Ricardo Castillo: Interview mit Martinez und Brodhecker

Abt: Deutsch-Spanische Ligne Claire

Hergé inhaliert

Die Abenteuer von Ricardo Castillo gehen weiter

Interview mit Alexis Martinez und Gunther Brodhecker

Acht Wochen lang konnten die Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Beginn dieses Jahres im Tagebuch des Ricardo Castillo lesen. Die Comic-Abenteuer des spanisch-jüdischen Kartographen im Kanada des 18. Jahrhunderts erzählen Alexis Martinez (Text und Zeichnungen) und Gunther Brodhecker (Text und Szenario) ganz klassisch.

Der Stil von Martinez ist stark beeinflusst von der guten alten frankobelgischen Schule. Neben Hergé ist auch der US-Amerikaner Jeff Smith ein großes Vorbild des 1971 geborenen Grafikdesigners, dessen Eltern aus Kuba und Spanien stammen. Wie Martinez verdient auch Brodhecker tagsüber in der Werbebranche seine Brötchen. Der 1966 geborene gebürtige Darmstädter ist als Texter und Kreativdirektor tätig und hat seit seiner Kindheit Comics gelesen.

Heute, am 20. September 2011, ist es soweit. Eine neue Kurzgeschichte von Ricardo Castillo erscheint in der F.A.Z. In dieser Folge haben sich Ricardo und seine Freunde viel vorgenommen und zwar nicht weniger als die Bezwingung der Nordwest-Passage.

Über den Comic, der auch online im Internet kostenlos veröffentlicht wird, sprach Matthias Hofmann mit den beiden Kreativen.


 

Im Frühjahr 2011 erschien das erste Abenteuer von Ricardo Castillo. Wie zufrieden seid Ihr mit etwas Abstand mit der Resonanz?

[Martinez/Brodhecker] Als Ricardo Castillo Anfang Januar an den Start ging, da hatten wir gar keine Vorstellung davon, was jetzt passieren würde. Wir sind ja beide hauptberuflich Werber und Castillo ist so was wie unser Hobby. Also haben wir uns auf den Comic selbst konzentriert.

Aber als die ersten beiden Abenteuer in der F.A.Z. erschienen sind, da ist schon was losgebrochen für uns: Wir haben so viel Resonanz gekommen – im Job, auf Facebook, privat, aber auch aus der Comicszene. Und ganz überwiegend positive Resonanz.  Was uns besonders gefreut hat: Auch ausgewiesen Comicleute sind auf uns zugegangen – auch andere Comicautoren und Zeichner. Das hat gut getan. Sagen wir´s mal so:  Anerkennung von Profis ist schon besser, als wenn Dich nur Deine eigene Omi gut findet.

Weshalb habt Ihr Euch dazu entschlossen, die Abenteuer von Ricardo Castillo als Webcomic kostenlos zu veröffentlichen?

[Martinez/Brodhecker] Ehrlich gesagt: Das haben nicht wir beschlossen, sondern die F.A.Z. Aber wieso nicht? Wir freuen uns, wenn möglichst viele Leute unseren Castillo kennenlernen. Vom Leservergnügen ist Papier aber unschlagbar.

Online ist uns sonst schon ziemlich wichtig. Unser Protagonist Ricardo hat ein eigenes Facebook-Profil. Das heißt, immer dann, wenn unser Comic in der F.A.Z. läuft, dann erzählt er seinen Facebook-Freunden noch mehr dazu. Es ist witzig zu sehen, dass Comicleser sich aktiv mit einer Comicfigur angefreundet haben. Die haben Ricardo Mails geschrieben, zum Geburtstag gratuliert und so weiter. Facebook als Kanal bringt uns als Autoren auch viel. Über diese Rückmeldungen erfahren wir direkt wie die Leser auf unsere Figuren und die Storys reagieren.

Jetzt folgt eine neue, etwas kürzere Geschichte. War dies von Anfang an geplant?

[Martinez/Brodhecker] Nicht wirklich. Wir dachten eher daran, nächstes Jahr wieder in der F.A.Z. aufzutauchen. Aber dann hatten wir die Idee zu dieser Kurzgeschichte. Bisher waren unsere Geschichten eher eine Kombination von Abenteuer, Humor und Elementen von Drama. Wir haben mit Spannung gearbeitet und mit längeren Erzählsträngen. Jetzt wollten wir was Neues probieren: Eine in sich abgeschlossene Kurzgeschichte, mit Folgen die zugleich als Tagesstrip funktionieren. Das heißt jede Tagesfolge ist auch in sich verständlich und hat ihre Pointe. Das ist schon eine andere Art zu erzählen. Die Figur Ricardo Castillo selbst und seine Freunde sind aber ganz die Alten.

Alexis arbeitet in Frankfurt am Main, Gunther in Stuttgart. Wie oft trefft ihr Euch und wie sieht die Zusammenarbeit von euch aus?

[Martinez] Wir treffen uns nicht sonderlich oft, aber wir telefonieren und mailen uns viel. Es hat sich da eine ganz eigene Arbeitsweise eingespielt. Die Geschichten selbst entstehen im Ping Pong. Oft spielen wir uns die Szenen regelrecht am Telefon vor. Das sind manchmal schon kleine Hörspiele, die da entstehen. Aber das ist auch ein guter Test. Denn wenn wir beim Erzählen beide laut lachen, dann ist die Pointe gut. Der nächste Schritt, also das Schreiben vom Dialog und das Zeichnen selbst, das macht dann jeder für sich.

[Brodhecker] Wobei Alexis als Zeichner da natürlich die Hauptarbeit macht. Schon alleine von der Zeit her. Sein Strich ist wunderschön, aber auch sehr aufwändig. Das ist echte Knochenarbeit!

Wann wird es Das Tagebuch des Ricardo Castillo auch als gedruckten Comic geben?

[Martinez/Brodhecker] Ein genaues Datum können wir noch nicht nennen, aber auf alle Fälle 2012! Und zwar in Farbe!

Hergés Ligne Claire hat ohne Zweifel großen Einfluss auf den Zeichenstil gehabt. Wie genau hast du Tim und Struppi studiert? Oder kam das ganz natürlich?

[Martinez] Hergé ist für mich natürlich ein ganz Großer und den Strich habe ich nicht nur studiert. Den hab ich praktisch »inhaliert«, so viel Tim und Struppi habe ich gelesen! Aber ich glaube, dass ich von vielen anderen Zeichnern beeinflusst bin.

Außerdem bin ich ein absoluter Kinonarr und ich glaube das sieht man unserem Comic auch an: Bildaufteilung, Zooms, Gestik und Mimik der Figuren… Da steckt bei mir viel Spielfilm drin.

Wie entstand die Idee zur Figur des Ricardo Castillo?

[Martinez] Ich beschäftige mich seit jeher stark mit Geschichte und bin zudem ein Westernfan. Die Pelzhandelszeit hat mich da schon länger fasziniert.

Irgendwann kam dann die Idee, dass man eine Geschichte in diese Zeit verlegen könnte. Da kam ich irgendwann auf diesen Spanier, den es nach Neufrankreich verschlägt. Und der – ohne es zu wollen – ein Abenteurer wird, eine Art Held wider Willen.

 

Das kann es nach zwei Folgen nicht gewesen sein. Sind weitere Abenteuer geplant?

[Martinez/Brodhecker] Klar sind sie das. Wir haben das Gefühl, dass wir gerade erst warmlaufen. Wir haben schon eine Handvoll weitere Storys im Kopf. Ob wir die alle umsetzen oder ob es ganz andere werden… wir werden sehen.  Ende des Jahres wird erst einmal eine der F.A.Z. Geschichten in COMIX – dem Schwesterblatt der Comixene – erscheinen. Und zwar in Farbe!

Was neue Geschichten angeht ist es so: Ricardo Castillo ist ein Abenteuercomic. Und das gilt auch für uns. Es ist für uns ein Abenteuer diesen Comic zu entwickeln. An jeder Ecke wartet eine neue Geschichte auf uns. Wer weiß, wohin unser Ricardo uns noch führen wird. Das Abenteuer geht weiter…

Dann freuen wir uns jetzt auf den Start von »Die Nordwest-Passage«. Und auf Antworten zu Fragen wie: »Werden Castillo und seine Freunde das Himmelfahrtskommando überstehen? Und was läuft da eigentlich zwischen Beauchaump und dem Streifenhörnchen?«

Fotos/Abbildungen © Alexis Martinez/Gunther Brodhecker


Weiterführende Links:

Das Tagebuch des Ricardo Castillo: Webcomic bei FAZ.net: Spuren im Eis

Homepage des Comics: Ricardo Castillo