Frisch Gelesen Folge 335: Fritz Lang

»Kino ist kein zweites Leben, es ist mein eigentliches.«
(Fritz Lang)


FRISCH GELESEN: Archiv


Fritz Lang – Die Comic-Biographie

Story: Arnaud Delalande
Zeichnungen: Éric Liberge

Knesebeck
Hardcover | 111 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 978-3-95728-700-7

Genre: Biografie

Für alle, die das mögen: Autorencomics, Biografien, 20er und 30er Jahre



Wenn man die Kulturszene der Weimarer Republik betrachtet, mit allen ihren Lichtgestalten, von den Schriftstellern über die Film-Diven, die darstellenden Künstler bis hin zu den Theater- und Filmemachern, dann merkt man schnell, was zwölf Jahre Naziterror kaputtgemacht, getötet oder vertrieben haben. Die Identität einer Nation ging verloren. Einer, der Teil dieser spannenden Zeit war und dessen Filme bis in die heutige Zeit Vorbildcharakter haben und die in ihrer Ausstrahlung einmalig sind, ist Fritz Lang. In der bei Knesebeck erschienenen »Comic-Biographie« versuchen die beiden französischen Künstler Éric Liberge und Arnaud Delalande, sich der Faszination Lang zu nähern.

Der Comic setzt 1920 ein. Lang ist ein noch unbekannter Regisseur und wohnt in Berlin – eine pulsierende Stadt. Leider wird er in flagranti von seiner Frau erwischt, wie er ein Schäferstündchen mit einer anderen Frau hat. Seine Frau, Lisa Rosenthal, begeht daraufhin Selbstmord. Ein einschneidendes Erlebnis für Lang, zumal bis heute die Umstände am Tod seiner Frau nicht geklärt sind.

Im Folgenden begleiten wir den Regisseur. Wir sind dabei, wie seine immer größeren Filmpläne Begeisterung und Entsetzen gleichermaßen hervorrufen. Wie die Nationalsozialisten ihn für sich entdecken und ihm eine herausragende Stellung in der deutschen Filmindustrie anbieten. Schließlich, wie er das Exil wählt.

Es tut dem Band gut, dass sich Delalande auf die 14 Jahre aus Langs Leben beschränkt – von dem Tod seiner Frau bis hin zur Emigration. Die Verkürzung auf diese entscheidende Phase seines Schaffens beinhaltet auch seine großen Filmklassiker: Metropolis (1927), M – Eine Stadt sucht einen Möder (1931) oder Die Nibelungen (1924). Sie sind ebenso Teil der Geschichte wie die Abkehr von seiner späteren Geliebten Thea Gabriele von Harbou, wegen der sich seine Frau erschoss.

Ich finde Comicbiografien immer sehr fragwürdig. Denn wie soll es möglich sein, das Leben eines Menschen in den paar Panels darzulegen? Dies gilt umso mehr, wenn eine komplexe Darstellung vonnöten ist. Von Harbou war nicht nur die Geliebte Langs und Vorlagengeberin sowie Co-Drehbuchautorin von Metropolis, sie hat sich bewusst gegen das amerikanische Exil entschieden und vertrat die Auffassung, dass Deutschland ihre Heimat sei. Der daraus resultierende Konflikt mit Lang, der unter den Rassengesetzen der Nationalsozialisten immerhin als Halbjude galt, war programmiert. Delalande gibt zumindest einen guten oberflächlichen Einblick in die Situation in dieser Beziehung. Ihm gelingt es immer wieder, mit Seitenblick auf die Geschehnisse rund um die NSDAP aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen Lang seine Arbeit ablieferte.

Das Artwork von Liberge ist realistisch. Sein Strich ist rau. Mir gefällt es gut, dass alle Charaktere klar zu erkennen sind. Auch bekannte Persönlichkeiten hält der französische Zeichner sicher fest. Und ich empfinde es als ein Können, die Führungsriege der Nationalsozialisten im Comic festzuhalten und bei dem Betrachter kein Schmunzeln hervorzurufen. Besonders eindrucksvoll habe ich die ganzseitigen Bilder empfunden, in denen kleinere Zeitsprünge oder größere Emotionen wiedergegeben werden.

Fritz Lang – Die Comicbiographie ist ein gut gemachter Einstieg in das Werk des Regisseurs. Es macht Lust auf mehr – sowohl was das Leben von Lang angeht als auch seine Filme. Mehr ist von einer Comicbiografie nicht zu erwarten – ein Einstieg. Ich jedenfalls habe mir gleich noch mal die DVD von M – Eine Stadt sucht einen Mörder rausgesucht. Ich gebe neun von zehn Lorres.

[Bernd Hinrichs]

Abbildungen © 2023 Knesebeck / Arnaud Delalande, Éric Liberge


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