Frisch Gelesen Folge 334: Die Rache der Bücher

»Nun gut, hin und wieder könnte es doch von Vorteil sein, ihren inneren Kritiker um Rat zu fragen.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Die Rache der Bücher

Story: Tom Gauld
Zeichnungen: Tom Gauld

Edition Moderne
Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 978-3-03731-250-6

Genre: Humor, Cartoons

Für alle, die das mögen: Nicolas Mahler (z.B. hier oder hier), Katz & Goldt, Katharina Greve (hier), Tom Gaulds Abteilung für irre Theorie



Es gehört zu den undankbarsten Aufgaben, die Werke von Tom Gauld zu besprechen. Der Humor des schottischen Cartoonisten lässt sich kaum von seinen Cartoons lösen – es fehlt eben einfach sein naiver Zeichenstil, um die Pointe erst so richtig herauszustellen. Erschwerend hinzu kommt, dass sowieso jeder Buchmensch Gaulds Cartoons bereits kennt. Weil er jedem Buchmenschen aus dem Herzen spricht.

Entsprechend liest sich sein bisheriger Werdegang: Der 1976 in Aberdeen geborene Künstler zeichnete bereits Cover für den New Yorker, arbeitet für die britische Zeitung Guardian und für das Magazin New Scientist. Alle lieben Gauld! Auch die Edition Moderne, bei der bereits Bände mit seinen Cartoons erschienen sind und die mit Die Rache der Bücher nun die neuste Sammlung herausbringt, die alles zusammenfasst, was Lesende abholt. Gerade bei diesem Thema zeigt sich Gaulds Können.

Das reicht von Prequels klassischer Romane (Der junge Mann und das Meer) bis zu einem Krimi-Konzept-Generator. Mörderische Geister jagen zynischen Anwalt, das wäre so ein Plot aus dem Generator. Klar, die offensichtlichen Witze muss man generell auch erst einmal mitnehmen – und sei es, um absurde Plots vorzuführen. Aber Gaulds Humor zeichnet sich dadurch aus, dass er seinen Gegenstand sehr genau kennt. Wer nur einmal an irgendeiner Stelle im Netz die Information hinterlassen hat, dass er oder sie Bücher mag, hat vom Algorithmus bereits einen Cartoon von Gauld auf dem Bildschirm gehabt. Mit Sicherheit.

Da darf es auch mal der Literaturbetrieb selbst sein, der bei Gauld im Rampenlicht steht. Literaturagenten, die sich als Geist der kommenden Buchveröffentlichung verkleiden, oder Konflikte zwischen erfolglosen Autoren und erfolgreichen Autoren dürfen ebenso mal in seinen Panels auftauchen. Alles stets sehr genau beobachtet und auf die Essenz runtergebrochen. Ohne Abschweife. Und vor allem stets so, dass in diesem Band alles für alle verständlich ist. Wo wir übrigens beim Thema sind.

Gauld experimentiert nicht. (Verkauft sich auch nicht, wie wir in seinen Cartoons lernen.) Seine Zeichnungen bleiben einfach und rudimentär. Erwartung aufbauen. Erwartung einreißen. Wieder und wieder. Gregor Samsa, der es sich als Käfer in seinem Zimmer während des Lockdowns gemütlich macht. Die Formel so oft durchzuziehen und dabei noch neue Aspekte zu finden – das ist eine Leistung, die so kaum ein Cartoonist hinbekommt.

Entsprechend verfliegt die Zeit beim Lesen von Die Rache der Bücher. Wie bei vielen großartigen Werken bleibt nach mehr als 150 Seiten das Gefühl, dass es das doch bitte noch nicht gewesen sein kann. Aber wen es beruhigt: Gaulds Cartoons finden sich weiterhin an vielen Stellen im Netz. Einfach dorthin gehen, wo sich Büchermenschen tummeln und ungefragt Literaturtipps in die Weiten der digitalen Welt schmeißen.

Wer sich nun denkt: Ich habe viel zu viele ungelesene Bücher und komme sowieso nicht dazu, auch noch Tom Gaulds Die Rache der Bücher zu lesen, dem sei Seite 115 ans Herz gelegt. Wir können gar nicht anders, wenn Bücherengel und Bücherteufel auf unseren Schultern sich einig sind, dass wir immer mehr Bücher brauchen. Wer beim nächsten Stopp im Buchhandel zu diesem Band greift, macht auf jeden Fall nichts falsch – und Bücherengel und Bücherteufel sehr glücklich.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2023 Edition Moderne / Tom Gauld


Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis

Oder beim Verlag: Edition Moderne