Tintin-Film: Sekundäres [Folge 3 von 3]

Rezension

Im Sog der Verfilmung

Aktuelle Sekundärliteratur über Tim und Struppi [Folge 3]

 

Im dritten und abschließenden Teil unserer kleinen Reihe mit Besprechungen von Sekundärliteratur, die zum Kinostart des 3D-Kinofilms Die Abenteuer von Tim und Struppi erschienen ist, widmen wir uns dem »Buch zum Film« von Chris Guise.

→ von Matthias Hofmann


Lange Zeit war unklar, ob beim Hamburger Carlsen Verlag, der deutschen Heimat von Hergés Tintin, auch ein Buch zum Film erscheinen wird. In den halbjährlichen Verlagsvorschauen war nichts davon zu sehen, aber es war jedem klar, dass irgendetwas passieren würde. Man wäre schön blöd, würde man sich diese Chance entgehen lassen. Und siehe da, quasi durch die Hintertür wurden relativ kurzfristig diverse Titel mit Sonderprospekten angekündigt. Darunter war auch das obligatorische »Buch zum Film«, welches zwar im Rahmen des Carlsen Comics Programms gelistet wurde, aber einen ganz eigenen Auslieferungstermin bekam, nämlich den Tag vor dem deutschen Filmstart.

Auf der Frankfurter Buchmesse Anfang Oktober gab es am Stand von Carlsen bereits fertige Exemplare zu begutachten. Diese waren brachial gelocht und mit dicken Schnüren befestigt, damit sie bloß keine Beine bekämen. Wer sich traute, ein Musterexemplar aufzuschlagen, wurde sofort mit einer essentiellen Entscheidung konfrontiert: Weiterblättern oder Gleich-wieder-zuschlagen?

Die Abenteuer von Tim und Struppi von Chris Guise ist nämlich einer jener opulent illustrierten Bildbände, die einen Film bis ins kleinste Detail vorstellen. Egal auf welcher Seite man den großformatigen Hardcoverband aufschlägt, man merkt sofort: Hier läuft man Gefahr, den gesamten Film vorab gesehen zu haben. Wer also den Streifen von Steven Spielberg immer noch nicht gesehen hat und sich die Spannung aufrecht erhalten will, sollte nur einen kurzen Blick hineinwerfen.

Wer dies aber tut, wird sofort von seiner Perfektion erfasst. Auf 200 Seiten geht man wirklich auf eine Reise, von den Ursprüngen über die Umsetzung der Comics und der Figuren bis zu den Schauplätzen des Films. Es ist eine wahre Freude in dem Buch zu schmökern und zu schwelgen.

Chris Guise, der Autor des Buchs, hat sich für eine indirekte Aufarbeitung des Films entschieden. Er stellte zusammen, was andere gesagt haben. Die Anderen sind in diesem Fall vor allem die Mitarbeiter der Firmen Weta Digital und Weta Workshop. Eine kluge Entscheidung, da Guise als »Lead Conceptual Designer« wesentlich in die Produktion des Films involviert und damit sehr parteiisch war. Dies bedeutet auch, dass die Begleittexte der schier unendlichen Anzahl von Abbildungen vor allem aus Zitaten der direkt Beteiligten bestehen. Damit werden Bildunterschriften zu interessanten Erklärungen von absoluten Details, die man nur schwer in einen fortlaufenden Gesamttext hätte pfriemeln können.

Die neuseeländischen Firmen Weta Workshop sowie ihre Schwesternfirma Weta Digital, die von Peter Jackson mitbegründet wurde als dieser Mitte der 1990er Jahre den Film Heavenly Creatures drehte, wurden so richtig bekannt durch ihre visuellen Effekte bei Filmen wie der Herr der Ringe-Trilogie oder King Kong. Für die visuellen Effekte von James Camerons Avatar hagelte es Oscars und BAFTAs. Als bekannt wurde, dass sich Spielberg und Jackson zusammentun und mit der Weta-Mannschaft den Tim und Struppi-Film im Performance-Capturing-Verfahren drehen wollen, war das quasi ein No-Brainer. Das Buch von Guise fasst nicht nur alle äußeren Aspekte der Arbeiten an dem Film zusammen, es ist auch eine brauchbare Zusammenfassung des »State of the Art« digitaler Filmkunst. Fünf Jahre dauerten die Arbeiten an dem Film. Man erfährt von der Annäherungsweise der Filmemacher an die Figuren und Comics von Hergé. Man verfolgt die Umsetzung ins Filmische, die zum Teil szenen- und panelgenau erfolgt ist. Man erhält Einblicke in frühe Konzepte, Modelle, Standbilder oder verworfene Szenen.

Das Buch ist, wie der Film, komplett durchgestylt und zwar so filmgetreu, dass selbst die Optik der einleitenden Seiten des Buchs derer des Vorspanns des Films gleicht. Dieses Buch zum Film ist kein Schnellschuss. Es ist mehr als eine bloße Aneinanderreihung schöner Bilder. Es ist eine liebevoll zusammengestellte Hommage an das Filmemachen im digitalen Zeitalter. Und damit ist es natürlich Fans des Films und von Tim und Struppi zu empfehlen, aber mehr noch besonders Animationsfilmfans und Leuten, die sich generell für das Medium interessieren.

Abbildungen © Paramount Pictures/Sony Pictures

Folge 1: Joachim Körber, Die Geschichte bei Tim & Struppi
Folge 2: Georg Seeßlen, Tintin, und wie er die Welt sah


Die Daten

Die Abenteuer von Tim und Struppi
Das Buch zum Film
Autor: Chris Guise
Carlsen Verlag
Originaltitel: The Art of the Adventures of Tintin
Aus dem Englischen von Sven-Eric Wehmeyer
Sachbuch, Hardcover mit Schutzumschlag, 30,5 x 24 cm, 200 Seiten
Preis: 39,90 Euro, ISBN 978-3-551-76705-9


Weiterführende Links

Homepage des Verlags: Carlsen Comics
Homepage Weta Workshop: Weta Workshop