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Der deutsche Comickomplex - Interview mit Andreas Wiedemann

In Ihrem Artikel »Der deutsche Comickomplex« in der neuen Ausgabe von ALFONZ - Der Comicreporter geht Kristina Auer der Frage nach, warum eine Laudatio während der Max und Moritz-Preisverleihung keineswegs zur Spaltung der deutschen Szene führen sollte. Was sagt Hella von Sinnen zu den Reaktionen auf ihre Laudatio zu Martina Peters' D-Manga TƎN? Alfonz und CRON präsentieren die aufschlussreichen Interviews mit Melanie Schober, Andreas Wiedemann und Hella von Sinnen, die eine Antwort auf diese und noch mehr Fragen geben.

Andreas Wiedemanngermany48
im Gespräch mit ALFONZ

Die Interviews Teil 2: Andreas Wiedemann (Verlagsvertreter für den Comic- und Bahnhofsbuchhandel, Egmont)

Foto (c) Edition Alfons

Kristina Auer (Alfonz): Erzähl doch einmal, was Du bisher so gemacht hast und wie du die Entwicklung des deutschen Comicmarktes seit deinem Einstieg in die Comicbranche wahrgenommen hast.

 

Andreas Wiedemann: Nun, ich bin seit 30 Jahren dabei. 1984 gründeten wir – Volker Hamann, Heiko Hähnsen und ich – das Fachmagazin Reddition. Ich schied dann aus beruflichen Gründen aus. Ich freue mich immer noch, dass Volker den Mut und die Kraft hatte, die Reddition in alleiniger Regie weiterzuführen. An dem Ergebnis können wir uns ja heute noch erfreuen. Damals begann die große Zeit des ›anspruchsvollen‹ Comics. Im Comicpressemarkt war die ›Ära Zack‹ bereits beendet, die Ehapa US-Heftproduktion, das heißt Superman etc., neigte sich dem Ende zu. Doch mit dem Volksverlag und den ›Erwachsencomics‹ kam etwas gewaltig Neues. Viele der Comicshops eröffneten in dieser Zeit, Anfang der 80er Jahre. Der Begriff ›Erwachsenencomic‹ meinte damals nicht den Porno, sondern zum Beispiel Comics von Moebius, Druillet etc., etwas für ›Ältere‹. Der Comic wurde zur Kunst erhoben, war quasi erwachsen geworden. Es herrschte damals noch viel stärker das Vorurteil: Comic sei etwas für Kinder. Der Carlsen Verlag griff das Segment auf und führte im Anschluss den ›Erwachsencomic‹ im deutschen Buchhandel ein.

1989 begann ich dann als Verlagsvertreter für den Reiner-Feest-Verlag zu reisen. Verlagsvertreter sind Handelsreisende, die den Handel (also Buchhandlungen, Comicshops etc.) betreuen. Sie verkaufen das Verlagsprogramm und beraten sowohl den Handel als auch den Verlag unter anderem über Strategien und Möglichkeiten.

1990 wechselte ich zum Egmont Ehapa Verlag. Dort legte Klaus M. Mrositzki gerade den Grundstein für die Ehapa Comic Collection und schuf damit den Wettbewerb in einem Markt, der bis dahin von Andreas C. Knigge und Carlsen dominiert worden war. Ehapa kaufte 1991 den Feest-Verlag hinzu, und Teile des alten Teams fanden sich nun, mit etwas mehr Geld in der Kasse, im Schwabenland wieder zusammen. Es gelang uns in den folgenden Jahren, die Hamburger, also Carlsen, etwas zu treiben und Ehapa im Buchhandel zu platzieren. Das Resultat war, dass wir gemeinsam die Hausse der Comics weitertrieben und im Anschluss die der Mangas auslösten.

Nach zehn Jahren Ehapa wurde es Zeit für etwas Neues und ich nahm im Jahr 2000 ein Angebot von Carlsen an. Joachim Kaps stellte damals ein Team zusammen, um die dank Dragon Ballsehr gute Geschäftslage zu nutzen, einen Um- und Neuaufbau des Comic- und Mangabereichs bei Carlsen zu erreichen. Das war eine spannende Zeit, und Carlsen verstärkte mit vielen guten Leuten das Comic- und Manga-Team. In dieser Aufbruchsstimmung probierten wir zum Beispiel neue Formate für Manga und Comic aus. Dazu zählten die Mangamagazine Banzai und Daisuki. Mit einer Fantasy-Offensive, unter anderem mit dem Magazin Magic Attack, versuchten wir, Comicalben wieder in der Breite des Marktes zu platzieren. Leider scheiterte das Unterfangen.

Für ausländische Verlage war es fast unmöglich – insbesondere im Bereich Manga – in Deutschland Fuß zu fassen. Das gelang erst dem US-amerikanischen Verlag Tokyopop, indem er Joachim Kaps und in der Folge einen Teil der Redaktion des Carlsen Verlags 2004 abwarb. Ein drastisches Unterfangen – aber erfreulicherweise gab es bei Carlsen gute Leute, die das aufgefangen haben und einen guten Job machten. Für mich ergab sich damals die Chance, meine vertrieblichen Vorstellungen einmal vollends verwirklichen zu können. Ich verließ daher Carlsen und gründete mein Vertriebsunternehmen anisan bildete Angestellte aus, und wir platzierten Tokyopop schnell und erfolgreich im deutschsprachigen Raum. Wie es dann so ist, wollte Tokyopop nach dem Aufbau Kosten einsparen und wir beendeten die Zusammenarbeit, um uns dann lange zu streiten. Verständlicherweise hege ich persönlich keine großen Sympathien gegenüber der Verlagsleitung, doch stärkt die Präsenz von Tokyopop den Mangamarkt. So gibt es bei Tokyopop keine große innerbetriebliche Konkurrenz zu anderen Verlagsbereichen, wie zum Beispiel Comic, Kinderbuch, Roman etc., so wie bei Carlsen oder Egmont. Das führt zu einem starken Innovationsdruck, von dem der Manga und der Markt insgesamt profitieren. Der Nachteil für Tokyopop ist, dass eine Stützung durch andere Verlagsbereiche fehlt, wenn Manga einmal schwächeln sollten. Was aber nicht absehbar ist – der Markt wächst immer noch.

2012 ergab sich die Möglichkeit, wieder für den Egmont Verlag zu reisen. Sozusagen hat sich der Kreis bei mir geschlossen. Den Schilderungen kann man wohl schon entnehmen, und ich kann das für die lange Tätigkeit auch bestätigen, dass wir alle in der Branche zwar in einem gesunden und spannenden Wettbewerb stehen, wir uns auch streiten, aber grundsätzlich respektvoll miteinander umgehen. Es hat schon was von einer eingeschworenen Gemeinschaft, die aber in der Lage ist, neue Personen und Trends zu integrieren. Erlangen ist da fast wie ein Familientreffen, was auch die Leser mit einschließt.

 

KA: Das entspricht aber nicht dem Eindruck, den ich in Erlangen – vor allem während der Max-und-Moritz-Preisverleihung – gewonnen habe. Da waren ja schon deutliche Ressentiments zwischen den ›Comicleuten‹ und den ›Mangaleuten‹ spürbar.

AW: Ein Konflikt ist tatsächlich zu beobachten. Dabei sind Comic, Manga, Graphic Novel und die neuen digitalen Ableger doch nur Spielarten von graphischen Erzählungen. Dass teilweise ein Clash, verbunden mit Abwertungen, auftritt, ist bitter, da der Markt insgesamt relativ klein ist. Trotz des Wettbewerbs brauchen wir einander, denn wächst der Markt insgesamt, profitieren alle davon: Leser, Handel und Verlage, egal wie sich der Umsatz zwischen den Verlagen und Genre verteilt. Sollte jedoch der Umsatzeinbruch eines Verlags oder Genre nicht von den anderen kompensiert werden können, wir also einen schrumpfenden Gesamtmarkt erleben, geht es nach einiger Zeit ans Eingemachte und alle, auch die Leser, verlieren. Was macht denn zum Beispiel ein Comicleser, dessen Händler – sagen wir mal – 50% Umsatzeinbruch bei den Manga hat? Wird er sich ins Fäustchen lachen und denken: »Ich wusste es schon immer, Manga ist bescheuert, und das Zeug kann man ja nicht lesen«? Ich glaube nicht, dass er so denkt! Denn spätestens, wenn der Comicladen dicht ist, geht es ihn auch etwas an. Ich weiß, nun erwidert man sicher, dass man dann eben bei Amazon kauft. Und ja, der Strom kommt tatsächlich aus der Steckdose … Aber die, die sehen wollen, sehen auch, dass es aus verschiedenen Gründen heikel ist, einem Konzern einen bestimmten Markt zu überlassen. Denn am Ende des Tages zählt nur, wie viel Geld sich mit einem Produkt verdienen lässt. Abgesehen davon, dass einhergehend mit wirtschaftlicher Macht immer auch politischer Einfluss stattfindet; denn was letztlich in einem Onlineshop angeboten wird, entscheidet das Unternehmen selbst. So verschwanden vor Jahren einmal über 50.000 Bücher mit homosexuellem Thema aufgrund eines ›Fehlers‹ in der US-Suchfunktion. Wie gut, dass bei den ›Shonen Ai‹-Manga der Begriff ›Gay‹ nicht vorkommt … Da lobe ich mir doch den Fachhandel. Der steht sozusagen dezentral für die Gesamtheit des Comic und nutzt am ehesten alle Synergien. Die Stärke entsteht ja gerade durch die Vielfalt, die übrigens durch den Gratis Comic Tag sehr schön dargestellt wird. Nur allein mit Mangatiteln zu € 6,50 wäre auch der Fachhandel nicht überlebensfähig. Die Stärke des persönlichen Dealers vor Ort hängt doch auch sehr von den Kunden ab, ob diese ihre Interessen und Wünsche preisgeben und im Anschluss auch vor Ort kaufen. Man sollte viel mehr miteinander sprechen, das ist wunderbar und trägt sehr zur Verständigung bei.

 

KA: Wenn man aber aufeinander angewiesen ist, woher kommt dann diese ›Feindseligkeit‹ dem jeweils anderen gegenüber?

AW: Meiner Meinung nach gibt es viele Gründe. Der glanzvollen Aufbauzeit der Comicalben folgte Ende der 1990er eine Depression. Die Verlagsbereiche konnten sich gerade noch über den ausgelösten Mangaboom behaupten. Im Fachhandel knirschte es, doch letztlich stellten sie sich auf die neue Kundschaft ein. Viele Comicalbenleser fühlten sich durch ein deutlich kleineres Angebot zurückgesetzt, das tat weh. Die Mangaleser wiederum waren für viele so ganz anders und grenzten sich schon über die Thematik und die östliche Leserichtung von den Älteren ab. Ich glaube daher, das ist vielmehr ein Konflikt der Generationen, der von beiden Seiten immer noch über Vorurteile befeuert wird – Comic versus Manga verschleiert das nur. Wenn ich mir zum Beispiel die Wormworld Sagaanschaue, ist der Comicbereich immer noch innovativ und weiterhin engagiert, neue Produktformeln und Vertriebswege zu finden, zum Beispiel Graphic Novels, Kindercomics, Motion Comics. Auf einen Nenner gebracht kann man sagen, die Comicleser sind nicht nur alte Knackis und die Mangaleser nicht nur verrückte pubertierende Girlies. Leider sind Vorurteile hartnäckig und führen dazu, dass man übersieht, was die jeweils andere Spielart Schönes zu bieten hat. Da bleibt schnell einmal ein Taniguchi oder Tezuka unbeachtet. Dass Mangaleser nun auch Comichefte kaufen und Mangaka wie zum Beispiel Olivia Vieweg eine Graphic Novel zeichnen, zeigt, dass sich was ändern kann.

 

KA: Ich würde gerne noch einmal zum Thema ›Depression‹ zurückkehren. Was muss ich mir, bezogen auf den Comicmarkt, darunter vorstellen und wie genau kam es dazu?

AW: Na ja, dafür müssen wir uns das Umfeld Anfang der 1990er Jahre anschauen. Bei Egmont bauten wir, eigentlich fünf vor zwölf, recht erfolgreich das Comicalbensegment auf. Carlsen dominierte den Comicbuchmarkt absolut und es drohte, dass Egmont den Anschluss verpasst. In der folgenden Aufbau- oder Wachstumsphase profitierten alle. Der Buchhandel schuf, durch jahrelange Überzeugungsarbeit, nun auch Präsentationsflächen für Comicalben im A4-Format.

 

KA: Aber gab es nicht schon vorher Comicalben im Buchhandel?

AW: Richtig, aber die wichtigsten Comicserien wurden bis dahin anderen Bereichen zugeordnet: Tim und Struppi fand man bei den Kinderbüchern, Asterix galt als Kultur und Ralf König, Werner, Hägar und andere standen bei den Cartoons. Alles, was den Umsatz und das Prestige für den Aufbau einer eigenen Warengruppe unterstützt hätte, galt im Buchhandel nicht als Comic. Unsere Aufgabe war damals, das zu ändern. Das änderte sich tatsächlich Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre mit dem Aufbau der Warengruppe Comic. Zudem war die Presse von der Neunten Kunst begeistert, was uns sehr geholfen hat. Egmont schaffte es tatsächlich, die Dominanz von Carlsen zu brechen und es war wohl 1996/97, dass sich beide ca. 70% des Marktes teilten. Der alte Splitter Verlag und andere Verlage generierten ebenfalls fast 30% des Comicumsatzes. In der Spitze publizierten Egmont und Carlsen 250 Alben im Jahr. Über Jahre hinweg erschienen im deutschen Buch- und Fachbuchhandel der 1990er Jahre mehr als 360 Comictitel pro Jahr. Hinzu kamen noch limitierte Ausgaben von allen möglichen Titeln, woran dieses Marktsegment dann irgendwann auch einging.

 

KA: Das heißt, die Depression auf dem Comicmarkt wurde unter anderem durch ein starkes Überangebot ausgelöst?

AW: Das würde ich so nicht sagen. Aufgrund des Verdrängungswettbewerbs haben wir zwar zu viel publiziert, als Korrektiv folgt dann aber eine Rezession, die auch die Überproduktion eliminiert. Man geht quasi zwei Schritte voraus und fällt dann einen zurück. Vielleicht lernen wir noch einmal, die Überproduktion im Zaum zu halten, das war ja nicht das einzige Mal. Mit Depression meinte ich: Du stehst im Keller und jemand droht, die Kellertür von außen abzuschließen. Der Buchhandelscomic hatte meines Erachtens ein strukturelles Problem, was Ende der 1990er Jahre die Eigenständigkeit der Verlagsbereiche Comic im Buchhandel bedrohte.

In den 1990ern lagen der Marketingfokus und das Budget der Verlagsbereiche beider großen Verlagshäuser fast ausschließlich auf den Comicalben. Das war ein echtes Comicfest. In der Zeit bauten wir bei Egmont neben Asterix auch den Disney-Bereich aus, Flaggschiff war die Barks Library und für den Sammlermarkt beispielsweise die Micky Maus-Reprintkassetten. Von der Barks Library, der ›gelben Albumreihe‹, verkauften wir von den ersten Bänden bis zu 40.000 Exemplare. Im Durchschnitt lag der Absatz bei ca. 25.000 Exemplaren. Die Barks-Softcover-Alben verkauften sich bis 2000 über 1,5 Millionen Mal, wobei der Peak 1994/95 erreicht war. Danach begann sich der Absatz in den folgenden Jahren langsam zu reduzieren. Das gleiche gilt für die Don-Rosa-Alben, Start 1994, Peak 1997, danach leicht sinkende Absatzzahlen. 1995 startete auch die Asterix Mundart-Reihe. Bei erfolgreichen Dialekten kamen wir auf ca. 130.000 Exemplare pro Band in ein bis zwei Jahren. Und der genannte Micky Maus-Nachdruck, diese Kassetten kosteten damals mit DM 198,00 ein Vermögen, verkaufte sich in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre über 27.000 Mal. Viele der erfolgreichen Serien waren aber um die Jahrtausendwende abgeschlossen, und Verkäufe von Backlisttiteln liegen deutlich niedriger als die von Neuerscheinungen, so dass sich eine Lücke auftat

 

KA: Du sprichst über die bekannten Marken, wie sah es denn ansonsten aus und was sind 130.000 Exemplare übersetzt auf den Mangamarkt?

AW: 130.000 Exemplare übertragen auf den Mangamarkt, das sind die Topsellerserien: Sailor Moonund Dragon Ball. Dabei muss man aber den Verkaufspreis berücksichtigen, der bei Manga ja viel niedriger ist. Um einen Comic gleicher Absatzmenge kompensieren zu können, lege noch ein paar Zehntausend Exemplare oben drauf.

Bei den ›normalen‹ Comics sah es etwas anders aus, doch im Vergleich zu heute war das immer noch ein Paradies. Damals druckten wir unter 2.000 Exemplaren gar nicht erst nach, das ist im Markt heute teilweise die verkaufte Gesamtauflage. Schau doch einmal in das Impressum von Alben kleinerer Verlage, die sind teilweise so nett und geben die Druckauflage ihrer Kleinode an. Die Wahrscheinlichkeit, dass Du auf der Straße einem der nächsten Verkehrstoten begegnest, ist doppelt so hoch, wie die, dass dir jemand über den Weg läuft, der dein Comickleinod selbst besitzt. Ein Leutnant Blueberry verkauft sich heute auch noch anständig, doch mit mehr als 8.000 Exemplaren in den ersten ein, zwei Jahren und dann fortlaufenden Bezügen, also über 10.000 Ex. gesamt, war er damals eine gute und sichere Bank. Heute ist es kaum nachzuvollziehen, aber ein neuer Nikopol von Bilal erreichte Mitte der 1990er Jahre noch 10.000 verkaufte Exemplare, bei einem Verkaufspreis von DM 29,80. Heute erreichen wir mit Titeln von Bilal gerade noch ein Drittel davon, das heißt, die Fixkosten verlagern sich auf deutlich weniger Exemplare.

 

KA: Die Comicalben sind doch aber auch deutlich teurer geworden. Oder kostet ein Titel von Bilal heute nicht € 25,–?

AW: Ja, der Preis stimmt. Ich finde es aber aufgrund der Kaufkraftentwicklung schwierig, das so zu sehen, auch wenn ich manchmal selber so ein Gefühl habe. Ich hinterfrage dann, ob es daran liegt, dass ich selber schon etwas älter geworden bin … Irgendwann kam ich darauf, einen Vergleichswert zu suchen. Da wir mit den Buchhandelscomics immer in Preiskonkurrenz zu den Pressecomics standen, habe ich mir die stabilste und stärkste Comicserie im Pressemarkt, die Lustigen Taschenbücher, als Preisvergleich ausgesucht. Die Preisfindung der Lustigen Taschenbücher – oder kurz gesagt ›LTB‹ – orientiert sich aufgrund der Größe des Marktes und des Verlags direkt an der Kaufkraft und den Möglichkeiten der Kunden und führt zu einem optimalen Preis-Absatzverhältnis. Ich war erstaunt, dass die Bilal-Alben seit über zwei Jahrzehnten konstant um den Faktor 4,6 über den LTB-Preisen liegen und das bei drastisch sinkenden Verkaufszahlen der Alben. Auch die Softcoveralben liegen um einen Faktor von knapp über 2 relativ konstant im Preis. Eine Verteuerung der Albenpreise im Vergleich zum Gesamtcomicmarkt konnte ich daher nicht erkennen, obwohl diese aufgrund der kleineren Auflagen meist keinen oder einen deutlich geringeren Gewinn als damals abwerfen. Ich möchte den Preis als eine Ursache zwar nicht beiseiteschieben, er ist aber zumindest kein dominanter Grund. Das betrifft aber nicht die Problematik der Preisspanne vom Manga auf die Comicalben. Das wäre für mich ein separater Punkt.

 

KA: Wieviel größer war denn der Pressecomicmarkt damals?

AW: Wenn ich mich recht erinnere, hatte mir Klaus Mrositzki 1996/97 erzählt, dass der Pressecomicmarkt um DM 350 Millionen stark war, der Buchhandelscomicmarkt lag bei etwas über 10% davon. Unsere Welt war/ist ganz schön klein, das sollten wir nie vergessen.

 

KA: Du sprachst von den sinkenden Absatzzahlen, es ist doch aber natürlich, dass Serien einen Lebenszyklus durchlaufen und die Abverkäufe schwächer werden. Werner hatte doch auch einmal einige Hunderttausend verkaufte Exemplare. Irgendwann ist das Thema eben durch. Wo war oder ist dann das Problem?

AW: Das Problem war meines Erachtens, dass kaum starke Titel hinterherkamen. Ein Titel mit 120.000 verkauften Exemplaren entspricht zudem umsatztechnisch nicht nur 20 Alben mit je 6.000 Exemplaren, die sogenannten Deckungsbeiträge sind bei einem Bestseller viel höher. Denn bei einem Bestseller brauchst du anstatt von zwanzig nur eine Übersetzung, ein Lettering, einen Druckvorgang. Im Rahmen der Buchpreisbindung und der dadurch ermöglichten Mischkalkulation kommt der Ertrag eines Titels auch dem gesamten Programm zu Gute. Es gibt die Faustformel, dass von zehn Buchprojekten eines richtig erfolgreich wird, was dann die anderen mitträgt. Irgendwie funktionierte diese Faustformel nicht mehr so richtig …

 

KA: Habt ihr es vielleicht versäumt, rechtzeitig neue erfolgreiche Serien aufzubauen?

AW: Mmh, vielleicht können wir später noch einmal dazu kommen, das ist ja genau der Punkt. Ich könnte nun sagen, wir haben uns redlich bemüht, und Du sagst dann wohl »Mangelhaft, setzen!«, oder?

 

KA: Hahaha! Nein, das würde ich bestimmt nicht sagen.

AW: Das beruhigt mich. Tatsächlich standen wir bis 1999 mit dem Rücken zur Wand. Wenn man weiß, dass die Cash Cows nicht mehr lange gemolken werden können, dann gerät man ziemlich ins Schwitzen … und ich weiß, dass wir alles versucht haben, den Comicmarkt auf gesunde Beine zu stellen, und das schließt Carlsen mit ein.

Mein Gedanke ist, dass es vielleicht an der Titel- oder Marktstruktur liegt. Ich kann mich auch täuschen, und wenn Du einmal eine bessere Erklärung erzählt bekommst, würde ich mich freuen diese zu erfahren. Doch wenn wir uns anschauen, was die Cash Cows bei Egmont waren oder teilweise auch noch sind, dann landen wir bei Asterix, Disney, Lucky Luke. Das Joe Bar Team lassen wir mal außen vor. Diese Themen wurden und werden im Mainstream, im Pressegrosso gespielt. Daneben gab es viele andere Serien im Comicmarkt wie Storm, Blueberry, Isnogud, Spirou und Fantasio, das Marsupilami, der Rote Korsar etc., die sich im Mittelfeld und besser aufhielten. Diese Titel erschienen ursprünglich aber auch im Pressegrosso. Das heißt, der Buchhandelscomic griff auf einen bestehenden großen Pool an potentiellen Lesern zurück. Als Drittes gab es dann den neu aufgebauten Block, ein Teil davon waren beispielsweise die ›Erwachsenencomics‹, die ebenfalls einen Bekanntheitsgrad hatten. Wenn der zweite Block abgefeiert ist und im ersten die Cash Cows weniger Milch abgeben, da die langen Serien abgeschlossen wurden, gibt es ein Problem, und zwar ein echt großes. Denn der dritte Block ist nicht in der Lage, so viele erfolgreiche Titel zu generieren, um die anderen beiden Blöcke aufzufangen, und wer fängt zudem mögliche Verluste des dritten Blocks auf? Die logische Folgerung ist ein massives Schrumpfen des Marktes, da Großverlage neue Titel nicht gut mit Nachdruckauflagen kalkulieren können.

Wohlgemerkt, der Buchhandelscomic kann durchaus selbst große Themen lancieren, Joe Bar aus dieser Zeit ist ein Beispiel, der erste Band verkaufte sich damals über 100.000 Mal. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine kritische Masse gehalten werden kann oder nicht, mit der ein Verlag auch überleben kann.

 

KA: Wie war das nun noch mit der Depression? Wie ging es weiter?

AW: Nun, in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre fingen also die Schwierigkeiten an: Der Comicalbenmarkt stagnierte und wurde später immer schwächer. Einige Zeit konnten wir das im Buchhandel kompensieren, wenn zum Beispiel das Marsupilami von Carlsen gerade nicht lief, wurde der Umsatz durch die Asterix Mundart-Reihe von Egmont erzielt, doch die Schwierigkeiten nahmen zu und es gab ernste Absatzschwierigkeiten. Die Lager der Verlage wurden teilweise geräumt und es konnten bereits Titel ein Jahr nach Erscheinen günstig im modernen Antiquariat, zum Beispiel bei Zweitausendeins, gekauft werden. Was dann folgte, war für mich wie eine Deflation. Die Kunden kauften die preisreduzierten Bände und immer weniger die Neuerscheinungen zum regulären Preis. Teilweise hielt die Überzeugung Einzug, dass man später den Comic billiger bekommt. Das führte zu sinkenden Abverkäufen bei den Neuerscheinungen, auch später, als das Ramschen bereits reduziert wurde. Aus dem Abschwung, der normalerweise zu einer Korrektur des Ausstoßes an Neuerscheinungen führt, wurde quasi eine Depression. Weniger Titel am Markt führten nicht zwangsläufig zu höheren Abverkäufen. Als nächstes folgten vereinzelt Preisanpassungen, da die Kosten sich nun auf weniger Verkäufe verteilen mussten. Eine verständliche aber fatale Signalwirkung war das. In der Folge verringerten sich die Verkäufe noch mehr. Daraufhin erschienen immer weniger Titel, da sich das einfach nicht mehr rechnete. Nun könnte man sagen, wir haben damals eine zu hohe Produktionskapazität abgebaut, aber irgendwie scheinen da auch Leser abgebaut worden zu sein. Im Ergebnis reduzierte sich der feste, treue Kern an Lesern des frankobelgischen Comicalbums meinem Gefühl nach von 5.000 bis 6.000 Lesern auf 2.000 Leser – Asterix, Tim und Struppi etc. mal außen vor. Natürlich verkaufen sich einige Alben besser, aber andere eben auch deutlich schlechter, viele Titel liegen auch heute noch zwischen 1.000 und 1.500 verkauften Exemplaren. Bei über 90 Millionen deutschsprachigen Bürgern kann man sich dann als ›Auserwählter‹ fühlen. Als der Buchhandel die Präsentationsflächen für das für sie untypische A4-Comicformat Ende der 1990er Jahre reduzierte beziehungsweise abbaute, war es das dann. Wir haben damals einen Großteil der treuen Leserschaft verloren und die kamen nicht wieder. Ich frage mich bis heute, was da genau geschehen ist. Gefühlsmäßig war das wie ein Generationswechsel mit Lesern, die um die dreißig Jahre alt waren.

Der Comicalbenmarkt ist – abgesehen von den Cash Cows – auch heute noch im Wesentlichen ein ›geschlossener Markt‹ mit wenig neuen Kunden. Das bedeutet heute, dass die schönen Alben des Splitter Verlags sich meist im Fachbuchhandel und nicht in der Breite des Buchhandels finden lassen. Auch aus diesem Grund gibt es heute die Graphic Novel, die passt vom Format in jede Buchhandlung, genau wie Manga, ohne dass umgebaut werden muss. Aber auch jenseits davon engagieren sich kleinere Verlage wie Reprodukt, mit wirklich schönen Comicprojekten, den Buchhandel neu zu erobern.

In dieser Umbruchphase zur Jahrtausendwende konnte sich der Fachhandel glücklicherweise an einem Revival der Comichefte erfreuen. Für den Buchhandel war das aber leider nichts. An den Manga, die perspektivisch junge Leser in den Markt bringen konnten, bissen sich die Verlage noch bis 1999 die Zähne aus. Ghost in the Shell verkaufte zwar 5.000 Exemplare und Akira war nicht nur inhaltlich, sondern auch umsatztechnisch klasse, beide bedienten aber im Kern eine frankobelgische Comicleserschaft. Außerdem gab es damals nicht so viel Taschengeld, dass man mal eben für 19 Bände Akira DM 600 über die Kassentheke schieben konnte. Da war ja selbst meine Wohnungsmonatsmiete niedriger.

 

KA: Aber Ende der 1990er Jahre gelang den Manga ja bekanntlich der Durchbruch. Was war deiner Meinung nach der Grund dafür und wie wirkte sich der Erfolg der Manga schließlich auf den Comicmarkt aus? Außerdem wolltest du mir noch genauer erklären, was es mit den Ressentiments der Comicleute gegenüber den Mangaleuten – und umgekehrt – auf sich hat.

AW: Alles begann mit den Manga-Taschenbüchern. Das war wirklich ein Millenniumsgeschenk. Sowohl Carlsen als auch Egmont publizierten vermehrt ab Mitte der 1990er Jahre Manga, anfänglich im A5-Format meist zum Preis von DM 16,80 bis 24,80 und in westlicher Leserichtung. Kalkulatorisch war bei den zu erwartenden Verkäufen ein niedrigerer Preis nicht durchzusetzen, und so schlecht liefen diese Titel auch gar nicht. Ghost in the Shell und Akira hatte ich schon erwähnt, für Gun Smith Cats, Ranma ½, lagen die Verkäufe so um die 4.500 bis 5.000 Exemplare. Wir erreichten damit aber nicht die jüngere Zielgruppe, die wir perspektivisch zur dringend benötigten Ausweitung des Comicmarktes brauchten.

Niemand traute sich nach den Erfahrungen mit den frankobelgischen Pocketcomics, dem Magazin Manga Power– wir hatten die Auflage 1996 auf unter 5.000 gesenkt – und den bereits erschienenen Manga noch mehr Geld zu versenken, um vielleicht eine neue Leserschaft gewinnen zu können, von der wir nur ahnten, dass es sie auch für den Buchhandelscomic gibt. Vergegenwärtigen wir uns, dass die Mädchen damals überwiegend Wendy-Comics lasen und sich dann meist mit Beginn der Pubertät vom Presse-Comicmarkt entfernten. Im Buchhandelscomicmarkt tauchte die Gruppe der Mädchen gar nicht auf.

 

KA: Das kommt mir irgendwie bekannt vor … bei mir war es tatsächlich genau so.

AW: Andreas C. Knigge, damals Cheflektor bei Carlsen, lancierte kurz vor seinem Abschied bei Carlsen die Antwort auf das Problem mit den Manga, die dann später auch das Problem mit dem jungen weiblichen Zielpublikum lösen sollte. Damit veränderte er den deutschen Comicmarkt – und rettete unsere Jobs. Ohne vernünftige Kalkulation geht es nicht, aber manchmal braucht es auch eine geniale Eingebung oder Eier in der Hose – das gilt für beide Geschlechter. Ende 1997 erschien bei Carlsen Dragon Ballim Taschenbuchformat für sage und schreibe nur DM 9,95. Das Ding wurde auch noch verkehrt herum publiziert, ich dachte anfänglich, Knigge will Carlsen ärgern. Wie sich später erweisen sollte, hatte er aber den richtigen Riecher. Da Carlsen keine halben Sachen macht, wurde der Handel gleich mit Displays à 80 Exemplaren von Dragon Ball beglückt, plus Folgelieferungen in den Monaten danach. Das floppte in der Breite des Buchhandels. Im Fachbuchhandel krallte sich Dragon Balljedoch fest und konnte sich entwickeln. Das war durchaus eine Zeitenwende im deutschen Comicmarkt. Eine ausgemachte neue junge Zielgruppe, ein neues Format und ein Preisniveau, das zwischen den Presse- und den Buchhandelscomics lag, das heißt Faktor 1,5 zum Preis der Lustigen Taschenbücher. Hatten wir kurz vorher noch Bedenken, wie es zur Jahrtausendwende aussehen wird, kam nun Hoffnung auf.

Mit einem Verweis auf die Machbarkeit von Carlsens Dragon Ball-Ausgabe konnten wir Klaus M. Mrositzki nun überzeugen – nach dem Motto ›Was die in Hamburg können, können wir schon lange!‹ – eine Mangaserie im Taschenbuch für DM 9,95 zu publizieren. Natürlich unter der Zusicherung, bei dem Preis nicht unter 10.000 Exemplare zu verkaufen. Heute liegen die Auflagen aufgrund des immensen Titelangebots in der Regel häufig niedriger.

Ein Jahr zuvor erschienen bei Ehapa im Pressebereich drei Sailor Moon-Hefte, die gefloppt waren. Die Sailor Moon-Zeichentrickserie wechselte dann vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu RTL 2, und eine sehr mutige Redakteurin bei Ehapa Presse setzte alles daran – insbesondere ihr Renommee –, die Hefte nochmals neu raus zu bringen. Diesmal war es ein durchschlagender Erfolg, und Sailor Moon erreichte Auflagen von mehreren hunderttausend Exemplaren am Kiosk.

Es liegt nahe, dass wir die beiden ungewöhnlich mutigen Entscheidungen, den Presse-Relaunch eines erfolglosen Titels und das Dragon Ball-Format, kombinierten, um damit den ersten großen Mangaerfolg im deutschsprachigem Raum mit über zwei Millionen verkauften Exemplaren auszulösen. Carlsen war verständlicherweise anfänglich etwas verschnupft, doch die deutlich längere Dragon Ball-Serie verkaufte später sogar ein paar Millionen Exemplare mehr. Viel entscheidender war jedoch, dass wir nun die richtige Produktformel hatten, um weitere Serien und sogar eine ganze Mangawelt aufbauen zu können. Innerhalb ganz kurzer Zeit gelang es den beiden Verlagen flächendeckend, den Buchhandel als Anbieter zu gewinnen und viele hundert Mangasäulen zu implementieren. Teens, die bisher selten eine Buchhandlung aufgesucht hatten, waren nun ständige Kunden einer Buchhandlung. In Kombination mit Carlsens Harry Potter war das auch der Beginn einer tollen Zeit für den Buchhandel mit vielen neuen Kunden.

Der Manga führte auch zu einer Änderung in der Kundenstruktur. Diese war jetzt nicht nur deutlich jünger, sondern auch zur Hälfte weiblich. Der Buchhandelscomicmarkt war bis dahin männlich dominiert. Wer damals zum Beispiel die Kölner Comicbörse besucht hat, der weiß, was ich meine. Wenn Du damals in einer Buchhandlung vor einer Comicwand gestanden hast, begegneten dir vorwiegend, wohl um die 80%, männliche Themen. Es war wirklich schwierig für Mädchen oder Frauen, etwas zu finden, was einem gefallen könnte. Daher bin ich heute froh, wie sich der Markt entwickelt hat, er ist nicht nur größer, sondern auch deutlich vielseitiger geworden.

 

KA: Das heißt, zur Jahrtausendwende habt ihr den Markt umgestellt und der Fokus lag nun auf den Manga?

AW: Ja, das stimmt. Es haben sich neben den bestehenden auch neue, kleinere Verlage gegründet, die in die Bresche der Comicalben gesprungen sind und diesen nun auch mit Leben füllen, mit einer Kostenstruktur, die Kleinauflagen erst möglich macht. Für die großen Verlage muss man sagen, dass seit der Jahrtausendwende viele Comicalben und Projekte sowie die Fantasy-Offensive damals bei Carlsen ohne den Mangaerfolg überhaupt nicht machbar gewesen wären. Der Aufbau von Graphic Novels wäre wiederum ohne das Know-how eines Comicprogramms schwierig gewesen. Alles hängt zusammen, so dass es betrüblich ist, wenn Comicleser über den Mangabereich und Mangaleser über die ›Alten‹ aus dem Comicbereich lästern. Für beide gemeinsam trifft manchmal zu, dass wiederum Graphic Novels überhaupt nicht gehen. Schon der Begriff ruft bei manchen Aversionen hervor. Teile und herrsche! Nur frage ich mich, wer profitiert davon? Der Philologenverband? Das ist doch alles Quatsch.

Einzeln wird jeder der Bereiche irgendwann Federn lassen. Nachvollziehbar ist, dass die Comicleser sich zurückgesetzt fühlen, doch ich erinnere daran, dass in den 1990er Jahren zum Teil Nachdrucke erst ab 2000 Exemplaren in Auftrag gegeben wurden. Manchmal denke ich scherzhaft – und das gilt auch schon für einige Mangatitel –, wenn Kunden sich beschweren, dass ein Band nicht mehr lieferbar ist: Wir sollten denen, anstatt nachzudrucken, gleich Geld in Hand drücken, das käme die Verlage eindeutig preiswerter.

Für alle Beteiligten gilt doch: Leben und leben lassen. Kein 40-jähriger Mann ist gezwungen, einen Manga für die Zielgruppe ›weiblich, 14 Jahre‹ zu lesen. Kein Teen sollte, wenn Unterhaltung gewünscht wird, einen Kunstcomic verdauen müssen. Fragen sollten wir uns aber schon, ob wir uns nicht schon viel zu lange mit den Ressentiments arrangiert haben. Ich erinnere mich, dass ich bereits vor vielen Jahren kopfschüttelnd aus Erlangen abreiste. Der Manga, der viele Jobs in der Comicbranche sicherte und den meisten Umsatz erwirtschaftete, fand damals de facto abseits des Salons statt. Um wie viel reicher könnte der Salon sein, wenn die Kreativität und Begeisterung auch dieser Spielart des Comics einen angemessenen, zentralen Platz auf dem Salon hätte.

Einige Händler haben mir erzählt, dass seit ein, zwei Jahren vermehrt Mädels, die Manga lesen, auf einmal auch die Heftserien von Panini kaufen. Da findet also tatsächlich eine Vermischung statt. Ich finde, das ist eine spannende Beobachtung, dass eine Marktabschottung beginnt, sich etwas aufzulösen. Und richtig schön wäre es, wenn der Salon in Erlangen es schaffen könnte, dass – egal welche Art von Comic die oder der Einzelne nun bevorzugt – wir alle in 2016 gemeinsam eine Riesenparty feiern könnten.


Die weiteren Interviews zum Thema im Überblick

Teil 1: Melanie Schober (Mangazeichnerin aus Österreich; aktuelle Mangaserie Skull Party, Carlsen)
Teil 2: Andreas Wiedemann (Verlagsvertreter für den Comic- und Bahnhofsbuchhandel, Egmont)
Teil 3: Hella von Sinnen (deutsche Komikerin; Moderation der Max-und-Moritz-Preisverleihungsgala seit 2010)


Weiterführende Links:

Mehr über ALFONZ - Der Comicreporter Nr. 4/2014.

Videomitschnitt der Preisverleihung des Max-und-Moritz- Preises 2014 auf Splashcomics.de.

Der Erlanger Entschuldigungsbrief im Comicforum.