Zum Ende von ORANG – Interview mit Sascha Hommer

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Die soeben bei Reprodukt vorgelegte 10. Ausgabe der Anthologie ORANG mit dem Titel »Heavy Metal« ist sowohl inhaltlich die stärkste wie überzeugendste Publikation der Reihe – allerdings auch die letzte. Im Interview erzählt Herausgeber Sascha Hommer (Im Museum, Vier Augen) von den Beweggründen, die zur Einstellung geführt haben.

Vom Uni-Fanzine zur international angesehenen Buchreihegermany48

Es waren aufregende Zeiten damals, Anfang der 2000er Jahre an der HAW, der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. Die bereits in den 1990er Jahren unternommenen Bemühungen von Dozenten und Professoren hatten endlich gefruchtet und dazu geführt, dass aus Gaststipendien richtige Kurse wurden, in denen das Zeichnen von Comics gelehrt wurde. Unter der Leitung von Anke Feuchtenberger wuchs hier eine neue Generation vielversprechender Talente heran, deren Ideen und Arbeiten heute das Fundament für einen auch international wahrgenommenen Comic deutscher Herkunft bilden.

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Eines dieser Talente war Sascha Hommer, der zunächst noch unter dem Pseudonym Pascal D. Bohr eigene Comics verlegte (»Butterbiene«), bevor er die Anthologie ORANG startete und sowohl Freunden von der Hochschule wie später auch jungen Zeichnern und Autoren aus dem Ausland eine bemerkenswerte Plattform zur Veröffentlichung neuer Ideen und graphischer Konzepte bot. Darunter heute so bekannte Namen wie Moki, Verena Braun, Kati Rickenbach, Line Hoven, Aisha Franz, Marijpol, Klaas Neumann, Till Thomas oder Arne Bellstorf.



 

orang 10_hommer_fotoSascha, was war für dich der hauptsächliche Antrieb, ORANG zu starten?

Am Anfang war ORANG eine Publikationsplattform für studentische Arbeiten. Ich war damals selbst Student und wollte neben den Kursen von Prof. Anke Feuchtenberger noch eine weitere Möglichkeit haben, konzentriert über Comics und Bildgeschichten, Grafik und Storytelling zu diskutieren. Damals betrachtete ich diese Arbeit als starke Berufung und Aufgabe, die es wert war, viel Zeit und Arbeit zu investieren.

 

Was bedeutet ORANG eigentlich?

»Orang« ist indonesisch und bedeutet übersetzt »Mensch«.

 

Was stand hinter der Wahl dieses Titels?

Ich wollte einen Titel wählen, der für die deutsche Leserschaft wie ein Kunstbegriff aussieht, aber doch eine Bedeutung hat.

 

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Die ersten Ausgaben hast du noch allein betreut, also zusammengestellt und auch produziert. Ab Ausgabe 6 wurde ORANG von Reprodukt herausgegeben. Warum? Und wie kam es zu dieser Kooperation?

Die großen Veränderungen in der Produktion der Ausgaben haben eigentlich bereits vor der sechsten Ausgabe stattgefunden. Mit Ausgabe drei kamen Mitstreiter wie Arne Bellstorf, Line Hoven oder Till Thomas zum Projekt, und die vierte Nummer war die erste Publikation, die wir im Offset-Verfahren drucken konnten. Zu diesem Zweck hatten Arne Bellstorf und ich den Kleinverlag »Kiki Post« gegründet, und Sinn des ganzen Unternehmens war unter anderem, uns selbst beizubringen, wie eine Buchproduktion funktioniert. Mit der fünften Ausgabe haben wir dann entschieden, auch internationale Gäste anzufragen, was ein weiterer Schritt für uns war raus aus dem studentischen Kontext, hin zu einer internationalen Anthologie, die sich dann auch mit Produktionen aus anderen Ländern messen lassen muss. Der Kontakt zu Reprodukt war zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden, Arne hatte 2005 sein Debüt Acht, neun, zehn veröffentlicht, und ich durfte ein Jahr später mein erstes Buch Insekt vorlegen. Der Schritt, ORANG unter das Dach von Reprodukt zu bringen, ergab sich dann. Arne und ich hatten nach nur fünf Buchproduktionen gemerkt, dass der laufende Betrieb des kleinen Verlages zu viel Zeitaufwand für uns bedeutet. Reprodukt war natürlich in vielerlei Hinsicht besser aufgestellt als wir es jemals hätten sein können, und so stand der Sache nicht mehr viel im Wege. Dirk Rehm nahm die Idee, wenn ich mich recht entsinne, mit einer wohlwollenden Verwunderung zur Kenntnis. Es kam ihm vielleicht ein wenig befremdlich vor, dass wir den gerade erst erfundenen Verlag einfach so über Bord werfen wollten.

 

orang 10Bezieht sich der Titel »Heavy Metal« auf die Musikrichtung, oder hat er auch etwas mit der stilbildenden Comiczeitschrift zu tun?

Das haben wir in der Einladung, die unsere KünstlerInnen erhalten haben, bewusst offen gelassen. »Heavy Metal« steht für eine apokalyptische Art zu denken, das kann sich musikalisch ebenso wie graphisch niederschlagen.

 

Mit der stetig langsameren Erscheinungsweise und den wachsenden Ansprüchen an Form und Inhalt teilt ORANG das gleiche Schicksal wie einige andere Publikationen. Ich denke da vor allem an Publikationen wie Spiegelmans RAW oder Igorts Dolce Vita. Warum ist es deiner Meinung nach so schwer, künstlerischen Anspruch mit Wirtschaftlichkeit und einem gesunden Maß an persönlichem Engagement zu verbinden?

Tja, das ist eine Frage, über die man sich ewig den Kopf zerbrechen kann. Dass eine kleine Gruppe von Experten besonders gut Bescheid weiß, die breite Masse aber ganz anders denkt, ist der Normalfall in allen kulturellen Bereichen. Wichtig ist doch, ob die realistischen Ziele eingelöst werden. Und RAW ebenso wie etwa das deutschsprachige STRAPAZIN waren ja zu keinem Zeitpunkt Projekte zum Geldverdienen, sondern in erster Linie künstlerisch unabhängige Magazine, die Impulse geben und ihre Autonomie bewahren wollen, solange es eben geht. Ohne diese Vorbilder hätte es ORANG vielleicht nie gegeben, und in diesem Sinne hoffe ich, dass wir etwas weitergetragen haben, das von anderen wieder aufgenommen wird.

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Hatte das Ende von ORANG auch wirtschaftliche Gründe? Wie hat sich die Auflage im Laufe der Zeit entwickelt?

Wirtschaftlichkeit war zu keiner Zeit ein angestrebtes Ziel für dieses Projekt. Die Auflage hat sich bei etwa 1.000 Stück eingependelt, und in Deutschland wird man mit einer Anthologie auch nicht viel weiter kommen, es sei denn, man will populäre Themen bedienen.

 

Ist eine Fortsetzung durch einen anderen Herausgeber geplant?

Nein.

 

Wird es auch eine Release-Party für die letzte Ausgabe geben? Das hat ja fast schon Tradition…

Für die letzte Ausgabe wird es diverse Veranstaltungen geben. Hier die offiziellen Termine:

 

15. März | 20 Uhr

• Comics & Graphics Fest | Galerie KUB, Kantstraße 18, D-04275 Leipzig

themillionairesclub.tumblr.com

 

5. April | 20 Uhr

• Hinterconti, Marktstraße 40a, D-20357 Hamburg

hinterconti.de

 

12. April | 20 Uhr

• LQR Company, Weserstraße 53, D-12045 Berlin

theliquorcompany.de

 

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

 

Das Interview führte Volker Hamann

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Alle Abbildungen © Reprodukt
Foto © Sascha Hommer


Weiterführender Link:

http://saschahommer.blogspot.com