Abt: Rest in Peace
Kai Wilksen
* 04.07.1962 - † 01.07.2011
Ein Nachruf von Ulrich Pröfrock
Kai Wilksen stammte aus einer frankophilen Familie. Schon bei den ersten Gastaufenthalten in den 1970er Jahren lernte er die Selbstverständlichkeit kennen, mit der Comicliteratur ihren Platz im Bücherschrank klein- wie großbürgerlicher französischer Familien hatte. Mit ebensolcher Selbstverständlichkeit blieben Comics stets Teil seines Lesealltags während Schul- und Studienzeiten. Dass die Comicwelt auch seinen Alltag bestimmen würde, ergab sich in seiner Wahlheimat Freiburg, wo er als Kunde der Buchhandlung »X für U« in den achtziger Jahren eine für damalige Zeiten unübliche Auswahl originalsprachiger Ausgaben vorfand. Aus regelmäßigen Besuchen und Gesprächen ergab sich nähere Bekanntschaft, nach Beendigung seines Studiums gelegentliche Mitarbeit, schließlich feste Anstellung, mit der Aufgabe, den Import französischer Comics unter seine Fittiche zu nehmen.
Der Schritt in die Selbständigkeit folgte wenige Jahre später mit Gründung des »Passe-Partout-Buchservice«, der mit großer Hingabe betrieben einen in Umfang und Detailliertheit bis dahin nicht gekannten Dienst für Interessenten französischsprachiger Originalausgaben anbot.
Parallel entstanden, zunächst in Zusammenarbeit mit Ulrich Pröfrock von der »X für U«-Buchhandlung, erste Übersetzungen aus dem Französischen und Englischen, zunächst noch aus Gefälligkeit für befreundete Kleinverleger, und aus Lust, sich der Herausforderung zu stellen, anspruchsvolle Comicliteratur angemessener zu übertragen, als es oftmals offenbar der Fall war.
Die unzureichende wirtschaftliche Tragfähigkeit des Buchdienstes, der jedoch als Herzenssache weiterhin unermüdlich aufrecht erhalten wurde, machten schnell aus der Nebenbeschäftigung eine Hauptsache. Die Qualität seiner Arbeit ließ ihn in kurzer Zeit zu einem der gefragtesten Übersetzer der Branche werden. Sein Name findet sich im Impressum von Titeln von Reprodukt, Carlsen, Avant, Edition Moderne, Knesebeck, Edition 52, Cross Cult und anderen mehr. Die deutschsprachigen Ausgaben von Lewis Trondheims Werk sind untrennbar mit seinem Namen verbunden. Die Übertragungen von Tardi, Baru, Blain, Larcenet, David B., Killoffer, Seth, Joe Matt und vielen anderen mehr haben maßgeblich zu einer verstärkten Wahrnehmung zeitgenössischer Comicliteratur außerhalb der deutschen Comicwelt beigetragen.
Schon erkrankt, gipfelte seine Arbeit in der Verleihung des Deutschen Jugendbuchpreises 2010 an Bravos und Regnauds Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen unter besonderer Erwähnung der Qualität der Übersetzung.
Dass der Historiker und Literaturwissenschaftler die immens schwierige Aufgabe übertragen bekam, Heuets Comic-Bearbeitung von Prousts Auf der Suche der verlorenen Zeit in eine deutsche Textgestalt zu fassen, war nur folgerichtig. Er meisterte sie mit Bravour. Seine letzte vollendete Übersetzung sollte Golos B.Traven-Biografie für den Avant-Verlag werden. Man hätte keinen Besseren dafür finden können.
Der deutschen Comicwelt ist ein Mitstreiter verloren gegangen, der, von nur wenigen bemerkt, große Wirkung entfaltet hat. Seinen Weggefährten in Deutschland, ganz Europa, den USA, bis nach Neuseeland wird ein immens kenntnisreicher, liebenswerter Freund fehlen, den Messen in Angoulême, Haarlem, Luzern, Frankfurt, Erlangen, Berlin, München die Anwesenheit des wortmächtigen Gauloises-Rauchers, der stets im Herzen der Schar internationaler Besucher anzutreffen war.
Kai Wilksen starb am 1. Juli 2011, kurz vor seinem 49. Geburtstag.
Er fehlt schon jetzt.
Foto © B. Baumann
Abbildung © Carlsen