Frisch Gelesen Folge 371: A Righteous Thirst for Vengeance

»Wie lief's?, Na ja …, wie im Traum.«


FRISCH GELESEN: Archiv


A Righteous Thirst for Vengeance

Story: Rick Remender
Zeichnungen: André Lima Araújo, Chris O'Halloran

Cross Cult
Hardcover | 272 Seiten | Farbe | 40,00 €
ISBN: 978-3-98666-403-9

Genre: Crime, Thriller, Film noir

Für alle, die das mögen: David Cronenberg, Luc Besson, Tödliche Versprechen (Film), Viggo Mortensen, Der Killer (Luc Jacamon, Matz)



Eigentlich ist es wie im Film – z.B. wie in Tödliche Versprechen (2007) von David Cronenberg. Ein fast wolkenloser Himmel, ein ganz normaler Tag in Vancouver, es beginnt zu regnen und Sonny ist offenbar mehr an neuen Zigaretten interessiert, da seine durch den plötzlich auftretenden Regen durchweicht sind, als an seiner selbstauferlegten gefährlichen Mission. Sonny, ein unbeschriebenes Blatt, hat sich wohl eher zufällig über das Darknet in die Pläne eines Auftragskillers gehackt und stimmt zu, einen Auftrag anzunehmen. Es folgt ein »zufälliger« Zusammenstoß mit dem Killer, und die Entdeckung grausam verstümmelter Leichen an dessen vorgegebenem Zielort setzen dann eine Spirale unglaublicher Leiden und eine Unzahl von Toten in Gang.


Auch der nächste Auftrag endet für Sonny in einem Fiasko. Ziel ist eine möglicherweise völlig unschuldige Frau. Sie und ihr Kind geraten in den Fokus des Auftraggebers, gemeinsam mit einem kaltblütigen Partner versaut Sonny den Job und findet sich plötzlich in der Rolle des Schutzengels der Überlebenden wieder. Gejagt vom Auftraggeber, dessen Killer sowie von korrupter und nicht korrupter Polizei befindet sich Sonny fortan in der Rolle des Gejagten, der nicht nur seine eigene Mutter vor den Bedrohungen schützen muss, sondern auch das Leben des ursprünglichen Zielobjekts und ihres minderjährigen Sohns.

Er unterschätzt die Reichweite seiner mächtigen Feinde, da hilft auch kein Untertauchen in den Wäldern von British Columbia und zusätzliche Unterstützung. Der Auftraggeber und seine Schergen spüren ihn auf, das vorprogrammierte Leid findet seine Fortsetzung. Erst zehn Jahre später findet das Drama ein unversöhnliches Ende – »Wie im Traum«.

 

Wie eingangs beschrieben ist A Righteous Thirst for Vengeance ein bisschen so geschrieben und gezeichnet wie das Skript für einen Film. Szene für Szene sehr detailliert, nachvollziehbar, keine offenen Fragen, übersetzt in die Neunte Kunst. Das erinnert doch ganz stark an Der Killer von Jacamon und Matz, auch wenn hier die Perspektive sehr konträr ist. Das liegt nicht nur am Storytelling von Rick Remender, sondern auch an der Mischung aus frankobelgischen Stilelementen und klassischem Manga, gekonnt gemixt von den Zeichnern André Lima Araújo und Chris O'Halloran.

Statt der manches Mal doch sehr epischen und philosophischen Ergüsse in Der Killer kommt Remenders Geschichte ohne viele Worte aus. 272 Seiten mögen viel sein, aber wer einmal anfängt, kann diese Gesamtausgabe kaum aus der Hand legen, wird wahrscheinlich das eine oder andere Mal wieder zurückblättern, um den Gesamtzusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren, wird aber ohne Unterbrechung am Ball bleiben – wie in einem gut orchestrierten und unterhaltsamen Film.

Das alles liegt zu großen Teilen an Rick Remender, einem amerikanischen Zeichner, Comicautor und Fernsehproduzent. Als Autor ist er vor allem für unterschiedliche Arbeiten bei Marvel und eigenen Serien bei Image bekannt geworden. Im Jahr 2019 wurde sein Deadly Class von Sony Pictures Television als gleichnamige Fernsehserie adaptiert, für die er als Showrunner und Hauptautor fungierte.


Für die Umsetzung dieser Geschichte hat er mit André Lima Araújo zusammengearbeitet, einem portugiesischen Architekten und Zeichner von Comics, der kurz nach seinem Uni-Abschluss seine Karriere bei Marvel Comics begann und unter anderem an Titeln wie Fantastic Four, Avengers AI (gemeinsam mit Sam Humphries), Spider-Verse, Inhumans, Spidey und Black Panther gearbeitet hat, letztlich bei DC gelandet ist. In Summe eine sehr gute Wahl!

Die Geschichte erstreckt sich übrigens nicht über den gesamten Band. Auf den 272 Seiten sind über 50 Seiten Titelbilder, Skizzen und Charakter-Designs enthalten; für meinen Geschmack schon fast zu viel, nicht verkehrt, aber manchmal ist weniger auch mehr.

Fazit: Wer die feie Auswahl hat, sollte sich diesen Comic vornehmen. Er ist mehr als ein Ersatz für schlechtes Wetter, ziemlich gute Filme oder was sonst auf der To-do-Liste steht.

[Stephan Schunck]

Abbildungen © 2023 Cross Cult / Rick Remender, André Lima Araújo, Chris O'Halloran


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