»… schau nicht so aus der Wäsche. Die übrigens zu Hause auf mich wartet …«
FRISCH GELESEN: Archiv
M.O.M.: Mother of Madness Band 1
Story: Emilia Clarke, Marguerite Bennett
Zeichnungen: Leila Leiz, Leila del Duca
Carlsen
Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 23,00 €
ISBN: 978-3-551-79665-3
Genre: Superheldinnen
Für alle, die das mögen: leichte Unterhaltung mit feministischem Anklang
Die rote Flut, Tante Rosa, die Erdbeerwoche. Hier mal eine beliebige Aufzählung von gängigen verniedlichenden Synonymen für die Periode. Warum das? Um klarzustellen, worum es in dem Comic, den ich hier besprechen werde, geht – um Monatsblutungen und Klischees. Die Story dieses Comics stammt aus der Feder der britischen Schauspielerin Emilia Clarke, die den meisten von uns wohl eher als Daenerys Targaryen bekannt ist, als die Mother of Dragons aus Game of Thrones. Denn obwohl die Serie abgeschlossen ist und ihre Rolle ein Ende gefunden hat, beschäftigt Clarke das Thema Muttersein anscheinend noch weiter und so hat sie den Superheldinnencomic M.O.M.: Mother of Madness geschaffen. Wie sie in ihrem Vorwort beschreibt, wollte sie etwas erschaffen, »was im Kern um die Kraft des weiblichen Wesens geht« und das subsumiert sie unter Hormonen und Periode.
Unsere Heldin Maya nämlich entfaltet ihr Superkräfte zum Höhepunkt ihrer Periode und all die überschäumenden Emotionen, unter denen Frauen der Auffassung von Clarke nach zu diesem Zeitpunkt so leiden, verwandeln sich in positive und für unsere Heldin nutzbare Dinge. Ist sie wütend, wird sie superschnell und -stark. Angst löst ein Überschallgehör aus, ist sie eingeschüchtert, wird sie unsichtbar. Ihr Lachen kann Dinge zerbersten lassen und wenn sie glücklich ist, kann sie sich endlos strecken. Und auf dem absoluten Höhepunkt werden ihre Augen zu goldenen Strahlen und sie kann alle Kräfte gleichzeitig einsetzen. Kleines Problem: Sinkt ihr Hormonspiegel, kann sie nicht auf ihre Superkräfte zugreifen.
Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Die Welt ist schlecht.
Zu Beginn der Geschichte bekommen wir recht langatmig und mühselig erzählt, wie sie an ihre Kräfte kam, durch Chemikalien aus der Hinterlassenschaft ihrer Eltern, und wie sich ihr Leben bis zum Zeitpunkt, an dem sie uns davon berichtet, gestaltet hat. Hierzu gehört auch, dass sie einen ungefähr neun Jahre alten Sohn hat, den sie alleine großzieht, natürlich nach den perfekten feministischen Idealen.
Wir befinden uns im Jahr 2049, es hat sich nicht viel geändert in New York und definitiv nichts zum Besseren. Der Hyperkapitalismus hat sich noch mehr hochgeschraubt, normale Menschen müssen bis zu drei Jobs gleichzeitig haben, um über die Runden zu kommen. #MeToo ist nur noch ein Echo vergangener Tage und hat keinerlei nachhaltige Auswirkungen auf die Gesellschaft gehabt. Eher im Gegenteil wird Maya von ihrem Chef in dem Pharmaunternehmen, für das sie arbeitet, darauf hingewiesen, dass hohe Absätze für Frauen vertraglich verpflichtend seien und sie auch keinen weiten Laborkittel tragen soll, da man ihre Körbchengröße noch erkennen solle. Das hebe die Moral der Truppe. So wird uns während des Lesens jedes einzelne Klischee um die Ohren gehauen, das Frauen im Laufe ihres Lebens aufgrund ihrer Geschlechtszuweisung begegnet.
Doch als ob das noch nicht genug wäre, wird uns M.O.M.s Gegenspielerin als die ultimative Kapitalistin präsentiert, die danach trachtet, die perfekte Frau zu werden, um die absolute Macht zu erlangen. Um das zu erreichen, muss sie eine Pille finden, die ihre Emotionen von ihr ablöst, also eine Art Homo oeconomicus aus ihr macht. Zu diesem Zwecke entführt sie viele Frauen, um an und mit ihnen herumzuexperimentieren. Das kann Maya nicht auf sich sitzen lassen. Gleichzeitig hat sie ja das Problem, dass sie nur zu bestimmten Zeiten des Zyklus in Aktion treten kann. Also trommelt sie ihre Freund:innen zusammen, die sie mit einem Outfit, Martial-Arts-Training, Meditation und Gear, sprich: ein schnelles, aber natürlich umweltfreundliches Auto versorgen. So schafft sie es, zu jedem Zeitpunkt ihre Fähigkeiten einzusetzen. So, nun aber husch, husch, schnell zur Villain, kurzer aber heftiger Kampf, die verwandelt sich noch in eine Harpyie oder ein Drachenwesen, dann zack, eins in die Fresse, die Alte noch aus dem Fenster geworfen und hurra! Die Welt ist wieder ein schöner Ort.
Die perfekte Frau mag es vielleicht nicht geben, die perfekte Mutter aber schon. Einen Dollar fürs Fluchschwein! *zwinker*
Die ganze Geschichte ist so klischeebehaftet und überzeichnet, und das soll sie wohl auch sein. Die Autorinnen beteuern, dass das alles humoristisch gemeint ist, nur geht das beim Lesen nicht wirklich auf. Denn unsere Protagonistin, die die Verkörperung eines positiven, gelebten Feminismus sein soll, ist einfach unerträglich in ihrer Perfektion. Sie glänzt im Job, erzieht ihren Sohn vorbildlich, hat keine Laster, pflegt ihre zwischenmenschlichen Beziehungen und bügelt auch noch die Wäsche. Mir fehlte noch, dass sie ihren Sohn bei der Schulaufführung beklatscht. Vielleicht heben sich das die Autorinnen für den zweiten Band auf.
Auf der einen Seite wird die Überfrachtung von Erwartungen an die Frau durch die Gesellschaft angeprangert, auf der anderen Seite ist Maya so perfekt, dass es mir hochkommt. Und generell habe ich nichts dagegen, wenn Männer in einer Erzählung nur als Randfiguren vorkommen, wenn es aber um eine Thematik geht, bei der es entscheidend ist, alle Parteien ins Boot zu holen, wird es schwierig. Und warum müssen es am Ende zwei Frauen sein, die sich gegenseitig bekämpfen? Das alles hinterlässt einen schalen Nachgeschmack.
So ist sie, die perfekte Mutter! Gebiert alleine bei Kerzenschein, putzt, näht ein Halloweenkostüm fürs Kind und fängt Schurken.
Die Zeichnungen tun ihr Übriges zur Anhäufung von Klischees. Im typischen Pop-Art-Stil erinnern sie an Bilder von Roy Lichtenstein, schablonenhaft und knallbunt kommen die Seiten daher. Das ist 2023 leider einfach nur öde und nicht inspirierend. Alles an diesem Comic hat man schon mal gesehen, nur dass hier gewisse Vorzeichen umgekehrt, dabei aber so platt überzeichnet werden, dass es langweilt und abschreckt. Die Grundidee mit der Periode, die Superkräfte spendet, klang so vielversprechend, am Ende ist aber leider nur eine sehr seichte, meist eher nervende Geschichte daraus geworden.
[Mechthild Wiesner]
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