Frisch Gelesen Folge 345: Dantons Tod

»Wäre Danton nicht darunter, so ginge es leichter.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Dantons Tod

Story: Andreas Eikenroth (nach Georg Büchner)
Zeichnungen: Andreas Eikenroth

Edition 52
Hardcover | 96 Seiten | Farbe | 19,00 €
ISBN: 978-3-948755-08-9

Genre: Literaturadaption

Für alle, die das mögen: Klassiker der Literaturgeschichte, Avantgarde, Georg Büchner



Andreas Eikenroth muss eine Liebe für Georg Büchner haben. Denn mit seinem Comic Dantons Tod erscheint bereits der dritte Band nach einer Vorlage des großen Dramatikers des Vormärz. Die Vorgängerbände Woyzeck und Lenz liegen bereits bei der Edition 52 vor. Büchner und Eikenroth, das scheint zu passen.

Mit Dantons Tod nimmt sich der Comickünstler möglicherweise das wichtigste Drama des bereits mit 23 Jahren gestorbenen Schriftstellers vor. In dem Theaterstück thematisiert Büchner die politischen Ereignisse der Französischen Revolution. Erzählt wird die Geschichte von Georges Danton, einem einflussreichen Revolutionsführer, der sich in einem Machtkampf gegen Maximilien Robespierre befindet. Letztendlich wird Danton von den Revolutionären zum Tode verurteilt.

Literaturadaptionen im Comic sind immer eine komplizierte Sache. Nicht ohne Grund nutzt ein Schriftsteller die Prosasprache zum Darstellen von Ereignissen. Er will ihnen Tiefe und Authentizität verleihen. Der Comic muss da vielfach vereinfachen, kürzen und nimmt den Werken oftmals so ihre künstlerische Ausdruckskraft.

Anders verhält es sich bei der Adaption eines Theaterstücks. Hier steht schon im Original der Dialog im Vordergrund. Denn das Theater bedeutet Bühne – also ein visueller Eindruck – und Dialog. Nicht anders arbeitet ein Comic: Panels und Sprechblasen. Eikenroth hält sich in seiner Interpretation eng an den Text von Büchner, was vor allem für ungeübte Leser mitunter etwas holprig klingt. Der Text – selbstverständlich eingekürzt – entspricht dem Original von 1835. Was die Lektüre des Bandes nicht nur für Eikenroth-Fans oder Comicbegeisterte interessant macht. Ich denke, dass sie auch gut auf den Lehrplan in Schulen passen würde, um den lesefaulen Teenagern ein Stück deutsche Literaturgeschichte näherzubringen.

Büchner ist bekannt dafür, dass er seiner Zeit weit voraus war. Seine Dramen, von denen es ja nur vier gibt, sprengten die Konventionen der zeitgenössischen Theaterstücke. Zum einen griff er gesellschaftskritische Themen auf, und zum anderen zeichneten sich seine Stücke durch eine ungeschönte Darstellung von Realitäten, eine fragmentarische Struktur und eine psychologische Tiefgründigkeit aus. Ich würde nicht so weit gehen, dass der Comic von Eikenroth ebenfalls mit bestehenden Konventionen bricht. Aber dem Gießener Zeichner gelingt zumindest eine eigenwillige grafische Arbeit, die sich vom üblichen Einerlei in der Neunten Kunst abhebt.

Eikenroth arbeitet in dem Band in der Regel mit ganzseitigen Panels. In ihnen wird allerdings nicht nur eine Szene dargestellt, sondern ein Szenenverlauf. Was bei Büchner die Bühne ist, setzt Eikenroth in seinen ganzseitigen Panels um. Das ist zwar nicht neu, schon gar nicht, wenn man die vorherigen Eikenroth/Büchner-Titel gelesen hat, aber allemal bemerkenswert. Dabei – auch das ist typisch Eikenroth – stimmt nicht immer die Perspektive und seine Strichführung erinnert oftmals eher an alte Stiche oder Karikaturen als an einen modernen Comic. Dieser avantgardistische Touch zieht sich auch durch die anderen Werke des Comickünstlers.

Mit dem karikaturhaften Zeichenstil werden vermutlich einige Leser Probleme haben. Und auch wenn das Artwork gegenüber den anderen Werken des Zeichners weniger präsent erscheint, so ist er doch meilenweit davon entfernt, den Sehgewohnheiten der Mehrheit der Comicleser zu entsprechen. Das wird es dem Band an der Kasse in den Comicläden leider unnötig schwer machen, denn die Adaption ist gelungen.

Ob es Eikenroths Version von Dantons Tod nun in die Klassenräume schafft, wage ich zu bezweifeln. Was sicherlich wünschenswert wäre. Aber der Comickünstler ebnet immerhin den Weg zum Verständnis des fragmentarischen Klassikers. Und vielleicht ist »Lust machen« auf die Originalversion eine der größten Leistungen, die die Comicadaption eines Literaturklassikers erreichen kann. Ich gebe acht von zehn Straßenkämpfern.

[Bernd Hinrichs]

Abbildungen © 2023 Edition 52 / Andreas Eikenroth


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