Frisch Gelesen Folge 303: Ping Pong

»Pak. Pok. Pak. Pak. Pak. Pok. Pok. Pak. Pok.«


FRISCH GELESEN: Archiv 


Ping Pong 1

Story: Taiyō Matsumoto
Zeichnungen: Taiyō Matsumoto

Reprodukt
Taschenbuch | 344 Seiten | s/w | 14,90 €
ISBN: 978-3-95640-319-4

Genre: Sport, Drama

Für alle, die das mögen: Kinderland (Reprodukt), Ashita no Joe, Mila Superstar (Egmont Manga)



Was viele europäischen Leser nicht wissen: Taiyō Matsumotos Karriere als Mangaka begann mit Sportmanga. Ging es in Straight um Baseball und in Zero ums Boxen, also zwei sehr beliebte Sportarten in Japan und dem Rest der Welt, widmete er sich Mitte der Neunzigerjahre dem Nationalsport aller Karohemden-Träger, Herr-der-Ringe-Leser und Informatikstudenten: Tischtennis.

Der Berliner Verlag Reprodukt bringt nun die Bände von Ping Pong in deutscher Übersetzung heraus – angekündigt als »erzählerisch und zeichnerisch weit jenseits des Mangamainstreams angesiedelt«. Was nur so halb stimmt. Zum Glück, denn es ist kein Feuilletonmanga für ausgewählte Redakteure. Ping Pong spricht ein breites Publikum und nicht nur jene ehemaligen Herr-der-Ringe-Leser an, die heute ihr immer noch karobehemdetes Dasein in Kulturredaktionen fristen. Was daran liegt, dass Matsumoto sich (fast) an eine klassische Erzählstruktur hält.


Tischtennis ist eine Welt für sich. Eine Welt auf 2,74 Metern Länge und 1,52 Metern Breite mit Helden wie Timo Boll, Zhang Jike und Angelica Adelstein-Rozeanu. Mit Begriffen wie Shakehand, Penholder und Kantenball. Diese Welt breitet Matsumoto in Ping Pong anhand der beiden Schüler Makoto Tsukimoto und Yutaka Hoshino aus. An dieser Stelle folgt eine kurze Übersicht über die wichtigsten Momente des Schlagabtauschs zwischen Matsumoto und den Lesern in diesem Manga.

Aufwärmen: Schnellabriss der Sportreporter zu Matsumoto: Der heute 54-Jährige galt beim Erscheinen von Ping Pong bereits als sehr spannender Künstler. Tekkon Kinkreet erschien kurz vor Ping Pong, die Dröhnung an Avantgarde von GoGo Monster lag noch in der Zukunft. Sein Stil unterscheidet sich in den Zeichnungen zwar von bekannten Manga, der manchmal krakelige Strich sorgt für eindringliche Mimik bei Figuren. Doch Matsumoto weicht in den Szenen an der Tischtennisplatte nicht von anderen Sportmanga ab. Bälle fliegen, sausen, prallen, knallen und donnern dahin. Matsumoto verlässt sich wenig auf Speedlines, vielmehr auf das Layout der Seite und dynamische Bewegungen bei seinen Figuren. Das funktioniert sehr gut. Sahen übrigens auch die Leute beim Osmua-Tezuka-Kulturpreis so – sowohl 1997 als auch 1998 war Matsumoto mit der Serie für die bekannte Auszeichnung nominiert.


Aufschlag: Direkt von der ersten Seite an schwingt in Ping Pong die typische Melancholie eines Matsumoto-Manga mit. Weil zumindest Tsukimoto sich anfangs nur durch die Geschichte treiben lässt. Jedoch sollen beide Schüler beim Sommerturnier für ihre Oberschule antreten. Eine der rivalisierenden Schulen hat sich einen chinesischen Austauschschüler besorgt. Der junge Mann, der es fast ins Olympia-Team seines Landes schaffte, lächelt nur müde, wenn er die anderen Schüler sieht. Nur Tsukimoto (und ein wenig Hoshino) wecken seinen Kampfgeist. Das ist das entscheidende Duell. (Quasi das Kickers gegen die Teufel dieses Manga.)

Spin: Die Geschichte in Ping Pong entwickelt erst nach einer Weile eine Eigendynamik – als der chinesische Austauschschüler auftaucht. Matsumotos Melancholie bremst anfangs die Geschichte, allerdings wandert sie nicht in Tagträume wie in Sunny ab, sondern die Figuren haben klare Motive und Charakterzüge. Zudem ist das Genre kein Spielball, sondern der japanische Künstler bewegt sich innerhalb der Konventionen. Im Verlauf tauchen zwar noch diese stillstehenden Seiten auf, wenn etwa bei einem Match Matsumoto in drei Panels auf der ganzen Seite Publikum, Trainer und gegnerische Bank einfängt. Da weht nicht ein Lüftchen, es gibt keinen Sound auf dieser Seite. Und je mehr die dynamischen Szenen mit Tischtennis und solche Momente sich gegenüberstehen, umso spannender lädt sich diese Geschichte auf.


Netzroller: So wird auf den letzten Seiten des ersten Bandes klar: Das hier ist einer der besten Sportmanga, die es derzeit in deutscher Übersetzung gibt. Weil Matsumoto es schafft, das jeweils Beste aus seinem Stil und dem Genre herauszuholen und es miteinander zu verbinden. Der Punkt geht definitiv an den Mangaka.

Regeneration: Wer den Schwung aus dem ersten Band mitnehmen will, muss sich bis November gedulden – dann erscheint der zweite Band der Serie bei Reprodukt. Ob Matsumoto alles aus dem ersten Teil so halten kann? So viel sei zum Spielausgang verraten: Sowohl in Japan als auch den USA (da erschien der Manga vor zwei Jahren bei VIZ Media) zählt Ping Pong unter Fans und Kritikern oft zu den besten Sportmanga der vergangenen Jahre. Und im zweiten Teil scheint es zum Duell zwischen den beiden Freunden Tsukimoto und Hoshino zu kommen. Ohne angezogene Handbremse wie noch im ersten Band. Was da noch kommen möge, bis hierhin gilt für Ping Pong: großes Tischtennis mit leichten Unkonzentriertheiten im ersten Satz.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2022 Reprodukt / Taiyō Matsumoto


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