»Auch wenn die Kreationen von Outcault und Rudolph Dirks nahezu zeitgleich entstanden, kommt Rudolph Dirks das Verdienst zu, mit seinen Katzenjammer Kids als erster in der Geschichte der modernen Comics für dieses Medium ein eigenständiges Vokabular entwickelt zu haben.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Rudolph Dirks. Zwei Lausbuben und die Erfindung des modernen Comics
Herausgeber: Museumsinsel Lüttenheid/Benedikt Brebeck
Christian A. Bachmann Verlag
Softcover | 136 Seiten | Farbe | 19,90 €
ISBN: 978-3-96234-004-9
Genre: Sekundärliteratur, Zeitungscomics
Für alle, die das mögen: Bücher wie Die Kunst von Hergé, Auf den Spuren von Lucky Luke, Franquin: Meister des Humors
Den Pionieren des Comics widmete das Frankfurter Museum Schirn-Kunsthalle vor ein paar Jahren eine großartige Ausstellung. Dort wurden frühe Highlights der Neunten Kunst von Winsor McCay, Lyonel Feininger, Charles Forbell, Cliff Sterrett, George Herriman und Frank King gezeigt. In dieser Schau nicht vertreten war der deutschstämmige Rudolph Dirks, der in den USA mit den Katzenjammer Kids einen Erfolg erzielte, der bis heute anhält. Die Katzenjammer Kids haben seinen Tod überdauert und gelten als langlebigste Comics der Geschichte: Sie erscheinen seit über 120 Jahren bis heute.
Rudolph Dirks selbst wurde 1877 in Heide, einem kleinen Ort an der Nordseeküste in der Nähe von Cuxhaven geboren. Dem Leben und Werk des Zeichners widmete sich jüngst eine Ausstellung der Museumsinsel Lüttenheid in Heide. Dass es viele Jahre unbekannt war, dass er ein Sohn der Stadt ist, erscheint aus heutiger Sicht unfassbar. Viele hielten den 1884 in die USA ausgewanderten Deutschen lange Zeit für einen US-Amerikaner. Zeit also, um in einer eigenen Schau auf sein Werk aufmerksam zu machen, und seinen Wert für die Entwicklung des Comics zu veranschaulichen.
Wer die Ausstellung verpasst hat, die vom 18. Februar bis zum 22. April 2018 zu sehen war, der kann nun im vorliegenden Katalog nachlesen, welche Geschichte hinter den ›Katzies‹ steckt, wie sie in den USA liebevoll genannt werden. Oder was es mit dem frühen Tod von Gus(tav) Dirks auf sich hat, dem jüngeren Bruder von Rudolph. Genauso erfährt man, wie es überhaupt dazu kam, dass der in Amerika berühmte Pionier jetzt auch in Deutschland seine längst überfällige Anerkennung erhält.
Kenner der Materie, wie Alexander Braun, Eckhart Bauer oder Tim Eckhorst, haben nicht nur Ausstellungsstücke geliehen, sondern auch am Katalog mitgeschrieben. Und so ist sichergestellt, dass es sich bei der nun vorliegenden Veröffentlichung nicht nur um eine Art Familiengeschichte handelt, sondern deren Wirken auch zeit- und kunsthistorisch entsprechend eingeordnet wird.
Viele Abbildungen aus dem Dirks-Nachlass oder von den privaten Leihgebern, zeigen nicht nur wie sich die Katzenjammer Kids über die Jahre verändert haben, sondern auch, wie sie von den großen Zeitungsverlegern (William Randolph Hearst und Joseph Pulitzer) eingesetzt wurden, um Leser zu binden und Auflage zu machen.
Der Sekundärband erklärt auch daher, warum die Serie eine Zeit lang parallel in zwei führenden US-amerikanischen Zeitungen erschien - einmal gezeichnet von Rudolph Dirks (unter dem neuen Titel: The Captain and the Kids), das andere Mal von Harold H. Knerr (unter dem Titel The Original Katzenjammer Kids). Und er erklärt die Beziehung zwischen den Katzenjammer Kids und Max und Moritz von Wilhelm Busch.
Auch das Œvre des mit 21 Jahren viel zu früh gestorbenen Gus Dirks wird gezeigt - Postkarten, Strips und Originalzeichnungen, die an der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhunderts entstanden sind und erahnen lassen, dass auch der kleine Bruder eine große Karriere als Zeichner hätte haben können, wenn ihn nur nicht der Liebeskummer in den Tod getrieben hätte.
Was besonders besticht: Der Katalog glänzt durch seine hervorragenden Reproduktionen. Sonntagsseiten und Fotos. Die fundierten Texte sind auch für Nicht-Experten wunderbar lesbar. Und das hochkantige Buchformat gibt einen Eindruck wieder, von den großformatigen Sonntagseiten, auf denen die filigranen Zeichnungen im Original noch viel besser zu erkennen gewesen sein müssen.
Als kleiner Exkurs dürfte der letzte Beitrag im Katalog angesehen werden. Ein Text zu einem dritten Zeichner aus Dithmarschen, der neben den Dirks-Brüdern einen Beitrag zur Comicgeschichte geleistet hat, wie es dort heißt. W.H.D. Koerner heißt der Mann, der 1902/03 für die Chicago Sunday Tribune eine Serie namens Hugo Hercules zeichnete. Einen Vorläufer von Superman, mit übermenschlichen Kräften, der ganze Häuser in die Luft stemmen konnte. Für viele auch eingefleischte Comicfans dürfte dies eine neue Erkenntnis sein.
Wer also die Ausstellung verpasst hat, sollte hier zum Katalog greifen. Ein Buch, das viele Überraschungen bereithält und zudem beweist, dass der Christian A. Bachmann Verlag zuletzt zurecht den ICOM-Independent-Comic-Preis gewonnen hat.
[Alex Jakubowski]
Abbildungen © 2018 C.A. Bachmann / King Features Syndicate Inc./Distr. Bulls
Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis
Oder beim Verlag: Christian A. Bachmann Verlag