»Ich hätte es abwenden können … abwenden müssen … Aber ich habe mich übers Ohr hauen lassen … wie ein Anfänger…«
FRISCH GELESEN: Archiv
aâma Band 1: »Der Geruch von heißem Staub«
Story: Frederik Peeters
Zeichnungen: Frederik Peeters
Reprodukt
Softcover | 88 Seiten | Farbe| 20,00 €
ISBN 978-3-943143-78-2
Genre: Science Fiction, Loser-Storys, Abenteuer
Für alle, die das mögen: Ray Bradbury, Moebius, Stanislaw Lem, Thomas R. P. Mielke, frühe Ausgaben von Schwermetall
Dieser Comic ist einer der Preisträger von Angoulême 2013 und zwar in der Kategorie »Beste Serie«! Frederik Peeters hat damit bereits zum dritten Mal auf diesem Festival einen Preis gewonnen, was für einen 40-jährigen eine reife Leistung darstellt. Reprodukt ist nach einem kurzen Gastspiel bei Carlsen sein deutscher Verleger und hat damit sicherlich einen vielversprechenden Künstler in seinem Portfolio. Der Klappentext erwähnt die Auszeichnung und weißt natürlich auch gleich auf die Großen der psychedelischen Science Fiction hin. Wobei es sich dabei nur bei Moebius auch um einen Comicschaffenden handelt, während Stanislaw Lem und Ray Bradbury reine Literaten waren. Der erste Band lässt dabei durchaus Anklänge aufscheinen, allein für die großen Fußstapfen fehlt noch etwas.
Generell haben erste Bände einer Serie immer das Problem, dass sie erst mit einen geringen Tempo Hintergründe aufzeigen müssen. Die Personen und ihre Charaktereigenschaften sind noch unbekannt und ihre Beziehung zueinander erst einmal banal. Peeters gelingt es ganz gut, die Geschichte aufzubauen und trotzdem Spannung zu erzeugen, weil er aus zwei verschiedenen zeitlichen Perspektiven erzählt. Damit der Leser auch auf keinen Fall durcheinander kommt hat einer der Helden, ein wie ein Affe aussehender Roboter, mal ein Beinkleid aus Fell und mal nicht. Man erkennt relativ schnell, dass Churchill, so sein Name, sich nicht an Asimovs Gesetze der Roboter halten mag, denn er ist einer körperlichen Auseinandersetzung durchaus sehr positiv gesonnen. Überhaupt ist er ein sehr modernes Maschinenwesen, denn er zeigt eigene Emotionen, die keine Spiegelung der erwarteten Reaktionen sind und raucht Zigarren zum reinen Vergnügen.
Neben diesem trotzdem sehr liebenswerten Geschöpf gibt es noch Verloc Nim, einen Loser. Verlassen von seiner Frau und aufgrund eines Gerichtsbeschlusses ohne Kontakt zu seiner Tochter, sucht er die Flucht in Drogen. Zufällig (und ehrlicherweise sei gesagt etwas sehr konstruiert) findet ihn genau im richtigen Moment sein Bruder, Eigentümer des bereits erwähnten Churchill, und auf dem Weg zu einer geheimen und wie sich herausstellt natürlich gefährlichen Mission. Die Dialoge der beiden ungleichen Brüder entbehren nicht einer gewissen Komik, wirken aber auch etwas hölzern.
Das Ziel ihrer Mission ist ein entfernter Planet mit einer Forschergruppe, die seit Jahren keinen Kontakt zu der Umwelt hat und auf das Eintreffen der Drei etwas genervt reagiert. Das genaue Ziel der Mission bleibt zunächst im Dunkeln und dient als durchaus funktionierender Cliffhanger für die folgende Entwicklung der Story. Auf der Station gibt es genügend Konflikte zwischen den Forschern um das Ziel der Expedition. Klar wird nur, dass es um etwas sehr wichtiges geht.
Natürlich gibt es auch eine obligatorische Sex-Szene und genügend Reflektionen des Helden, warum alles schief gegangen ist, gepaart mit einer ordentlichen Prise Selbstmitleid.
Der Seitenaufbau ist sehr ansprechend; die Panels folgen nicht dem Zwang der Rechtwinkligkeit oder der immer gleichen Seitenaufteilung und das Artwork ist in seiner Ähnlichkeit zu kolorierten Holzschnitten sehr ansprechend. Sehr nett ist, dass das Cover mit seinen Braun- und Grüntönen bereits die Farbgebung des Comics übernimmt und präsentiert. Wer das Cover nicht mag wird auch mit dem Inhalt nicht klarkommen!
Auch wenn das bisher gesagte eher negativ klingen mag, mir gefällt allerdings einiges an dem Comic sehr: seitenlange Bildsequenzen ohne Sprechblasen, psychedelische Tentakel, schnelle Bildwechsel gefolgt von ruhigen Sequenzen, so dass sich die Anschaffung durchaus lohnt und auch der anfangs gezogene Vergleich zu den Großen dieses Genres nicht gänzlich verkehrt ist. Peeters wird in den folgenden Bänden einfach weitermachen und die angefangenen Fäden verknüpfen müssen. Das Potential dafür ist jedenfalls vorhanden. Auch das Klappcover und das gute Papier, das Reprodukt gewählt hat, bieten einen angenehmen Lesegenuss! aâma ist die erste Serie, die Peeters alleine verantwortet und dafür ist sie ihm gut gelungen. Viele Zeichner weisen das Potential, das vorhanden sein muss um eigene Ideen auch umzusetzen, leider nicht auf.
Zu diesem Band passen The Alan Parsons Project und »The Fall of the House of Usher« auf »Tales of Mystery and Imagination«, ein anregendes Getränk und ein ordentlicher Herbststurm!
[Sven Krantz-Knutzen]
Abbildungen © 2014 Reprodukt / Frederik Peeters
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