Comicladen-Report: Folge 4

comicladenreport 4

Wieder melden sich unsere beiden Kolumnisten zurück - dieses Mal aus der Sommerpause und mit einem erfreulich positiven Resümee für den deutschen Comichandel!

Comicladen-Report: Was den Handel bewegtgermany48austria48switzerland48
Folge 4: Der Comicsommer 2012 – ein Stimmungsbarometer

 von Ekki Helbig und Björn Steckmeier


Das Wetter war anstrengend dieses Jahr, erst hatten wir den Schaukelsommer, der uns von einem Wechselbad ins andere schickte. Darauf folgte dann ein kurzer Saharasommer, der buchstäblich alle Lebensgeister dahinschmelzen ließ. Aber in der warmen Jahreszeit ärgern wir Comichändler uns eigentlich traditionell über etwas ganz anderes – viele Kunden sind in Urlaub, die Umsätze sinken, kurz gesagt, das Sommerloch verhagelt die Laune. Das ging bis 2010 so, aber im Folgejahr stieg der Umsatz plötzlich im Juli und August in sehr erfreuliche Höhen. Wir schrieben dies einem geänderten Freizeitverhalten und wachsendem Städtetourismus zu. Die spannende Frage war nun, würde sich dieses Phänomen 2012 wiederholen?

Glücklicherweise lautet die Antwort ja, das Umsatzbarometer kletterte sogar schon im Juni ordentlich nach oben und blieb in luftigen Höhen. Wir können jetzt auf drei überdurchschnittliche Monate zurückblicken. Das Sommerloch haben wir also auch dieses Jahr verabschiedet. Und es gibt auch tatsächlich ein paar handfeste Gründe dafür. 

batman 1_dc  avengers film

Der große Gewinner des Sommers heißt eindeutig Panini, deren DC-Relaunch eingeschlagen hat wie eine Bombe. Die neuen Hefte wurden und werden uns förmlich aus den Händen gerissen, wir kamen mit dem Nachbestellen (in jeweils großen Stückzahlen wohlgemerkt) kaum nach. Aber nicht nur die neuen DC-Hefte waren stark gefragt, auch die Marveltitel zogen nach. Clevererweise hatte Panini gerade mit Wolverine & die X-Men sowie Spider-Man der Avenger zwei neue Serien am Markt platziert. Auch die Paperbacks, allen voran die Batman-Titel, flogen sozusagen aus den Regalen in die Kundenhände. Die meist gestellte Frage des Sommers lautete sinngemäß: „Ich möchte auch gerne Comics lesen, was können Sie mir da empfehlen?“ Selten haben wir so viele Verkaufsgespräche bei praktisch Null angefangen. Das besonders Erfreuliche: Es waren unglaublich viele neue Gesichter, sehr viele junge Leute und auch viele Frauen, die den Comic für sich entdeckten. Die meisten von ihnen sind inzwischen auch schon ein drittes oder viertes Mal im Laden gewesen, auch die weiteren DC-Hefte, die zum Teil jetzt schon bei Nummer 5 sind, laufen weiterhin prima.

Wenig überraschend zieht der große Konkurrent mit der Kampagne Marvel Now! nun nach und startet zahlreiche Serien neu. Auch hierzu erreichten uns schon zahlreiche Nachfragen interessierter Leser und in Bonn hat dies dazu geführt, dass zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder US-Hefte von Marvel im Ladengeschäft angeboten werden.  Daher sind wir gespannt, was Panini sich hier für das nächste Jahr einfallen lässt und hoffen, dass der Erfolg wiederholt oder sogar übertroffen werden kann. Ausgelöst hat diesen Superheldenboom natürlich der große Kinosommer mit Blockbustern wie Marvel’s The Avengers, The Dark Knight Rises und The Amazing Spider-Man. Diese Filme haben gerade jungen Leuten Lust aufs Comiclesen gemacht. Sogar das Unglaubliche ist geschehen, eingeschworene Mangafans kamen mit einem Batman-Tradepaperback an die Kasse.

Panini hat allerdings auch ein großartiges Marketing zum Neustart des DC-Universums hingelegt. Da wurde an alles gedacht und vor allem die Marketingmaßnahmen für die Händler waren hervorragend. Besonders wichtig waren für uns die lebensgroßen Pappaufsteller von Batman und Superman. Mit diesen Blickfängern konnte man ein tolles Schaufenster gestalten und das hat dann die Neukunden in den Laden gelockt. Und der Superheldenboom hält nun schon seit vier Monaten an. Erstmalig in der Geschichte des Verlages hat Panini zudem ein Heft (Batman Nr. 1) nachgedruckt und sich damit ein Beispiel an DC genommen, die in den ersten Monaten auch praktisch jede Ausgabe im Druck gehalten haben, um damit auch späten Neulesern einen problemlosen Einstieg zu ermöglichen (der dortige Topseller Justice League #1 brachte es auf nicht weniger als acht Auflagen). Ein Verhalten, das man nicht oft genug loben kann, denn nach wie vor werden von uns auch die ersten Hefte der DC-Reihen kontinuierlich nachbestellt.

Aber es sind nicht nur die Superhelden, die sich gut verkaufen. Gelegentlich hatten wir diesen Sommer das Gefühl, dass wirklich jeder The Big Bang Theory schaut und Comics einfach die coolste Sache der Welt sind. Der Star-Wars-Boom unter Kinder und Jugendlichen ist dank The Clone Wars ungebrochen, auch The Walking Dead verkauft sich aufgrund der TV-Serie weiterhin wie geschnitten Brot. Und da Cross Cult die Bände dankenswerterweise permanent nachdruckt, haben wir bei einigen Bänden die sehr guten Vorjahreszahlen schon übertroffen. Auch franko-belgisches Material von Splitter verkauft sich weiterhin sehr stabil, hier schickt sich in Frankfurt El Mercenario an, die Verkaufszahlen von Storm zu erreichen. 

In Bonn hingegen verkaufen sich die Franko-Belgier und Graphic Novels zunehmend in der Breite. Dafür findet im US-Bereich ein Revival der 80er-Jahre statt. Bereits sehr gute Verkäufe der US-Serie Teenage Mutant Ninja Turtles (angeheizt durch die baldige Ausstrahlung einer neuen Trickserie auf Nikelodeon) wurden locker von He-Man and the Masters oft the Universe übertroffen (nicht zuletzt durch eine Kooperation mit der Fanseite www.planeteternia.de). Auch die bisherigen Vorbestellungen und eifrigen eMail-Anfragen zu einem neuen Comic von My Little Pony: Friendship is Magic lassen auf den nächsten Topseller hoffen. Schade, dass diese Themen am deutschen Fachhandel vorbeilaufen, da kein hiesiger Verleger Interesse zeigt oder gleich mit der Nase rümpft und dankend ablehnt. Auch die Graphic-Novel-Leser finden weiterhin den Weg in unsere Läden. Obwohl die Feuilletonthemen, wie Meine Beschneidung oder Im Land der Frühaufsteher, gelegentlich komplett an uns vorbeigehen, gibt es auch hier eine breite Leserschaft, die sehr solide und durchaus beratungsintensiv weitere Titel kauft. 

Die beiden Sommerhits bei T3 in Frankfurt wiederum zeigen, wie man mit kleinen Marketingmaßnahmen große Verkaufserfolge erzielen kann. Eine Signierstunde mit Skottie Young und seinem Buch Der Zauberer von Oz war äußerst erfolgreich. Durch Besprechungen auf dem eigenen Blog und bei Facebook sowie eine gute Präsentation im Laden ist der Band auf dem besten Wege, der Toptitel des Jahres in Frankfurt zu werden. Und Hauteville House von Finix Comics hat T3 mit einem vom Verlag geliehenen zwei Meter hohen Stoffbanner, welches das Cover von Band 2 zeigt, im Schaufenster beworben. Das sorgte für soviel Aufmerksamkeit, dass Band 1 besser als der aktuelle Spirou verkauft wurde und derzeit in den Verkaufscharts auf Platz zwei liegt. Und Band 2 von Hauteville House folgt dicht dahinter. Um attraktive Schaufenster zu gestalten, und damit die Leute in die Comicläden zu locken, brauchen wir auch attraktives Dekomaterial, die immer gleichen Papierposter der Verlage helfen da nicht wirklich weiter. Bei den Superman-Pappaufstellern von Panini haben sich die Läden auch an den Kosten des Dekomaterials beteiligt. Vielleicht sollten die Verlage in der Richtung mal weiterdenken. Im Zeitalter des Internets gibt es viele kostengünstige Möglichkeiten schickes Werbematerial zu produzieren.

 

hauteville house_02  he man_1_us

Der Bonner Comic Laden hingegen hat jedes Jahr am letzten Juli-Wochenende die AnimagiC vor der Tür. Dabei handelt es sich um eine Veranstaltung für Fans von Manga, Anime und anderen primär asiatischen Themen. Durch einen Stand auf dem naheliegenden Messegelände gibt es einen sehr schönen Werbeeffekt für den Comicladen, der sich jedes Mal deutlich bemerkbar macht. Sehr erfreulich ist es, dass von dieser Klientel auch erstaunlich viele Comics abseits der Manga gekauft werden, was man von Manga-Fans sonst eher weniger gewohnt ist. Dass sich ähnlich anmutende Titel wie Avatar: The Last Airbender oder SkyDoll noch einer großen Beliebtheit erfreuen ist nicht neu aber auch amerikanische Comics werden dann konsumiert und in diesem Jahr war durchaus noch mal eine Steigerung der Nachfrage an deutschen UND amerikanischen Sammelbänden von Marvel- und DC-Helden zu verzeichnen. Nach den Gründen gefragt, wurde geantwortet, dass durch die Filme Avengers und The Dark Knight Rises Interesse für diese Stoffe geweckt wurde. So etwas hört man natürlich gerne. Aber auch der zu diesem Zeitpunkt bereits angelaufene Werbefeldzug von Panini dürfte sicherlich nicht ganz unschuldig daran gewesen sein.
Vielleicht ist das alles ja nur eine sommerliche Momentaufnahme, so ganz können wir es noch nicht glauben, dass Comics wirklich salonfähig werden.  Comics sind ein Nischenprodukt, aber als Spezialbuchhandlungen haben wir uns derzeit sehr solide in dieser Nische eingerichtet. Schließlich gibt es trotz Internet immer noch sehr viele Menschen, die den persönlichen Kontakt schätzen und für Fachberatung empfänglich sind. 

Aber die Tendenz ist derzeit sehr positiv und wir freuen uns – über die vielen Beratungsgespräche mit neuen Kunden und die Tatsache, dass wir wieder viel mehr über Inhalte sprechen, als über Limitierungen, Erstauflagen oder Formate. Comics sind letzlich zum Lesen da und je mehr Leute daran Spaß finden, desto besser.

Hoffen wir also auf die Buchmesse und einen heißen Comicherbst mit vielen neuen Titeln.

Abbildungen ©  2012 Panini Comics
Fotos © Bonner Comic Laden (Bonn); Terminal 3 (Frankfurt/Main)


Die Meinung der Leser interessiert uns! Diskutiert diesen Beitrag im Forum (klicken):
Comicladen-Report: Was den Handel bewegt

 

Die Autoren

Ekki Helbig, Jahrgang 1958, liest seit seiner Kindheit begeistert Comics. Nach einem abgeschlossenen Germanistikstudium strandete er 1987 in der Comicbranche: erst als Aushilfe beim ersten deutschen Comicvertrieb »Riedel & Krebs«, von 1989 bis 1992 dann als Lagerchef von »R & K«.

1993 und 1994 war er Filialleiter vom »Comicladen« in der Berliner Strasse. Nach einem kurzen Intermezzo beim anderen Frankfurter Comicladen »Comica«, war er im August 1995 Mitbegründer von »T3 Terminal Entertainment«. Dort arbeitet er heute noch und ist für die deutschsprachigen Comics und die Organisation von Signierstunden zuständig. Standort: Frankfurt am Main


Björn Steckmeier, Baujahr 1980, befasst sich schon seit der frühesten Kindheit mit der Neunten Kunst. Ganz klassisch hat es mit der Micky Maus angefangen, aber auch diverse Comics, die sich in der väterlichen Sammlung befanden, hatten es ihm angetan.
Aktiver Comicsammler seit 1993 und dabei auf kein Gebiet beschränkt. Egal, ob Frankobelgier, Strampelmänner, Manga oder obskure Alternativ-Comics – gelesen wird alles, was gefällt.
Aber auch Literatur ohne Bilder ist vor ihm nicht sicher, vor allem, wenn es sich um Thriller von Douglas Preston und Lincoln Child oder gute Krimis handelt.
Weitere Hobbies sind Computerspiele, gemütliche Plauderabende mit Freunden und das Internet unsicher machen.
Nach einem abgebrochenen Studium für Technikjournalismus studiert er derzeit neben seiner Tätigkeit als Comicverkäufer Asienwissenschaft mit Schwerpunkt Japan an der Universität Bonn. Standort: Bonn