»Man erkennt hier den wahren Geist und die Opferbereitschaft eines echten Marine, dem mehr daran liegt, seine Mission fortzusetzen, als daran, seine Eier zu retten!«
»Mach dich nur lustig! Dein Gesicht möchte ich sehen, wenn wir tatsächlich mal einen Krater in der Landebahn haben!«
FRISCH GELESEN: Archiv
Bomb Road Band 1: »Da Nang«
Story: Michel Koeninguer
Zeichnungen: Michel Koeninguer
Bunte Dimensionen
Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 14,00 €
ISBN 978-3-944446-20-2
Genre: Flieger, Krieg, Abenteuer, History
Für Leser, die das mögen: Dan Cooper, Flugzeuge, Apocalypse Now
Während Kriegscomics wie Frontline Combat, Our Army at War oder Blazing Combat in den USA lange Zeit eine gewisse Popularität besaßen, sind sie in Deutschland bisher kein weit verbreitetes Thema gewesen. Die hundertste Widerkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs hat aber auch bei uns zu einer ganzen Reihe von grafischen Auseinandersetzungen mit dem Krieg als solchem und seinen Auswirkungen geführt.
Schon immer war der Krieg dagegen Bestandteil von Fliegercomics (Tanguy und Laverdue, Dan Cooper, Buck Danny), Agentengeschichten (Bruno Brazil, Blake und Mortimer) und sogar Semi-Funnies (Spirou und Fantasio bereits mehrfach; Sturmtruppen). Auch in seiner historischen Verkleidung als mittelalterliches Schlachtenepos oder als Fantasy ist das Thema Bestandteil jedes aktuellen Comicverlages. »Reine« Kriegsgeschichten finden sich in Graphic Novels (z.B. zum Bosnienkrieg) wieder und bestimmen auch das Sujet einiger Oneshots z.B. von Hermann. Die visuelle Auseinandersetzung speziell mit dem Vietnam-Krieg fand dagegen eher im Medium Film statt. Bunte Dimensionen betritt daher mit seiner Sparte »History« in gewisser Weise Neuland in Deutschland und muss sich der Frage stellen, ob hier der Krieg unter dem Deckmantel der tollen Technik für Jungs von 12 bis 15 Jahren verherrlicht wird oder nicht.
Natürlich geht es dabei nicht um den »„Schmutz-und-Schund-Vorwurf« der 1950er und 1960er Jahre. Kein Jugendlicher wird durch das Lesen eines Comics zu einem triebgeleiteten Monster. Vielmehr ist meiner Meinung aber »Krieg«, gerade weil es momentan so viele Brandherde gibt, die international junge Menschen anziehen, um dort für die Sache zu sterben, wenigstens kritisch zu hinterfragen und nicht zu heroisieren.
Michel Koeninguer gelingt dies ansatzweise! Natürlich sind die eigentlichen Helden seines Comics Bomb Road die Flugzeuge, die historisch stimmig und sehr detailgetreu im Vordergrund stehen. Sie starten, landen, fliegen, schießen, werden aufgetankt und mehr oder weniger erfolgreich beschädigt. Sie haben Instrumente, erfahrene Piloten und fast schon liebevoll ausgearbeitete Details in der Bewaffnung, den Aufklebern und den Geräuschen. Es fehlen nur noch die Risszeichnungen aus dem alten ZACK-Magazin oder den Perry-Rhodan-Romanheften. Der Traum vom Fliegen kombiniert mit der Macht über die Technik und das Beherrschen der Elemente ist sicherlich auch heute noch vorhanden.
Daneben gibt es aber auch immer wieder kritische Untertöne zu entdecken. Es fängt damit an, dass die Begründung für den Krieg den Soldaten nicht einsichtig ist. Diese Einsicht kommt allerdings erst spät und wird mit Fatalismus beiseitegeschoben. Auch die Proteste in der amerikanischen Gesellschaft gegen den Krieg werden nicht verschwiegen oder lächerlich gemacht. Der Held Bradley Townsend ist nach seiner ersten Rückkehr in die Staaten nicht mehr in der Lage, ein normales Leben zu führen und meldet sich freiwillig für einen erneuten Einsatz. Zurück im Lager Da Nang trifft er auf weitere »Kameraden«, die lieber in die Ungewissheit und die Bedrohung zurückkehren als zu versuchen, sich ein »„richtiges Leben« aufzubauen. Ebenfalls wird nicht verschwiegen, dass dieses Leben zwischen den Einsätzen oft nur durch Drogenkonsum erträglich wird und dass nicht alle von ihren Einsätzen unversehrt oder überhaupt zurückkehren. Der Autor geht sogar so weit die Protagonisten nach einem gerade überlebten Sprengstoffattentat im Vergnügungsviertel fragen zu lassen, ob sich die Zivilbevölkerung nach US-amerikanischen Napalm-Bombardements wohl ähnlich fühle.
Nach so viel Einleitung jetzt aber zur eigentlichen Geschichte:
Colonel Bradley Townsend sitzt altersschwach in seinem Haus als seine Pflegerin den abkommandierten Lieutenant in seine Aufgaben einweist. Bei einem guten Getränk fragt der junge Soldat den alten Haudegen nach seinen Kriegserlebnissen. Colonel Townsend beginnt zu erzählen: von seiner Jugend und seiner Faszination für das Fliegen und der Bewunderung für seinen Onkel, der im Zweiten Weltkrieg als Pilot gedient hatte und danach weiter flog. Am Tage seiner Beerdigung erhielt der Junge Held die Jacke des Verstorbenen und damit war sein weiteres Leben vorgezeichnet.
Nach seiner Meldung zur Air Force wurde er als Pilot einer Phantom F-4 in Vietnam auf der Basis Da Nang eingesetzt. Auf den folgenden Seiten wird so ziemlich jedes eingesetzte Flugzeug beschrieben und gezeichnet, das 1967 in Vietnam im Einsatz war. Koeninguer muss dabei seht viele militärhistorische Bücher gelesen und Fotos gesichtet haben. Zwei Einsätze werden dabei relativ ausführlich geschildert. Der Schrecken des Krieges und insbesondere des Einsatzes von Napalm wird dabei nicht ausgespart. Es gelingt aber, auf Splatterszenen zu verzichten. Am Abend vor der Abkommandierung feiern Townsend und seine Kollegen ihr Überleben und das Ende des Einsatzes als sie Zeugen eines Anschlages im Vergnügungsviertel werden. Auch dieser Aspekt des schmutzigen Krieges wird weder beschönigt noch verteufelt.
Wieder zu Hause kommt der Held mit dem Leben aber nicht klar und er meldet sich freiwillig zu einem weiteren Einsatz. Waren die amerikanischen Truppen anfangs noch sehr optimistisch und siegesgewiss, hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Niemand glaubt mehr an einen Sieg; Bürokraten sorgen für eine katastrophale Versorgungslage und die TET-Offensive hat begonnen. Damit endet dieser erste Band.
Die Zeichnungen von Bomb Road sind sehr »amerikanisch«, obwohl Michel Koeninguer Franzose ist und in Frankreich lebt. Sie weisen aus meiner Sicht zwei Wermutstropfen auf: einerseits stimmt die Perspektive bei den Nasen der Flugzeuge nicht immer und - schwerwiegender – arbeitet der Künstler bei Explosionen meines Erachtens zu stark mit Effekten. Die Bombenexplosionen sind nicht gezeichnet, sondern generiert. Die Farbgebung und der Wechsel zwischen weißem und schwarzem Background sind dagegen sehr stimmig.
Was kann man dazu hören? Der Soundtrack zu Apocalypse Now gibt natürlich den einen oder anderen Hinweis, aber dort sind Geschichte und Eindrücke so anders, dass ich eine Anleihe nicht in Betracht ziehen möchte. Auch Hair passt zwar vom zeitlichen und thematischen Zusammenhang, gibt aber eine komplett andere Stimmung wieder. Also etwas moderneres: »Fight for your class not for your country« von 4 Promille!
[Sven Krantz-Knutzen]
Abbildungen © 2015 Bunte Dimensionen
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