Für seine zweite Schwarmfinanzierung mobilisiert der Carlsen Verlag heimische Künstler und sorgte gleich am ersten Tag für Aufsehen. Kann der Verlag doch Crowdfunding? CRON fragte bei Projektleiter Ralf Keiser nach.
Nicht gegen die Wand - sondern dafür!
Zweiter Versuch des Carlsen-Crowdfunding
Nach dem ersten, wenig erfolgreich verlaufenen Versuch des Carlsen Verlags, über das Finanzierungsmodell Crowdfunding einige besondere Projekte zu lancieren (CRON berichtete), ging man im Hamburger Verlag in Klausur und macht sich Gedanken über Ausrichtung und Zielgruppe weiterer möglicher Publikationen. Das Ergebnis ist die Portfoliomappe »Comics für die Wand«, in der die Zeichner Reinhard Kleist, Flix, Jens Harder, Jörg Hartmann, Arne Jysch, Jan Feindt und Uli Oesterle mit jeweils einem Siebdruck im Format DIN A3 vertreten sind. Die zwei- bis dreifarbigen Drucke sollen bei geglückter Finanzierung in einer sehr guten und engagierten Druckerei in Baden-Württemberg produziert werden. Sie zeigen Motive, die Ralf Keiser in Abstimmung mit den Künstlern und unter den kritischen Augen des Projektteams ausgewählt hat.
Mit eurem neuen Crowdfunding-Projekt »Comics für die Wand« habt ihr nach Startschwierigkeiten jetzt ein Objekt lanciert, das auf positives Interesse stößt. Was habt ihr dieses Mal anders gemacht?
Das Produkt, das wir anbieten, ist ja ein gänzlich anderes. Kein Buch, sondern eine Siebdruck-Mappe, also etwas, das oft von den Künstlern selbst angeboten wird. Dadurch sehen die Leute meines Erachtens eher ein, warum wir das nicht im normalen Programm bringen. Außerdem haben wir nun auch die kommunikative Kraft der beteiligten Zeichner im Hintergrund, was sehr wichtig ist. Dadurch steigt die Zahl der informierten Fans, darüber hinaus ist es natürlich etwas anderes, wenn eine solche Info direkt vom Künstler kommt.
Schließlich denke ich, dass auch der Wechsel zu Kickstarter seinen Teil dazu beiträgt. Die Plattform ist doch wesentlich größer und breiter aufgestellt als Startnext.
Also habt ihr euch für Crowdfunding-Projekte von Comics verabschiedet?
Nein, generell verabschiedet von Comics haben wir uns für diese Art von Projekten nicht. Es wird sich bei den nächsten beiden Projekten um Comics bzw. Comic-Artbooks handeln und nicht etwa um mehr Drucke oder so.
Woran haperte es deiner Meinung nach bei den ersten Projekten?
Im Rückblick muss man sagen, dass die Auswahl der Titel wohl suboptimal war, um es vorsichtig auszudrücken. Nur Alisik konnte ein wenig überzeugen. Vom Artbook zu Blake und Mortimer hatte ich mir persönlich sehr viel mehr versprochen, weil wir da seit Jahren eine sehr treue und verhältnismäßig große Leserschaft haben, die in der Vergangenheit wenig Sekundärliteratur geboten bekam. Doch die haben wir wohl schlicht nicht erreicht! Wir mussten feststellen, dass wir sie über unsere Kommunikation, die größtenteils online ablief, nicht erwischen konnten.
Außerdem haben wir bei allen Projekten unterschätzt, wie hoch die Hürde ist, sich mit Crowdfunding zu beschäftigen und auf Startnext einen Account anzulegen, wenn man es als Leser überhaupt nicht kennt. Wir sind davon ausgegangen, dass das Prinzip in der Breite viel besser bekannt ist. An vielen Fragen, die uns erreichten, haben wir aber gemerkt, dass dem nicht so ist.
Nachdem die signierten Early-Bird-Ausgaben so rasant vergriffen waren und das Projekt seitdem deutlich schleppender Unterstützer findet: Denkt ihr über eine Erhöhung des Kontingents an signierten Mappen nach?
Wir haben darüber nachgedacht und diese Idee für gut befunden! Ein solches Paket, das weitere 100 signierte Mappen umfasst, steht seit kurzem online. Wir sind ja absolut lernwillig!
Weshalb läuft das neue Projekt nicht mehr unter dem Label graphic/atessen?
Ganz einfach: Letztlich hat niemand dieses Label wahrgenommen und somit auch nichts damit verbunden. Damit gab es keinen Grund für uns, das weiterzuführen.
Die Plattform habt ihr gewechselt, und auch der Crowd&Rüben-Blog wird nicht weiter bedient. Warum das?
Der Blog war immer als Ergänzung zu den Kampagnen gedacht, wurde aber auch nicht in dem Maße angenommen, wie es nötig gewesen wäre. Außerdem hat er teilweise dazu geführt, dass die Kommunikation eher zerfaserte als sich zu verstärken. Wir fanden es nun sinnvoller, alles über die direkte Ansprache per Mail etc. zu lösen und etwaige Zusatzinfos auf der Kampagnen-Seite unter „Updates" zu posten.
Kannst du schon etwas zu weiteren CF-Projekten verraten?
Es wird, wie angekündigt, noch zwei weitere geben, die aber wieder unter etwas anderen Vorzeichen stattfinden werden. Wir experimentieren da ungebrochen weiter und möchten möglichst vieles ausprobieren. Die werden vermutlich irgendwann im April/Mai an den Start gehen, müssen wir noch festzurren. Dabei lassen wir uns von der Frage leiten, ob wir auf diese Weise eine Art „Fanservice" anbieten können, der es uns erlaubt, auch Kleinstserien für spezielle Interessen zumindest kostendeckend anzubieten.
Motiv des Drucks von Reinhard Kleist aus der Bildermappe
Motiv des Drucks von Flix aus der Bildermappe
Motiv des Drucks von Jens Harder aus der Bildermappe
Motiv des Drucks von Arne Jysch aus der Bildermappe
Abbildungen © Carlsen
Weiterführende Links:
Das Projekt auf Kickstarter: kickstarter.com
Infoseite des Verlags: carlsen.de