Frisch Gelesen Folge 263: Schwarze Spiegel

»Schwarze Spiegel lagen viel umher. ›Hat viel geregnet‹ heißt es wohl auf Einfachdeutsch.«

Frisch Gelesen Folge 253: Die Vögel - fliegen hoch!

Szene aus Die Vögel - fliegen hoch!

»Was war?«
»Banküberfall.«
»Wozu brauchst du so viel Geld?«
»Spielschulden.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Die Vögel – fliegen hoch!Titelbild von Arne Zanks Die Vögel - fliegen hoch!

Story: Arne Zank
Zeichnungen: Arne Zank

Ventil Verlag
Hardcover | 128 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 978-3-95575-146-3

Genre: Humor, Komödie, Krimi

Für alle, die das mögen: Die viereckige Welt der Kubixe (Jacoby & Stuart), Ein kleiner Schritt für die Menschheit (Jaja Verlag), Abenteuer in Rio (Spielfilm, 1964)



Der Blick fällt auf ein quadratisches Hardcover, das drei sonderbare Typen zeigt, die in einem Auto sitzen und unschwer als Federvieh zu identifizieren sind. Doch was soll das sein, dieses Vögel-Dingsda mit einer Aneinanderreihung krakeliger Zeichnungen und Sprechblasen, die ähnlich zittrig gelettert sind? Ein Kinderbuch oder ein Skizzenband? Weder noch. Arne Zank, der alles schrieb und illustrierte, erzählt hier eine erstaunlich lange, aber gar nicht langweilige Story, die auf den ersten Seiten so gar nicht zur gewählten Optik passen will. Doch nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ist der Leser voll drin und merkt, dass diese simpel erscheinende Grafik viel Raum für die eigene Vorstellungskraft lässt.

 Titelbild von Die Vögel - fliegen hoch! Lädt zum Schmunzeln ein: das Cover von »Dr.« Arne Zanks Comic.


Schon das Titelbild lädt zum Schmunzeln ein. Das vorgeschaltete »Dr.« vor dem »Arne Zank« klingt schwer nach dem Missbrauch eines akademischen Titels, denn Zank ist kein Doktor, dafür aber hauptberuflich Schlagzeuger bei der Band Tocotronic. »Kriminell« geht es auch im Innenteil weiter. Ein großer Vogel überfällt eine Bank, was mit nur drei Panels superschnell abgehandelt ist, und türmt danach mit einem kleineren. Damit beginnt eine irre Odyssee, die die beiden über Land, Wasser und sogar nach Dänemark führt. Dänemark? Wieso ausgerechnet dahin? Des Rätsels Lösung: Die zwei lieben sich und wollen heiraten. Und das am besten gleich. Also liegt es nahe, es dort zu machen, denn in Dänemark gibt es das Jawort viel unbürokratischer als bei uns. Doch ganz so einfach geht das nicht, der Leser ahnt es von Anfang an. Und überhaupt, im Rahmen einer Flucht klingt das einfach nur nach einer Schnapsidee. Aber was soll's, weiter geht's!

Leseprobe aus Die Vögel - fliegen hoch!Nicht die Welt retten, sondern mal kurz eine Bank überfallen.


Das Duo ist ständig in Bewegung und dreht dabei einige krumme Dinger. Ganove bleiben eben Ganove. Und was ist mit Planung oder Voraussicht? Nichts. Chaos ist also programmiert. Trotzdem klappt vieles leidlich gut, denn auf der Flucht wird ihnen oft und gerne geholfen. Vögel müssen ja schließlich zusammenhalten. Allerdings nimmt es unser Lieblings-Bankräuber mit der Ganovenehre nicht so genau und schwärzt schon mal einen Kollegen an, vor allem wenn er sich damit einer Verhaftung entziehen kann. Das sorgt selbstverständlich für zusätzliche Verstrickungen und erschwert das weitere Fortkommen.

Leseprobe aus Die Vögel - fliegen hoch! Auf der Flucht: kurze Verschnaufpause auf dem Bauernhof. Und: Es sind noch viele Seiten zu lesen.


Dieses Album ist klasse! Nahezu jede Seite bietet neue Eindrücke und daraus resultiert ein spritzig unterhaltsamer Lesestoff. Können die Helden noch einmal ihren Hals aus der Schlinge ziehen? Wohin werden sie noch fliehen? Zank legt bei seiner liebenswerten Story um einen notorischen Kriminellen ein rasantes Tempo vor, hält das bis zum Schluss ohne Ermüdungserscheinungen durch und verhaspelt sich an keiner Stelle. Diese erzählerische Hast macht viel Spaß und überträgt sich schnell auf den Leser. Trotzdem ist genaues Hinsehen erforderlich, manchmal sogar Innehalten. Zu schnell ist etwas überlesen oder übersehen. Höchste Konzentration ist also angesagt. Überhaupt: Dieser Band lädt förmlich dazu ein, mehrmals gelesen zu werden. Hier eine interessant Frage. Um was für Vögel handelt es sich bei den Helden überhaupt? Wohl um weiße – obwohl diese gelb sind. Hühner vielleicht. Auch hier gibt es jede Menge Spielraum. Mag jemand weiße Enten? Kein Problem, dann sind es eben weiße Enten.

Leseprobe aus Die Vögel - fliegen hoch!Mit kaputtem Bein muss Fahrstuhl schon sein, auch wenn die Verfolger nahen. Ohne Worte, die schrägen Vögel sind einfach nicht zu fassen.


Als Zugabe versammelt das letzte Kapitel »Frühe Vögel« die Abenteuer ihrer Vorgänger, die so aussehen, als wären sie unter Zuhilfenahme von Zirkel und Lineal entstanden. Es handelt sich hierbei um schwarzweiße querformatige Kurzstrips aus den Jahren 1997 bis 2001, die jeweils eine Drittelseite belegen. Die sind aber bei weitem nicht so witzig, wie die aktuell vorliegende Räubergeschichte.

Die Vögel – fliegen hoch! ist ein toller Band mit Protagonisten, für die 3G oder 4G gilt, je nachdem, wie die Worte gezählt werden: »geflügelt, gerissen, geben Gas«!

[Walter Truck]

Abbildungen © 2021 Ventil Verlag / Arne Zank


Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis

Oder beim Verlag: Ventil Verlag

Frisch Gelesen Folge 250: Dein Bücherregal verrät dich

Dein Bücherregal verrät dich

»Ich beurteile Bücher ja nie nach dem Cover. Buchrücken aber sind etwas völlig anderes.«

Frisch Gelesen Folge 246: In der Tusche liegt die Wahrheit

In der Tusche liegt die Wahrheit Teaser

»Mein Sohn ist Comiczeichner.«
»Da können sie stolz sein. Meiner ist nur Arzt.«

Frisch Gelesen Folge 244: Die viereckige Welt der Kubixe

»Kubix: Lebewesen von kubischer Form und grüner Farbe. Da ihre Beine und Arme einziehbar sind, lassen sie sich gut stapeln.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Die viereckige Welt der Kubixe

Story: Éléonore Douspis
Zeichnungen: Éléonore Douspis

Jacoby & Stuart
Hardcover │ 56 Seiten│ Farbe │ 14,40 €
ISBN: 978-3-96428-109-8

Genre: Parabel, Humor, Kinderbuch

Für alle, die das mögen: Die Shadoks (Zeichentrickserie), »Im Land der viereckigen Eier« (Donald-Duck-Geschichte von Carl Barks, 1949), »Zurück ins Land der viereckigen Eier« (Donald-Duck-Geschichte von Don Rosa, 1989)



Die Preisfrage lautet: Wo leben die Kubixe? Laut Éléonore Douspis irgendwo auf der Welt, eingezwängt zwischen Bergen und dem Meer, in der viereckigsten aller Städte. Die grünen Kubixe sehen mit ihrer quadratischen Form putzig aus und ernähren sich ausschließlich von grünem Obst und Gemüse, woraus ihre Farbe resultiert. Weniger schön klingt aber das ihnen angedichtete Naturell, zumindest in der deutschen Übersetzung, denn »ihr Denken entspricht der Form ihres Gehirns«. Später werden wir sehen, dass viele Kubixe aufgrund ihrer besonderen Statur vierkantige Dinge einfach gerne haben – und mit anderen Geometrien extrem fremdeln. Und leider auch richtige Quadratschädel sein können. Die Kubixe sind so intelligent wie wir und starten sogar eine Rakete in den Erdorbit. Dort erleben die Astronauten aber eine große Überraschung, denn die Erde ist ja kugelförmig. Das ist für sie zwar nicht so schön, denn sie gingen davon aus, dass die Erde kantig ist. Sie verschließen sich dieser Tatsache jedoch nicht und beweisen damit, dass sie in der Regel keine Flat-Earth-Anhänger sind.


Die Anatomie der Kubixe. Beachtenswert: Die Geschlechter unterscheiden sich durch die Haartracht.
Ein weiblicher Kubix hat fünf Haare, ein männlicher zwei.


Das grundsätzliche Setting weckt wohlige Erinnerungen an zwei Donald-Duck-Abenteuer, die von Carl Barks und Don Rosa in jeweils verschiedenen Jahrzehnten geschaffen wurden. Beide drehen sich um sonderbar kantige Lebewesen, die viereckige Eier legen und fernab unserer Zivilisation zusammen mit ebenso merkwürdig geformten Menschen leben. Doch damit enden auch die Ähnlichkeiten, denn besagte Geschichten sind einfach nur ausgezeichnete Unterhaltung, während Douspis zusätzlich andere Inhalte vermittelt. Dazu aber später mehr. Die Kubix-Geschichten sind stellenweise sehr witzig und erinnern damit entfernt auch an die mehr oder weniger sinnbefreite, aber äußerst unterhaltsame und skurrile TV-Trickserie Die Shadoks, die in den Endsechzigern startete. Aber auch nur entfernt.


Tja, leider ist die Erde nicht eckig! Aber wenn alles doofe Rundliche beseitigt wird, dann wird es auf dem Boden schon deutlich heimeliger… und eckiger.


Bei den Kubixen dagegen bleibt einem manchmal das Lachen im Hals stecken. Wie gesagt, Kubixe sind grün, weil sie entsprechend gefärbte Nahrung zu sich nehmen. Das ist aber für viele recht langweilig, woraufhin besondere Restaurants eröffnen, die revolutionäre Fusion-Gerichte präsentieren: so mit Bananenscheiben, blauen Pilzen, Zitronen und so. Eine lukullische Offenbarung, die aber nicht unproblematisch ist, da sich die Hautfarbe eines Kubix nach dem zügellosen Genuss derartiger Spezialitäten drastisch verändern kann. Zum Beispiel ins Gelbliche. Das ist politisch aber nicht gewollt, und so werden von der Norm Abweichende mit Gefängnis und kulinarischer Umerziehung bestraft. Schlecht ergeht es auch denen, die körperlich von der Norm abweichen und nicht exakt gleichkantig sind. Von den Ordnungshütern werden diese dann als »grenzwertig« bezeichnet. Aber zum Glück lassen sich nicht alle davon beeindrucken. Es gibt eine Art unorganisierten kleinen »Untergrund«, bei dem von anderen Zuständen geträumt werden darf. Ein Kubix wäre sogar »am liebsten von vielen Sternen« bedeckt. Sehr extravagant!


Keine Frage, die Kubixe sind technisch äußerst begabt.


Éléonore Douspis spricht mit ihren eckigen Protagonisten sowohl junge bis sehr junge Leser an als auch Ältere, was angesichts des politischen Inhalts erstaunlich ist. Der Comic kann also auch als Kinderbuch genutzt werden. An vielen Stellen sind die Gleichnisse schnell zu erkennen, an anderen kann und sollte über das Erzählte ausgiebig diskutiert werden. Ist dies aber eingeplant, dann dürfte einem beiderseitigen Lesegenuss nichts im Wege stehen. Douspis Strich ist übrigens sehr schön anzusehen. Die Kubixe sind einfach nur putzig!


Merke: Kubixe wirken unhöflich. Aber offenbar sind sie nur sehr ängstlich.


Diese Arbeit kann zweierlei interpretiert werden. Als fesselnde Unterhaltung für Groß und Klein, aber auch als Werk einer Künstlerin, die auf diese Art Zeichen gegen Ausgrenzung, Rassismus und totalitäre Staaten setzt. Der Stoff hat es in sich. Das fällt aber erst auf, nachdem die Geschichte peu à peu an Tiefe gewinnt und immer düsterer wird. Denn die Kubixe finden eine Möglichkeit, die Welt außerhalb ihrer Stadtmauern ihrem geometrischen Ideal anzupassen; das Runde also irgendwie ins Eckige zu pressen. Würfelige Elefanten? Klingt irgendwie nicht so schön. Aber keine Angst, Éléonore Douspis kriegt mit einem hübschen Finale – so viel sei verraten – locker die Kurve.


Nicht so cool! Mit »neuen« Tier-Modellen wird die ungewohnte Welt außerhalb der Stadt kantig. Mal sehen, was den Kubixen noch so einfällt.

[Walter Truck]

Abbildungen © 2021 Jacoby & Stuart / Éléonore Douspis


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Oder beim Verlag: Jacoby & Stuart