere »Titanen« mal außen vor, dass auch eine Serie wie Tokyo Ghoul (dt. bei Kazé) dermaßen gut einschlägt, hätte wohl so niemand erwartet.
Die Qualität eines Programms misst sich m.E. aber nicht automatisch daran, wie viele neue Titel gestartet werden – gute und beliebte sollten es idealerweise sein. Manga verlegen heißt vor allem Serien verlegen. Und wir freuen uns darüber, einige der beliebtesten »Jungsmanga« im Programm zu haben – wie One Piece, Naruto und Attack On Titan. Das sind lange Serien, mit vielen Fortsetzungsbänden, Spin-Offs und Adaptionen. Diese starken Charaktere und ihre Universen wollen wir natürlich möglichst adäquat pflegen, weil sie sehr viele Fans haben und diese von uns zu Recht erwarten, dass wir die - mitunter übrigens sehr erfolgreichen - »Ableger« auf Deutsch bringen.
Das führt dann z.B. dazu, dass wir ab Anfang 2015 jeden Monat eine Attack On Titan-Neuheit bringen (normale Serie und Spin-Offs im Wechsel), im Frühjahr startet der Zweiteiler NO No Regrets. Bei One Piece und Naruto gilt Ähnliches hinsichtlich der Kids-Ableger Chopperman und Rock Lee sowie der Anime-Comics, die ja neue Geschichten bieten. Serien- bzw. »Markenpflege« belegt viele Programmplätze, ich glaube wir haben derzeit 40 bis 50 laufende Manga-Serien zu betreuen. So gesehen bringen wir im Frühjahr/Sommer vielleicht weniger »völlig Neues« als andere Verlage. Nach meiner Zählweise ist ein Titanen-Spin-Off oder ein Anime-Comic allerdings schon »neu«. ;-)
Zudem haben wir uns ein Limit beim Novi-Ausstoß gesetzt (15-16 Bände monatlich), weil es u.E. dem Markt nicht gut tut, wenn zu viele ähnliche Titel gleichzeitig erscheinen. Und wir wollen diese Titel möglichst gut bearbeiten, promoten und verkaufen.
Mit Ausnahme von GoForIt! von Christina Plaka sind mir beim Browsen durchs neue Programm gar keine deutschen Eigenproduktionen aufgefallen. Ihr werdet doch der jüngst geäußerten Kritik, deutsche Großverlage kümmern sich nicht um deutsche Mangaka, kein neues Futter geben?
Dann musst du deinen Browser mal putzen oder uns die Ohren langziehen, weil wir dich unzureichend informiert haben – sogar fünf Bände im neuen Programm sind Eigenproduktionen. Neben Christina Plakas neuer Miniserie (die übrigens nicht mit ihrem in COMIX laufenden Manga identisch ist) erscheint auch Symphony, der Abschlussband von Marika Pauls Royal Lip Service-Trilogie, zudem der jeweils zweite Band von Tempest Curse (Martina Peters), SchattenArie (Anne Delseit/Zofia Garden) und Lost CTRL (Evelyne Park). Melanie Schober arbeitet am abschließenden Skull Party-Band, der für Herbst 2015 vorgesehen ist. Auch darüber hinaus haben wir noch »Heimisches«im Köcher. Ich denke also schon, dass wir uns ein wenig um Eigenproduktionen bemühen.
Im letzten Programm wurde die zweibändige Serie Opus von Satoshi Kon angekündigt, die auch die Fans europäischer und amerikanischer Comics begeistern dürfte. Was habt ihr in dieser Richtung dieses Mal im Angebot?
Wenn mit »in dieser Richtung« auch wertigere Ausstattung und erwachsene Zielgruppe gemeint ist, dann natürlich Wet Moon von Atsushi Kaneko. Das ist ein hypnotisch erzählter, dreibändiger Thriller, der im Japan der 60er-Jahre spielt und vor allem Fans von Alfred Hitchcocks oder David Lynchs Werken und Film Noir-Liebhabern gefallen dürfte. Grafisch in glasklarem Schwarzweiß und mit wenig Rastern umgesetzt, erinnert die Optik ein wenig an amerikanische Zeichner. Die französische Comic-Kritik hat die Serie 2014 mit dem Prix ACBD als bester asiatischer Comic ausgezeichnet. Wie auch schon Opus wird der Band in original japanischer Leserichtung und als Klappenbroschur im Format 14,5 x 21 cm erscheinen.
Ein Dauerbrenner sind die Comics von Dragon Ball-Erfinder Akira Toriyama, dessen Frühwerk bei euch in einer Short-Stories-Reihe erscheinen. Ist das eigentlich nur etwas für Hardcore-Fans?
Nein, überhaupt nicht – jedes Buch der Toriyama Short Stories ist ein Einzelband für sich, alle Bände haben auch komische bis klamaukige Elemente. Dragon Ball war alleine im deutschsprachigen Raum für wirklich Hunderttausende Leser der Einstieg ins Medium Manga. Ich wüsste nicht, warum das nicht prinzipiell auch für die Toriyama Short Stories gelten könnte – zumal man bei Einzelbänden als Leser eigentlich kein Risiko hat. Klar, einige Bände – wie der aktuell erschienene Wonder Island - haben schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, aber lustig bis anarchisch sind sie immer noch. Klassiker sind sie alle schon. In Neko Majin und auch Jaco The Galactic Patrolman findet man Charaktere aus Dragon Ball. Also am besten einfach in einen der Bände 1-3 reinlesen und Spaß haben.
Mit Attack on Titan ist euch ein fulminanter Start gelungen. Wie lassen sich die dauerhaften Erfolge des Megasellers aus Japan mit dem Auftakt in Deutschland vergleichen?
Dass die Titanen auch auf dem deutschen Markt so dermaßen einschlagen würden, hätten wir noch vor einem Jahr nicht erwartet. Band 1 der Serie, im Frühjahr erschienen, ist inzwischen mit weitem Abstand meistverkaufter Manga des Jahres, hat sogar die jeweils besten 2014er-Neuheiten von One Piece und Naruto in den Verkaufszahlen überholt. Dafür einen ganz herzlichen Dank an alle Fans, so etwas haben wir seit Dragon Ball-Zeiten nicht erlebt! Ob sich der unglaubliche Erfolg der Serie dauerhaft von Japan nach Deutschland übertragen lässt, muss sich natürlich erst noch zeigen. Wir sind erst einmal gespannt, wie die beiden Attack On Titan-Schuber-Editionen ankommen werden, die wir Ende November ausliefern. Die gibt es so nämlich noch nicht mal in Japan, sondern nur als deutsche Ausgabe.
Kai, welcher Titel oder welche Serie ist dein besonderes Highlight in diesem Programm?
Wie so oft tue ich mich damit schwer, mich auf einen zu beschränken. Ich habe mindestens fünf Serien, die für mich persönliche Highlights sind: Seven Deadly Sins, Gangsta., Ghost Tower, Wet Moon und natürlich Attack On Titan – No Regrets. Ich freu mich aber auch wie Bolle auf die Toriyama-Bände und die Eigenproduktionen…
Die Fragen stellte Volker Hamann.
Abbildungen © Carlsen Manga
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