Illustrierte Deutsche Comic Geschichte: Interview

Abt: Staun'-Faktor 10

Der Bildschriftenverlag in Wort und Bild

Interview mit Siegmar Wansel

Seit 1986 erscheint im ComicZeit Verlag die Hardcover-Buchserie Illustrierte deutsche Comic Geschichte. Die von Siegmar Wansel herausgegebene Reihe ist ein bedeutendes Stück deutsche Comic-Sekundärliteratur. Inzwischen ist man bei Band 24 angelangt.

Die akribischen und mit viel Herz- und Sammlerblut gestalteten Nachschlagewerke beschäftigen sich mit deutschen Comic-Verlagen und den Comics, die von ihnen veröffentlicht wurden. Es begann mit dem Walter Lehning Verlag (11 Bände und ein Ergänzungsband). Danach folgten Mondial (2 Bände), Aller (1 Band), Ehapa (3 Bände) und der Alfons Semrau Verlag (3 Bände). Aktuell wird das umfangreiche Programm des Bildschriftenverlags behandelt (bisher vier Bände).

Wansel, einer der bekanntesten deutschen Comic-Sammler, stieß Mitte der 1970er Jahre zur Szene. Der heute 63 Jahre alte Comic-Experte stellte recht schnell fest, dass ihm das bloße Sammeln nicht reicht. So war es nur konsequent, dass der sich dem Handel mit Comics zuwandte und spätestens für die Illustrierte deutsche Comic Geschichte einen eigenen Verlag gründete. Der ComicZeit Verlag und der Versand sind seit 1986 für ihn ein Vollzeitjob.

Zur Publikation des neusten Bandes seiner beeindruckenden Reihe stellte Matthias Hofmann für CRON Siegmar Wansel einige Fragen.


Siegmar, im Oktober ist der aktuelle Band 24 der Illustrierten deutschen Comic Geschichte erschienen. Eine Wahnsinnsleistung! Hättest du damals gedacht, dass du überhaupt so weit kommen würdest?

Von der Idee bis zum ersten Band vergingen zirka sechs Jahre. Als das Konzept stand und alle Vorbereitungen für die Umsetzung dieser Reihe getroffen waren, ging der erste Band in Druck. Vor Drucklegung hatte ich Andrucke diverser Buchseiten einigen wenigen Comicsammlern gezeigt, um ihre Meinung dazu zu hören.

Die großen Augen und die Begeisterung werde ich nicht vergessen. In dieser Zeit, in der kaum eine farbige Titelseite eines antiquarischen Heftes irgendwo abgebildet war, gab es plötzlich Buchseiten, die prall gefüllt waren mit diesen farbigen Bildern der unterschiedlichsten Heftreihen.

Hinzu kam, dass von jeder vorgestellten Heftreihe alle Titel abgebildet waren mit Informationen und den sehr begehrten Titelauflistungen der Hefte, die auch noch mitgeliefert wurden. Sammlerwünsche auf Kunstdruckpapier in optimaler Qualität und leuchtenden Farben, die jeder besitzen wollte, aber kaum jemand schon in seiner Sammlung hatte und, die die wenigsten schon einmal gesehen hatten.

Diese Reaktionen hatten mich bestätigt und auch etwas ruhiger werden lassen. Ich war zwar sicher, dass die Reihe von starkem Interesse sein würde, aber waren die Sammler auch bereit diesen, für damalige Verhältnisse hohen Preis zu zahlen? Für ein seltenes antiquarisches Heft mal eben 200 DM auszugeben, kein Problem, fehlt ja noch in der Sammlung. Aber 48 DM für ein Buch mit Comic-Abbildungen und zur Hälfte Informationstext? Auch Fachleute aus der Branche gaben dem Projekt nur wenig Erfolgsaussicht wegen des Preises.

Die Feuerprobe gab es dann im Juni 1986 auf dem 2. Comic-Salon in Erlangen. Ohne Vorwerbung und auf 4 m² Standfläche mit farbigen Postern an den Wänden wurde der erste Band präsentiert. Ungläubiges Staunen beim Blättern in den Büchern und noch größere Augen bei der Verkündung des Preises. Am Ende hatten doch viele den ersten Band erworben und auch die Händler hatten auf Verdacht schon Exemplare mitgenommen oder geordert.

Aber es gab auch einige, die für eine größere Mehrheit sprachen. Auch sie waren von dem Projekt angetan, wollten aber erst kaufen, wenn etliche Ausgaben erschienen sind, damit sie einigermaßen sicher sein konnten, dass die Reihe auch weiter geht.

Dies war betrüblich, da eine solche Einstellung auch jedes andere erfolgsversprechende Projekt zu Fall bringen kann. Aber verstehen konnte ich es schon. In den 1980er Jahren starteten Verlage viele Comicreihen, die dann nach ein bis zwei Exemplaren eingestellt wurden. Das hatte viele Sammler genervt und enttäuscht.

In der Folgezeit stieg die Nachfrage nach meinen Büchern. Etwas Werbung und die Mundpropaganda sorgten für weiter ansteigende Abonnentenzahlen und auch bei den Händlern erhöhten sich die Stückzahlen.

Da die ersten Bücher noch weit von der Informationsmenge und dem weiterentwickelten Konzept der aktuellen Bände entfernt waren, gab es einen Erscheinungsrhythmus von drei Monaten, der auch eingehalten wurde, und nicht zuletzt die Skeptiker überzeugen sollte, aber eine Menge Produktionsstress bedeutete. Ich hatte Recht behalten, die Buchreihe lief und trug nicht nur die Kosten der Produktion.

Wie entstand eigentlich die Idee zu diesem Mammut-Projekt?

Ich erblickte an einem regnerischen Sonntag bei der Suche nach Lesestoff, Anfang der1970er Jahre, in der Bahnhofsbuchhandlung im Kölner Hauptbahnhof ein Exemplar der ganz frühen Comixene. Dort wurde gerade ein Preis für die Prinz Eisenherz-Ausgaben des Pollischansky Verlags verliehen. Dies war für mich der Wiedereinstieg in die Comics und die spärliche Szene dieser Zeit als Sammler. Das Sammeln meiner Kindheitslektüre war aber nicht alles, was ich wollte. Mir fehlten die Informationen über die Serien. Der erste Comic-Preiskatalog von Peter Orban war gerade auf dem Markt und veränderte das ganze Sammeln durch die erstmals festgesetzten Preise.

Die Auflistungen der Serien waren sehr hilfreich, da kaum schon jemand annähernd einen Überblick über die ganzen erschienenen Heftreihen hatte. Doch im Laufe der Jahre reichten mir diese Angaben nicht mehr.

Die Sachbücher zum Thema Comic, die bisher erschienen waren und mit wenigen Schwarzweiß-Abbildungen, aber jeder Menge Text, sprachen mich nicht an und genügten mir nicht. Mir fehlten die Abbildungen für einen besseren Bezug zum Geschriebenen.

Da ich bis dahin schon eine der größten Comicsammlungen zusammengetragen hatte, ohne die ein solches Projekt gar nicht möglich wäre, entwickelte sich die Idee für eine Buchreihe, die beides zusammenführte, Text und Bild.

Wie groß ist das Interesse an den neueren Bänden im Vergleich zu den ersten Ausgaben, die sich um das beliebte Sammlergebiet »Lehning Verlag« drehten?

Das die Buchreihe mit dem Lehning Verlag gestartet werden musste, versteht sich von selbst. Es war der Top-Verlag bei den Sammlern. Die Bücher lieferten den Sammlern die Informationen und Abbildungen, die sie noch benötigten, um ihre Suchlisten zu bestücken, und wie die Hefte aussahen, die sie noch haben wollten, sahen sie auch. Dies war sehr hilfreich bei der Suche der Fehlexemplare. Wenn die Bücher mit diesem Verlag nicht ihre Käufer gefunden hätten, dann mit keinem Verlag.

Foto links:
Siegmar Wansel im Jahre 1987

 

Die Verkäufe und Abonnentenzahlen gingen mit dem Abschluss des Lehning Verlags stark zurück. Dies war zu erwarten. Die verkaufte Menge reichte aber aus, um die Buchreihe weiterzuführen. Viele Abonnenten sind seit dem ersten Band auch noch heute dabei. Ebenso Archive, Bibliotheken, Museen u.a. Diese Abonnenten haben jetzt über 25 Jahre die Buchreihe am Leben erhalten.

Die Verkäufe sind weiter gesunken, aber seit einigen Jahren stabil. Ich musste hin und wieder mit einer Finanzspritze aus der Privatschatulle Unterstützung leisten. Dies leistet man nur, wenn so ein Projekt zur Herzensangelegenheit wurde.

Einen kleineren Aufschwung in den Verkaufszahlen gab es bei den Ehapa-Bänden. Micky Maus, Donald und Co. sind immer wieder für Überraschungen gut, bis heute.

Welche Schwierigkeiten gibt es bei dieser besonderen Buchreihe zu meistern?

Für mich die Kalkulation der Arbeit am nächsten Band. Die behandelten Heftreihen erfordern stark unterschiedliche Zeit zur Bearbeitung und Recherche. Dies lässt sich nur sehr schwer im Vorhinein abschätzen.

Bevor ein neuer Verlag angekündigt wird, mache ich eine Komplettauflistung der erschienenen Heftreihen. Dann schaue ich mir die Einzelhefte der Reihe an, ob sie für eine Reproduktion geeignet sind, und ob alle Hefte vorhanden sind. Sollten Hefte fehlen oder der Zustand nicht optimal sein, nehme ich Kontakt zu Sammlern auf, die mir diese Hefte für die Repros und für weitere Auflistungen zur Verfügung stellen.

Da für die Ankündigung eines neuen Verlags innerhalb meiner Buchreihe auch die Anzahl der dafür erforderlichen Bände mit angegeben werden soll, muss ich schon sehr früh den genauen Platzbedarf kalkulieren. Hierzu muss ich feststellen, wie viele Seiten notwendig sind für die Titelabbildungen, die Texte und Auflistungen und die Innenabbildungen. Es muss also schon früh entschieden werden, was genau in die Bücher hineinkommt. Bei der Arbeit und den Recherchen zu den einzelnen Heftreihen können dann zwar Änderungen vorgenommen werden, aber nur innerhalb der kalkulierten Seiten. In seltenen Fällen habe ich auch schon mal die Seitenanzahl leicht erhöht, um weitere wichtige Informationen, die sich noch ergeben haben, mit abdrucken zu können.

Früher kamen die Bände in relativ langweiligen bilderlosen Titelbildern heraus. Heutzutage hat sich das zum Glück geändert. Wieso nicht gleich von Anfang an?

Die Titelgestaltung der Buchreihe war ein schwieriges Thema. In den 1980er Jahren waren Comics noch nicht so gesellschaftsfähig wie sie es heute sind. Die großen Verlage Carlsen und Ehapa versuchten gerade ins Sortiment der Buchhandlungen aufgenommen zu werden, und die Akzeptanz der Comics in der Öffentlichkeit war noch sehr labil.

Angestrebt war eine auffällige aber seriös wirkende Aufmachung. Ich wollte vorrangig Bibliotheken, Archive und auch Museen ansprechen, wo der Preis nicht so eine große Rolle spielen würde. Bei den Comicsammlern war ich der Überzeugung, dass die vielen Bilder im inneren eine bildlose Gestaltung der Titelseite verschmerzen ließen.

Auch die rechtliche Seite spielte eine Rolle für eine Bildlizenz der Titelseite zahlen zu müssen. Bei einem Erscheinungsrhythmus von drei Monaten war genug Arbeit zu verrichten, und eine druckfertige bebilderte Titelseite hätte weiter Zeit und Nerven gekostet.

Man sollte nicht vergessen, dass zu dieser Zeit Photoshop und Co. noch nicht im Einsatz waren und die Fertigstellung einer Titelseite durch die Lithoanstalt einiges kosten würde. Dies hatte auch Einfluss auf das Konzept der Innenseiten. Auf der linken Seite die Texte (s/w) und rechts die Farbabbildungen. Dies führte zu einem günstigeren Druck, da jeder Druckbogen 4/1, also eine Seite vierfarbig und die Rückseite nur einfarbig bedruckt wurden.

Die Kosten in den Griff zu bekommen, ohne Kompromisse bei der Druckqualität zu machen, hatte Vorrang.

Die ersten Kostenkalkulationen hatten einen Verkaufspreis von zirka 80 DM ergeben, was überhaupt nicht möglich war. So war Kostenreduzierung angesagt. Dies führte auch dazu, dass ich so viel wie möglich von den Vorarbeiten übernahm, um diese Kosten zu reduzieren. Das war natürlich ein Lernprozess, bei dem mich meine Druckerei so stark unterstützte, dass ich mich schon wie ein angestellter Lehrling fühlte. Aber es hat die Kosten auf ein erträgliches Maß reduziert. Heute bekommt mein Drucker von mir ein Druck-PDF, was direkt auf die Druckplatte belichtet wird und die gelumbeckten Buchblöcke binde ich nach Bedarf selber mit einer kleinen Maschine in vorgefertigte Hardcover-Umschläge. Dies ist nicht viel günstiger als beim Buchbinder, es hat aber den Vorteil, nicht die gesamte Auflage direkt binden lassen zu müssen und damit einiges an Geld zu sparen.

Welche Auflage haben die Bände?

Gestartet bin ich mit 1500 bis 1800 Stück. Bis heute hat sich dieser Wert ungefähr halbiert.

Wie siehst Du die Entwicklung von modernen Medien wie Datenbanken auf CD oder internetbasierte Datenbanken? Wäre das auch für Deine Comic-Geschichte denkbar?

Nein! Ich bin ein Einzelkämpfer und erledige alle Arbeiten selbst. Diese Entwicklung setzt versiertes technisches Wissen voraus, in das ich mich nicht mehr einarbeiten möchte. Hierfür jemanden abzustellen, der das alles regelt und überwacht, dafür habe ich nicht die Mittel übrig. Zudem gäbe es neue rechtliche Fragen, die geklärt werden müssten. Diese Nachschlagewerke muss man in die Hand nehmen können, nur so kann man die Faszination dieser frühen »Verführer« spüren und möglicherweise wieder nachvollziehen.

Wie viele Bände wird es zum Verlag bsv noch geben?

Geplant sind 9 Bände. Diese werde ich auch noch fertigstellen, es sei denn mir fällt der Himmel auf den Kopf.

Was ist danach geplant?

Die Reihe würde ich noch gerne weiterführen, es fehlt aber die Zeit. Da ich zum Jahrgang 1948 gehöre winkt mir schon in zwei Jahren die Rente. Dies werde ich aber ignorieren, um den Bildschriftenverlag zu beenden.

Außerdem gibt es auch noch ein Leben nach den Comics. Ich werde mich wieder verstärkt der künstlerischen Fotografie zuwenden, die nach meinem Kunststudium und Gründung meines Verlags mehr als zu kurz gekommen ist.

Abbildungen: Fotos & Leseproben © Siegmar Wansel, ComicZeit Verlag


Die nackten Fakten

Illustrierte deutsche Comic Geschichte Band 24
ComicZeit Verlag
Oktober 2011 (Erstausgabe)
DIN A4, 96 Seiten, Hardcover in dunkelblauer Leinenoptik und zusätzlichen farbigen Schutzumschlag, Farbe/schwarzweiß
ISBN 978-3-926022-64-6
Preis: 46 Euro

Inhalt:
HIT Comics (Teil 2) mit den Serien: Der Eiserne, Captain Marvel, Der unglaubliche Halk, Devil-Man, Der Dämon, Hit Comics in Sammelbänden sowie die Serien Horror und
Illustrierte Klassiker (Teil 1: Nr. 1 bis 153)


Weiterführender Link:

Homepage: ComicZeit Verlag