Wer kennt King Aroo?

Titelbild von Band 1 (Ausschnitt)

Ein Mann, ein Königreich. Jack Kents Comicstrip King Aroo bezaubert, wenn man ihn läßt. 2011 veröffentlichte Bocola eines der »best kept secrets« für Freunde von Funny-Strips. Wir sagen warum.

cr ICON-RezensionenIn Schönheit sterben
King Aroo – ein Beispiel für vergebliche Liebesmüh?

VON MATTHIAS HOFMANN

4047 Quadratmeter entsprechen ungefähr einem »Acre«, einer Einheit mit der in den USA Grundstücke bemessen werden. Jack Kent zeigt mit seinem Strip King Aroo, dass man nicht viel Platz braucht, um höchst amüsante und zugleich oft tiefsinnige Episoden darzustellen. Mit dem Start der aufwändigen Gesamtausgabe dieses charmanten Zeitungsstrips begibt sich der Bocola Verlag auf eine Art verlegerisches Himmelfahrtskommando. CRON zeigt auf, warum dieses Projekt jede Menge Leser verdient hat.


»King wer?« »King Aroo?« »Doctor Who?« Als der Bonner Bocola Verlag vor knapp einem Jahr eine Gesamtausgabe von Jack Kents Zeitungscomic ankündigte, waren fast alle baff. In deutschen Landen hatte bis zu dem Zeitpunkt kaum jemand von dem nordamerikanischen Funnystrip gehört, der in den Staaten immerhin eine Laufzeit von 15 Jahren erreichte. Von 1950 bis 1965 erschien die, laut Bocola, »fast vergessene Kostbarkeit unter den amerikanischen Zeitungscomics« in den Tages- und Sonntagszeitungen der USA. In Deutschland haben die Episoden aus dem kleinen Königreich Myopia keinerlei Vorgeschichte, und logischerweise kann man nichts vergessen, von dem man noch nie gehört hat. Aber auch in den USA erinnern sich nur wenige an diesen ungewöhnlichen Strip. Zu Unrecht, denn King Aroo ist ein Schatz, dessen Entdeckung sich lohnt. Und das ist ausnahmsweise mal keine hohle Werbephrase.

Panel 1 von King Aroo

Nicht gerade gross: King Aroo lebt in Myopia

 

Zu den Leuten, die sich gut an King Aroo erinnern können, zählt Eisner Award-Gewinner Dean Mullaney. Mullaney, der Ende der 1970er Jahre den Independent Verlag Eclipse Comics mitbegründet hatte, lancierte 2007 die »Library of American Comics« für den Verlag IDW Publishing. Gestartet mit dem Anspruch, die besten Comicstrips der Vereinigten Staaten in Form von Nachdrucken für die Nachwelt zu erhalten, legt man seit dem mustergültige Editionen von absoluten Klassikern wie Terry and the Pirates, Dick Tracy, Rip Kirby oder Little Orphan Annie neu auf. Die bekanntesten und beliebtesten sind jedoch nicht unbedingt die besten Serien. Und so startete man 2010 mit King Aroo eine Serie, die nicht viele auf dem Zettel hatten.

US-Sonntagsseite von King Aroo

Klassische US-Sonntagsseite: King Aroo with Yupyop

 

Einer, der sich tierisch über den liebenswerten König gefreut hat, war MAD-Cartoonist Sergio Aragones, der zum ersten Band das Vorwort beisteuerte. Aragones entdeckte King Aroo als er noch in Mexico City lebend die Oberschule besuchte. Er konnte damals kaum Englisch und verstand die Geschichten nicht, aber er bemerkte sofort die »zärtliche und sympathische Art«, wie Jack Kent Menschen und Tiere vor recht einfachen Hintergründen zeichnete.

Myopia ist das englische Wort für Kurzsichtigkeit. Und wirklich, King Aroos Königreich ist klein und überschaubar. Außer ihm gibt es nur einen einzigen weiteren Menschen: sein folgsamer, aber manchmal eigenwilliger Freund und Helfer Yupyop. Das stellt aber kein Problem dar, denn dieser übernimmt alle Rollen und Jobs, die es gerade zu besetzen gilt.

King Aroo (Doubleday, USA)

Titelbild einer frühen Sammlung aus dem 1950ern (Doubleday, 1953)

 

Alle anderen Untertanen, die Myopia so schnuckelig machen, sind Tiere. Zum wiederkehrenden Cast gehören: ein als Briefträger arbeitendes Känguru (Mr. Pennipost), ein aus der Art geschlagener, weil höchst vergesslicher Elefant (Mr. Elephant), ein intelligenter Wissenschaftler, der sogar Fußnoten zu seinen Gedanken denkt (Professor Yorgel) oder eine mit den ungewöhnlichsten Zaubertränken ausgestattete Hexe (Wanda). Darüber hinaus treten viele weitere Tiere auf, die trotz aller Spaßigkeit nicht selten versteckte Gesellschaftskritik üben. Wie wär's mit einem Glühwürmchen, dem erst die Energie zur Lichterzeugung fehlt und dem dann vor lauter Überanstrengung die Sicherung durchbrennt? Oder Wartz, der Frosch, der im Burggraben wohnt und diesen nach einem Urlaub vertrocknet vorfindet und sich beschwert, dass in seinem Mietvertrag ein Burggraben in flüssigem Zustand vorgeschrieben ist.

Kents King Aroo wird oft mit Walt Kellys Pogo verglichen. Kelly, der auch Leute wie Jeff Smith (Bone) stark inspiriert hat, schuf mit seinem Zeitungsstrip eine Welt voller anthropomorphen Tiere, die sich oftmals sozialkritisch und nicht selten politisch mit stets satirischen Untertönen mit der Menschheit auseinandersetzte und ihr dadurch gekonnt einen Spiegel vorhielt. Ähnlich wie Walt Kelly bildet Jack Kent seine Gags und Pointen mit einer Vielzahl von Wortspielen und einer allgegenwärtigen sublimen Kritik an Politik und Gesellschaft. Eine ziemliche Herausforderung an den Übersetzer Wolfgang J. Fuchs, die meistens gemeistert wurde.

Cover von Volume 2 der US-Ausgabe

Coming Soon?
In den USA mehrfach verschoben, jetzt für Januar 2012 angekündigt, der zweite Band.

 

Der erste Band der Gesamtausgabe beinhaltet alle Tagesstreifen und Sonntagsseiten der Jahre 1950 bis 1952. Das ist eine Menge Holz. Alleine wenn man sich täglich eine Lesedosis von zehn Seiten gönnt, ist man mehr als einen Monat mit amüsanter Lektüre eingedeckt.

Es ist jedoch nicht nur der primäre Comicinhalt, der den Band zu einem kleinen Schatz macht. Das Gesamtpaket lässt jeden bibliophilen Comicleser frohlocken. Ein Umstand, der für den Käufer das Nonplusultra darstellt, aber für den Verlag einen finanziellen Kraftakt bedeutet. Die 340 Seiten dieses dicken Buches kosten gerade einmal 29,90 Euro. Zu den Comics gibt es nicht nur das eingangs erwähnte Vorwort von Aragones, sondern mit »Ergötzliche Erzählungen eines talentierten Texaners: Der Weg nach Myopia« einen Artikel von Bruce Canwell, der exzellent auf die Comics einstimmt.

Die feine Brillanz und der fröhlich stimmende Charme von King Aroo erschließen sich nicht auf den ersten Blick, sondern erst nach der Lektüre von einigen Seiten. Aber dann ist man geimpft. Wer sich für US-Comicstrips interessiert und sich im Bereich Funny abseits von ausgetretenen Pfaden à la Peanuts und Calvin & Hobbes bewegen möchte, der sollte sich Jack Kents King Aroo zu Gemüte führen. Laut Bocola hat sich der Band bisher schleppend verkauft, was nicht überrascht, da der Band nur für einen kleinen Liebhaberkreis Pflichtlektüre ist. Aber so viel verlegerischer Mut, gepaart mit einem auf ganzer Linie überzeugenden Endprodukt, sollte belohnt werden. Eine so schön gemachte Gesamtausgabe hat mehr Leser verdient.

Abbildungen © Bocola / Jack Kent jr.


Titelbild King Aroo Band 1Die Daten

King Aroo Band 1: 1950 - 1952 (King Aroo)
Autor/Zeichner: Jack Kent
Bocola
Hardcover, s/w, teilweise farbig, 340 Seiten,
25 x 20 cm, 29,90 Euro,
ISBN 978-3-939625-34-6


Weiterführende Links:

CRON-Meldung vom 29.04.11: Frisch auf den Tisch
King Aroo: Leseproben
Homepage des Verlags: Bocola