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Frisch Gelesen Folge 158: Identikid

»Wie bei Planet der Affen. Die ganze Zeit Streit und Krieg, weil sie von diesem abgefuckten Planeten weg wollen. Und dann merken sie, dass sie auf der Erde sind und so. Sie sind zu Hause. … Der Planet der Affen ist in mir drin.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Identikid
Text: Moa Romanova
Zeichnungen: Moa Romanova

avant-verlag
Softcover | 184 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 978-3-96445-035-7

Genre: Psychodrama

Für alle, die das mögen: Julia Bernhard, Anna Haifisch, Ulli Lust


 

Moa ist Mitte 20. Sie lebt ein kleines Leben in einer kleinen Wohnung, ohne Job und mit wenig Geld. Ihr Alltag und ihre Gedanken kreisen vor allem um ihre Gefühle und die Panikattacken, die sie immer mal wieder hat. Eines Tages trifft sie über eine Dating-App einen älteren Bekannt-aus-Funk-und-Fernsehen, mit dem sie fortan eine sehr lockere Fernbeziehung über Telefon und Kurznachrichten führt. Der TV-Mann will ihr Mäzen werden, aber zugleich auch ihr Freund (im Sinne von Sexualpartner), was schließlich die Beziehung beendet – sie will nicht. Immerhin: Moa spricht über alles mit ihren Freunden, überwindet dabei einige Ängste und lernt etwas dazu. Ende offen.

Die Zusammenfassung des autobiografischen Debüts der Schwedin Moa Romanova klingt nach nicht viel – und das ist leider richtig. Romanova erzählt länglich eine Episode (ein Jahr?) aus dem Leben einer jungen Frau mit Problemen, die viele haben: Angst, Desorientierung, die manchmal hoffnungslos wirkende Suche nach einem Weg in ein besseres Leben. Ende des vergangenen Jahrhunderts, als derlei Schwierigkeiten auch schon weit verbreitet waren, aber oft noch tabuisiert wurden, wäre die Graphic Novel wohl zumindest für Betroffene erhellend gewesen (»Es geht nicht nur mir so!«). Heute dagegen, wo jede Form von Devianz problematisiert (und damit oft kommerzialisiert) wird, ist der Erkenntnisgewinn eher gering. Zumal Moa Romanova selten über das Beklagen der Situation hinauskommt.

Immerhin ist Identikid grafisch recht weit vorne. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die mit Rosa (Alltag), Gelb (Dialoge) und Grün akzentuiert werden, liegen zwischen Manga und New-Wave-Comics der 80er und sind in den besten Momenten wirklich beachtlich. Die Perspektiven sind oft extrem, vieles wirkt etwas schief, was aber gut zur Weltsicht der Protagonistin passt. Moa Romanova gelingt es so vor allem in der zweiten Hälfte des Buches, unterschiedliche Situationen visuell überzeugend rüberzubringen: von der Techno-Party über den Waldspaziergang bis zu dem kurzen Besuch einer Katze. Das alles ist schön anzusehen und stimmungsvoll, vor allem in den Momenten, in denen es um nichts geht.



Aber natürlich geht es die meiste Zeit um die Hauptfigur, und ihre Probleme sind ab einem gewissen Punkt nicht nur absehbar – ihre enorme Egozentrik nervt zunehmend. Es scheint, als seien ihr alle Menschen suspekt, die eigene Interessen verfolgen, allen voran der Fernsehstar, aber auch ihr Therapeut, der nur Plattitüden von sich gibt und sie dafür abkassiert. Die Szene ist besonders ärgerlich: Betroffene, die das Buch lesen, könnten den Eindruck haben, Therapeuten bringen sowieso nichts. Nicht hilfreich!

Nicht nur hier fehlt es an Reflexion. Dabei hätte das Thema viel hergegeben, was die beste Sequenz des Buches sehr deutlich macht: Moa fantasiert unter der Dusche von einer Beziehung zu einem Mann, der sich in einer Handvoll Panels von einem Traum in einen Alptraum entwickelt. Die Zerstörung schöner Gefühlen in endlosen Grübelmühlen ist ein Mechanismus, mit dem viele zu kämpfen haben – hier ist er perfekt dargestellt. Aber solche Momente bleiben leider die Ausnahme. Der Rest ist ein langes, tiefes, ödes Tal des Jammerns.

[Peter Lau]

Abbildungen © 2020 avant-verlag


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