House of Heroes: Folge 2 - DC Relaunch

Kolumne: US-Markt

House of Heroes: Staro talks about US Comics

→ von Stefan Immel

Folge 2: Betört vom Hype. Der DC-Lockstoff wirkt.

Jetzt ist er schon einige seit einiger Zeit bekannt: der DC Relaunch. Es wurde darüber berichtet, geschrieben, gebloggt, geflucht und geschwärmt. Matthias Hofmann kommentierte ihn für bei CRON gleich einen Tag nach der ersten DC-Pressemeldung. Marc-Oliver Frisch fasste das Thema zusammen bei Comicgate. Es wird in diversen Foren darüber diskutiert. Aufgezeichnet.tv berichtet darüber und auch ich habe in meinem Blog bereits darüber geschrieben und sogar einen persönlichen Wunsch-Reboot zusammengestellt.

Von relativ begeistertem »DC macht das schon« und »Das wird super!« bis zu einem fast schon verächtlichen »Clusterfuck« sind alle Meinungen vertreten und alle Pros und Cons bereits ausführlich durchgekaut worden. Es wurde der Sinn oder Unsinn einer neuen Nummer Eins besprochen, sich über das Fehlen bestimmter Helden beschwert, festgestellt, dass zu wenig weibliche Schreiber und Zeichner dabei sind und gar das Heilen einer Behinderung beweint.

Auf der San Diego Comic-Con drehte sich bei DC alles um den Relaunch. Die Serien, die im Oktober neu starten und nur kurz vor der Comic-Con vorgestellt wurden, hat man fast nur am Rande erwähnt. Vielmehr ging es darum, neue Artwork zu zeigen und sowohl Dan DiDio, Jim Lee und Geoff Johns, als auch die anderen Autoren und Zeichner zu Wort kommen zu lassen. Das alles wirkte auf mich wie eine seltsame Mischung aus Schadensbegrenzung und der verzweifelten Bitte, den 52 Serien doch eine Chance zu geben.

Auf Facebook versucht Dan DiDio die wichtigsten Fragen zu beantworten oder zu umgehen und auf Twitter ist es ausgerechnet Gail Simone, die mit Batgirl wohl einen der kontroversesten Titel schreibt, die auf ihre unnachahmliche Art und Weise Fans davon zu überzeugen versucht, dass DC den richtigen Weg eingeht. Und das, obwohl es Fehler geben wird, diese auf dem Weg zu mehr Lesern unvermeidbar sind und man das Ziel hat sich, ständig zu verbessern.

Den Hype der Massenmedien hat DC, ganz im Sinne der Sache, bereits erreicht. Ich bin mir zudem sicher dass wir etwas Ähnliches erneut Ende August bzw. Anfang September erleben werden, vielleicht sogar dann auch hier in Deutschland. Gerade der Plan, Werbung im Fernsehen zu schalten dürfte dem Ganzen noch einmal einen Schub geben. Die negativen Stimmen beschränken sich auf comicspezifische News-Seiten und Fan-Foren. Aber hier sind wir ja gewohnt, dass die Leute zunächst über jede noch so kleine Änderung schreien und dann die Hefte dennoch kaufen. Und genau das ist für DC wichtig: hohe Absatzzahlen. Wenn man bereits im September mit guten Zahlen punkten kann, die Hefte außerdem zugänglich und qualitativ ansprechend sind, kann sich hier eine positive Entwicklung einstellen.

Mein größtes Problem mit dem Relaunch ist nicht die fast täglich wechselnde Länge der Hose von Wonder Woman oder die Tatsache, dass Superman seine rote Unterwäsche nicht mehr über dem Strampelanzug trägt. Es ist auch nicht das Fehlen von Power Girl oder der JSA, oder gar die Tatsache, dass die geplante neue Geschichte des DC Universums nicht wie angekündigt sinnvoll in fünf Jahre zu fassen ist. Und es wird vielleicht einige überraschen, aber es ist auch nicht die Tatsache, dass bei all den Ankündigungen ein Chaos bezüglich des Zusammenspiels der einzelnen Charaktere fast schon vorprogrammiert ist.

Mein größtes Problem ist, dass der Hype bei mir funktioniert. Ich habe bereits 18 der neuen Serien beim Comichändler meines Vertrauens vorbestellt und überlege hier noch zu erweitern, bzw. mir einige der neuen Nummer 1 Hefte digital zu holen. Obwohl es nicht das erste Mal ist, dass Superman in seiner Laufbahn seinen Kräftelevel angepasst bekommt, ist die für Action Comics #1 angekündigte Anpassung doch etwas radikaler als zuvor. Und ich traue Grant Morrison durchaus zu, eine interessante Geschichte zu schreiben, insbesondere da er dies mit All-Star Superman bereits für die gegenteilige Entwicklung getan hat. Dass Sinestro vorerst die »primäre« Green Lantern sein wird und Hal Jordan ganz ohne Ring da stehen soll, macht für Einsteiger, die frisch aus dem Kino kommen, sicher wenig Sinn, aber für Alt-Leser bietet sich hier einiges an interessanten Konflikten.

Die Idee, dass Stormwatch bereits seit langer Zeit das DC Universum beobachtet und im Geheimen eingreift, ist auch nicht so innovativ, wie man vielleicht meint, kann aber gerade in der Welt von Superman und Batman für frischen Wind sorgen. Generell hört sich die Einbindung einiger der Charaktere aus dem ehemaligen Wildstorm-Imprint durchaus interessant an, wenn man bedenkt, dass sich alles in der sonst primär schwarzweißen Welt der DC-Helden abspielt. Selbst doch eher obskure Elemente, wie Blackhawks die Nanotechnologie einsetzten oder sogar ein Western der in Gotham spielt (und wo man sicher auch auf Vorfahren »berühmter« Persönlichkeiten trifft) scheinen mir zumindest einen (digitalen?) Blick wert zu sein. Hier ist dann auch die mittelalterliche Geschichte Demon Knights um Etrigan und seine Gruppe einzuordnen, die mit Schwert und Magie gegen das Böse kämpfen.

Man hat sich außerdem dafür entschieden, einige der Vertigo-Titel zu integrieren, so dass eine »dunkle« Seite des DC-Universums entsteht. Von Scott Snyder habe ich selbst noch nichts gelesen, aber sehr viel Gutes gehört und ich traue ihm durchaus zu, ein interessantes Swamp Thing zu schreiben. Justice League Dark mag ein ungeschickter Titel sein, aber Peter Milligan beweist aktuell bei Hellblazer, dass er John Constantine interessant schreiben kann und vor allem wirklich interessante Wendungen aus dem Hut zaubert.

Bei anderen Heften sind es die Autoren oder Zeichner, die mein Interesse wecken. Sei es Jim Lee, der hoffentlich möglichst lange seine Arbeit an Justice League pünktlich zustande bekommt, oder Keith Giffen, der bei den Previews zu O.M.A.C. schon fast wie ein moderner Kirby wirkt. Die Kombination von Brian Azzarello und Cliff Chiang hat mir bereits bei der Doctor 13 Geschichte »Architecture & Mortality« sehr gut gefallen. Ich bin schon sehr gespannt darauf, was die beiden mit Wonder Woman anstellen. Bei Batgirl und Firestorm ist es Gail Simone, die mich für diese beiden Titel erwärmen konnte. Ihre Begeisterung für die Protagonisten lassen sehr viel Gutes hoffen.  Sami Basri hat mir bei Power Girl primär nicht gefallen, weil er auf Amanda Connor folgte, aber die Vorschaubilder zu Voodoo sehen zu gut aus, als dass ich mir das entgehen lassen würde.

Und so laufe ich vielleicht mit offenen Augen in mein Verderben, gebe zu viel Geld für mittelmäßige Comics aus, die wahrscheinlich zueinander auch noch unlogisch sind und die mir wichtigen Charaktere in den Hintergrund verdrängen. Vielleicht unterstütze ich damit dann den weiteren Untergang der amerikanischen Mainstream-Superhelden und zeige, dass ich mich sehr einfach von irgendwelchen Marketingmaschen beeinflussen lasse.

Vielleicht aber überrascht mich (und uns alle?) DC doch mit hoher Qualität, interessanten Storys, wirklich neuen Entwicklungen und damit der Rettung des US-Comicmarktes?

Ich jedenfalls habe die Hoffnung nicht aufgegeben und verfolge alles rund um den Relaunch sehr skeptisch, aber dennoch positiv.

Abbildungen © DC Comics


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Über den Autor

Stefan »Starocotes« Immel, geboren 1968, liest seit über 20 Jahren US-Superhelden-Comics der großen Verlage und beschäftigt sich mit den Autoren und Künstlern, Redakteuren und Verlegern. Seit vier Jahren betreibt er ein Blog, das sich primär um Comics dreht.

Glücklicherweise wird von seiner Frau dieses Hobby nicht nur geduldet, sondern auch unterstützt und seine beiden Kinder kennen ebenfalls schon mehr Superhelden als der durchschnittliche Deutsche.