Panini im Frühjahr 2021 - Interview zum Programm

Der »Lockdown light« hält nicht vom Veröffentlichen und Lesen neuer Comics ab. Seit vergangenem Freitag ist das neue Panini-Programm publik. Wir haben die Zeit genutzt und uns mit Sales-Manager Alexander Bubenheimer darüber unterhalten. Ein Gespräch über das Arbeiten im Homeoffice, die Verschiebungen von Kinostarts, über alte Bekannte, Neuentdeckungen und über Deadpools Kochkünste.

Böse Buben, Startpakete und
Promis aus Film, TV und Musik

Hallo Alex, zuletzt haben wir uns Ende April unterhalten. Da waren die Leipziger Buchmesse und der Comic-Salon in Erlangen bereits abgesagt. Etwas mehr als ein halbes Jahr später sind wir beim »Lockdown light« angelangt. Wie ist es seit unserem letzten Gespräch für euch gelaufen? Was hat das Coronavirus verändert? Und wie habt ihr die Herausforderungen gemeistert?

Hallo Falk, da wir eh viel »technisch« arbeiten, also mit Computer und Telefon, kommen wir in einer Mischung aus Präsenz und Homeoffice sehr gut klar. Dafür muss man heutzutage dankbar sein. Aber da wir nicht auf einer Insel sitzen, hat die Pandemie natürlich auch geschäftliche Auswirkungen auf uns. Auch wenn der aktuelle »Lockdown light« vorwiegend auf die Gastronomie und Eventbranchen abzielt, sorgt das für weniger Interesse, in die Städte zu gehen. Klar, das dient der Eindämmung, aber natürlich schmerzt es sehr, wenn sich engagierte Händler fragen müssen, ob es ihren Laden in einem Jahr noch gibt. Ja, wir können das auf der Online-Seite kompensieren, aber froh macht uns das ganz sicher nicht.

In unserem letzten Interview hast du Comicverfilmungen als »wichtige Impulsgeber für die Superheldencomics« benannt. Die Starttermine diverser Adaptionen waren da bereits zum ersten Mal verschoben, die von euch dazu geplanten Comics ebenso. Für den Rest des Jahres sieht es nicht viel besser aus. Eventuell startet Wonder Woman 1984 noch im Dezember, ansonsten herrscht seit Beginn der Pandemie in puncto Leinwandheldinnen Flaute. Auch in eurem Programm finden sich mit Shang-Chi und Wanda & Vision nur zwei Neuerscheinungen zu anstehenden Adaptionen. Wie stark wirkt sich die Abwesenheit der Capeträgerinnen und Spandexträger auf eure Verkaufszahlen aus? Und wie spontan könntet ihr reagieren, falls verschobene Kinostarts wider Erwarten doch noch vorgezogen werden sollten?

Es ist wohl leider eher unwahrscheinlich, dass wir überrascht werden, indem Filme vorgezogen würden – mittlerweile muss man sich ja schon Sorgen machen, ob im nächsten Jahr noch genügend Kinos existieren! Aber wenn, wäre das kein Problem, weil die Bände in der Regel fertig sind und »nur noch« gedruckt werden müssen. In der Tat aber hat das Auswirkungen auf unsere Verkäufe, vorwiegend auf Marvel und vorwiegend im Buchhandel, also im Bereich derjenigen Käufer, die eher spontan durch die starken Kinofilme auf die Comics aufmerksam werden. In der Hoffnung, dass aufgeschoben nicht aufgehoben ist, sollten sich diese Verkäufe aber später realisieren lassen.
Die anderen Bereiche, also DC mit den Impulsen vom Black Label und dem Oscar für Joker, Comics mit den TV-Adaptionen bei Locke & Key, The Boys, The Witcher und Star Wars sowie Manga mit Pokémon, Plunderer und Berserk laufen entweder gleich oder sogar besser als im vergangenen Jahr.

Statt auf neue Verfilmungen setzt ihr auf alte Bekannte: Batman, Superman, Spider-Man usw. Hier erscheinen mir gleich mehrere Novitäten erwähnenswert. Zum einen kommen die bösen Buben groß raus. Batmans ewiger Widersacher hat es nicht nur fies grinsend auf das Cover eurer Superhelden-Vorschau geschafft, der Joker ist auch gleich mit vier eigenständigen Comics im neuen Programm vertreten. War dieser Schwerpunkt schon länger geplant oder ist er aus der (Corona-)Not geboren? Und was ist vom Bösewicht, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, zu erwarten?

Nein, das ist kein speziell geplanter Schwerpunkt – DC hat hier halt einen ordentlichen Output. Was uns freut, denn der Joker ist nun mal bei den Fans ungeheuer beliebt. Dass er hier gleich mehrere hochkarätige Comics bestreitet (und im Heft-Bereich zudem der Joker War ansteht, der bei den Paperbacks von Sonderbänden unterstützt wird), freut uns – hey, Jeff Lemire am Joker, wer will das nicht lesen? Und Thorsten Kleinheinz, unser DC-Dompteur, freut sich schon auf Die drei Joker, weil das Team Johns/Fabok hier eine verblüffend durchdachte Geschichte entwickelt hat, die zudem optisch umwerfend aussieht.

Auch der aus Watchmen bekannte Walter Joseph Kovacs alias Rorschach bekommt einen eigenen Comic. Mit Ablegern eines solchen Meilensteins der Neunten Kunst ist das ja immer so eine Sache. Die einen lehnen Auskopplungen und Fortschreibungen kategorisch ab. Andere trauen auch Szenaristen, die nicht Alan Moore heißen, etwas zu. Die Kritiken zu Geoff Johns' Doomsday Clock und Damon Lindelofs Watchmen-Fernsehserie waren zumindest überwiegend positiv. Und mit Tom King zeichnet ein Könner seines Fachs für die Szenarios von Rorschach verantwortlich. Wie stehst du zu dem Thema? Und worum wird es in Rohrschach gehen? Spielt die Geschichte vor, nach oder gar während der Ereignisse in Watchmen?

Ich finde Vorverurteilungen sinnlos verschwendete Lebenszeit und schaue mir Sachen einfach erst mal an, um mir eine eigene Meinung zu bilden. Bei Before Watchmen bin ich damit bei den meisten Bänden gut gefahren, und die TV-Serie war … anders, positiv gemeint. Keine Fortsetzung ändert etwas daran, dass Watchmen ein Meisterwerk ist. Wenn sie nichts zum Mythos beitragen kann, wird sie in Vergessenheit geraten; wenn sie mir nicht gefällt, kann ich aufhören zu lesen. Aber kann man nicht finden, dass Anthony Horowitz genauso gute Sherlock-Holmes-Romane schreibt wie Conan Doyle? Oder, um bei Comics zu bleiben, sind die aktuellen Lucky-Luke-Alben nicht besser als alles, was seit dem letzten Goscinny-Band kam? Aber klar, das ist ein schwieriger Fall und ich kann nachvollziehen, warum man hier Fortsetzungen ablehnt. Wenn man sich aber drauf einlassen will, und ehrlicherweise denke ich, man sollte: Der neue Rorschach spielt etwa fünf Jahre nach der TV-Serie, die ihrerseits 30 Jahre nach Watchmen angesiedelt ist. Die aktuelle Situation in den USA zeigt ja, dass es eine reale, gegen die Demokratie gerichtete Gefahr gibt, und hier schlüpft ein neuer Rorschach hinter die Maske – da finde ich es gut, wenn ein Mythos genutzt wird, um allegorisch etwas über unsere Gegenwart zu erzählen.

Bei den good guys kämpfen unter anderem Superman gegen Muhammad Ali und die X-Men in House of X & Powers of X, was jedoch in beiden Fällen nichts Neues ist. Neu ist hingegen die Strange Academy. Was verbirgt sich hinter dem Comic, den ihr als »Fantasy für Fans von Harry Potter und The Magicians« ankündigt?

Die Zusammenfassung trifft es bereits ganz gut. Skottie Young schreibt hier sehr inspiriert und abwechslungsreich, so konstant gut wie bisher bei keiner anderen Serie, und Humberto Ramos hat seinen Koloristen von der Leine gelassen. Die Werbung gruppiert so etwas heutzutage unter »All Age« ein, und das ist es auch: spannender Stoff für Teenager genauso wie alte Marvel-Hasen. Ganz klar ein Favorit, auch wenn unser Marvel-Mastermind Fabio Cunetto sich noch mehr für Shang-Chi begeistert. Aber da will ich im Gegensatz zu ihm nicht drüber reden, denn bei allem rund um Kung Fu Fighting hab ich sonst gleich wieder einen Ohrwurm … Oh, zu spät.

Strange Academy richtet sich an eine jüngere Leserschaft. Zeit, einen Blick auf euer Kinder- und Jugendprogramm zu richten. Hier interessiert mich vor allem, wie sich die Comics aus der Panini-Ink-Sparte entwickelt haben. In unserem Gespräch im Frühjahr warst du mit den Zahlen zwar zufrieden, hattest dir aber mehr erwartet. Wie haben sich die Zahlen seither entwickelt? Gibt es einen oder mehrere Comics, die sich positiv oder negativ vom Rest abheben? Und worauf können sich die jungen Leserinnen und Leser im ersten Halbjahr 2021 freuen?

Under the Moon: Eine Catwoman-Geschichte ist richtig gut, braucht aber noch Leser, daher: Schaut es euch an!
Ansonsten ist Swamp Kid der abverkaufsstärkste Panini-Kids-Titel mit Superhelden-Hintergrund, Harley: Breaking Glass – jetzt kracht’s! bei den Panini-Ink-Titeln und im Bereich von Mein erster Comic schieben sich die Miraculous-Bände unaufhaltsam nach vorne. Aber das alte Fazit bleibt bestehen: Wir bräuchten hier mehr Sortimentsflächen, und da stellt uns Corona ein Bein. Die etwas Älteren unter den jungen Leserinnen und Lesern können sich gemeinsam mit Ink-Intendantin Julia Mark insbesondere auf die Coming-out-Geschichte Zeig mir das Meer freuen – da sollten auch alle anderen Comicleser, egal ob jung oder alt, ob Superheldenfan oder nicht, reinschauen, denn es handelt sich um das neue Werk von Julie Blau ist eine warme Farbe Maroh.

Bevor wir zu den Comics und Manga wechseln, noch eine abschließende Frage zu den Heroen der DC- und Marvel-Universen. Zwei kuriose Neuerscheinungen, die diese Welten ganz am Rande streifen, präsentiert ihr in eurem Belletristik-Programm. Dort wird es kulinarisch. Mit den Büchern Kochen mit Deadpool und Marvel Eat the Universe: Das offizielle Kochbuch können Comicfans Rezepte ihrer Helden ausprobieren. Hast du dich selbst schon daran versucht? Und sind Deadpools Lieblingsgerichte wie beispielsweise »Crêpes des Zorns« einfach nur böse Späße oder ernst gemeint und tatsächlich genießbar?

Ha! Ich bin definitiv ein guter Esser, aber ein wirklich fauler Koch. Mit guten Kochbüchern gelingen aber auch mir Sachen (inklusive einer massiven Verwüstung der Küche) – und da wir unsere Kochbücher nicht einfach übersetzen, sondern tatsächlich unser Chefredakteur Jo Löffler querbeet probekocht (Chef-Red = Chef-Koch, quasi systemimmanent), sollte ich auf der sicheren Seite sein. Die Gerichte sind natürlich ernst gemeint, wenngleich manchmal exotisch, nur die Namen sind lustig – aber charakterkonform. Wobei mir jetzt auffällt … Jo, warum teilst du uns eigentlich immer nur das Ergebnis mit, lässt uns aber viel zu selten probieren? Skandal!

Wechseln wir von den Heroen für die Kleinen zu den Comics für die Großen. Täuscht mein Eindruck oder wird die Zahl an originären und neuen Stoffen hier kleiner? TV-, Computerspiel- und Roman-Adaptionen wie Chilling Adventures of Sabrina und Riverdale, wie Cyberpunk 2077 und Assassin's Creed, wie The Witcher und eine Graphic Novel über George Orwells Farm der Tiere nehmen viel Raum ein. Es gibt eine Neuauflage der Löwen von Bagdad und Jeff Lemires Sweet Tooth bekommt eine Deluxe Edition. Zudem erzählen Comics das Leben von Marylin Monroe, die Bandgeschichte von Metallica und von den Sex Pistols nach. Verkauft sich aus anderen Medien Bekanntes schlicht besser als neue Geschichten?

Hossa! Ich brauche beide Hände, um die neuen Stoffe aufzuzählen. Insofern: Nein, da sprechen wir gleich noch mal drüber. Aber vorneweg: Klar, wenn etwas aus anderen Medien bekannt ist, hilft das schon. Spricht ja aber nix dagegen, denn so erhält Sweet Tooth ein neues Leben durch die Serien-Adaption, und das ist brillanter originärer Stoff. Die Löwen von Bagdad sind auch so gut, die müssen wir wieder lieferbar machen. Und klar, Die Farm der Tiere ist ein Literaturklassiker, aber schau dir mal die grafische Umsetzung an! Nein, ich denke, wir haben hier ein Füllhorn an Stoffen für Fans von Serien, Spielen, Romanen oder Bands, von denen einige wie die Riverdale-Sachen oder Cyberpunk einschlagen werden, aber gleichzeitig sind wir so breit aufgestellt wie schon lange nicht mehr, denn wir haben wirklich viele neue Sachen in diesem Programm.

Die neuen Stoffe in dieser Sparte wollen wir natürlich nicht verschweigen. Mit Sentient, Eve of Extinction, The Resistance und White Sands, dem Comicdebüt des Fantasy-Autors Brandon Sanderson, habt ihr für Science-Fiction-, Horror- und Fantasy-Fans einiges im Angebot. Eve of Extinction und The Resistance erscheinen in diesen Krisenzeiten zudem erschreckend aktuell ...

Ja, sind sie. Hoffen wir, dass unsere reale Welt sich fängt – neben Donald Trump verblasst ja fast das Horror-Level der Joe Hill-Comics. Aber das zeigt sehr schön die Bandbreite auf, die wir aktuell vorlegen, von neuem Stoff wie Jeff Lemire mit Sentinent bis hin zu den britischen Klassikern wie Button Man.

Noch recht neu ist zudem der 2017 gegründete Verlag TKO Studios, von dem ihr neben Sentient und Eve of Extinction auch Garth Ennis' Sara im Programm habt. Wenn ich richtig informiert bin, verkauft TKO seine Comics in den USA direkt an Kunden und Comicshops, ohne den Weg über einen klassischen Vertrieb zu gehen. Wie ist die Zusammenarbeit mit TKO zustande gekommen? Und habt ihr bereits weitere Comics für Veröffentlichungen im Auge?

Sie hatten interessante Titel und wir wollten sie haben – klassisches Lizenzgeschäft, das hat mit deren Geschäftsmodell in den USA nichts zu tun. Wir haben hier die drei Highlights aus dem verfügbaren Programm eingekauft, ob mehr folgt, hängt davon ab, was bei ihnen noch kommen wird. Alle drei aber lohnen sich sehr: Ein Weltraum-Hammer von Jeff Lemire und Gabriel Walta (2001 trifft Herr der Fliegen), ein russisches ScharfschützINNEN-Kommando im Zweiten Weltkrieg von Garth Ennis und Steve Epting sowie ein Pandemie-Zombie-Thriller, der uns überrascht hat. Lesen!

Last but not least die Manga. Wenn ich nichts übersehen habe, startet hier allerdings nur Pokémon – Schwert und Schild neu. Wobei ihr natürlich genügend laufende Serien im Programm habt. Neu ist hingegen der »Starter-Spar-Pack«, den ihr von gleich zehn (!) bereits gestarteten Serien auf den Markt bringt. Die Pakete enthalten jeweils die zwei ersten Bände zum Sonderpreis. Wie kommt's? Laufen die Serien so schlecht, dass ihr ihnen mit diesen Einstiegspaketen auf die Sprünge helfen müsst?

Ich würde sagen, im Gegenteil … Starter-Packs sind in diversen Verlagsprogrammen etabliert und wir hatten vergangenes Jahr einen Testballon mit vier Packs gestartet – es sind nur noch wenige Reste da, die bis Weihnachten weg sind. Also rollen wir das breit aus – es ist ja ein Mittel, neuen Lesern die Schwellenangst zu nehmen, um neue Serien auszuprobieren. Ansonsten merke ich noch an, dass wir im kommenden Halbjahr gleich drei Serien abschließen, unter anderem die Century Boys. Manga-Managerin Rebecca Haar könnte jetzt betonen, dass Urasawa für diese Ausgabe das Ende überarbeitet hat, aber mal ehrlich: Muss dieser Manga-Meilenstein noch extra angepriesen werden?

Und nun zu guter Letzt die obligatorische Schlussfrage: Welche/r Titel liegen/liegt dir besonders am Herzen?

Definitiv immer die Frage, vor der ich mich fürchte. Danke, dass du den Plural verwendest! Farm der Tiere finde ich grafisch wahnsinnig wuchtig, die Joe Hill-Horrorcomics sind erfrischende Genre-Lektüre, Ennis (mit Sara und der Neuausgabe von Jimmys Bastarde) und Lemire (bei Joker: Killer Smile und mit Sentinent) kriegen mich immer. Button Man zieht mich in den Bann, und auch die schönen Neuausgaben von Swamp Thing und Northlanders begeistern mich. Strange Academy wartet auch meine Tochter schon gespannt darauf. Ich habe mich bisher nicht von Marvel-Magier Fabio spoilern lassen, was den Black Widow Neustart von Kelly Thompson betrifft – da hege ich hoffnungsfrohe Erwartungen.

[Die Fragen stellte Falk Straub]

Bei einigen Abbldungen handelt es sich noch um vorläufige Cover und/oder um Cover der Originalausgaben.
Copyrights der Abbildungen: © Panini 2020/2021 sowie die Originalverlage

Der komplette Überblick

Comics und Graphic Novels

Superhelden

*= Marvel-Must-Have

Belletristik / Graphic Novels für junge Leser und Kindercomics

Manga

*=Diamant und Perl
**= Starter-Spar-Pack