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Comics des Jahres: Unsere Favoriten 2024

Welche Comics waren die besten des Jahres 2024? Wie jedes Jahr haben wir auch im gerade zu Ende gegangenen nach den drei Lieblingscomics unserer Autorinnen und Autoren gefragt. Das Ergebnis ist nicht völlig deckungsgleich mit unseren Top 20 in der aktuellen ALFONZ-Ausgabe 1/2025. Was unsere »ALFONZos« sonst noch alles empfehlen können, erfahrt Ihr nach dem Klick.

Die Comics des Jahres 2024
der ALFONZ-Redaktion und -Mitarbeiter

Unsere Top 20 ist ausführlich in ALFONZ 1/2025 zu finden. Einen kurzen Überblick bietet die Tabelle unten. Doch nicht jeder Titel, der bei unseren Autorinnen und Autoren einen Podestplatz belegt hat, hat es in die Top 20 geschafft. Zeit also, unsere »ALFONZos« zu Wort kommen zu lassen. Welche Comics, Manga und Gesamtausgaben zählen zu ihren ganz persönlichen Top 3 des Jahres 2024? Wir dürfen gespannt sein! (Und bitte nicht wundern, dass der eine oder andere Spitzentitel vom Jahresende 2024 fehlt. Denn unser ALFONZ-Bewertungszeitraum erstreckt sich von November 2023 bis Oktober 2024.)

Ein Klick auf die Verlage führt direkt auf deren Homepage, ein Klick auf das Cover zum entsprechenden Titel und ein Klick auf das Foto unserer »ALFONZos« zu deren Online- oder Social-Media-Auftritten (sofern vorhanden).


 


Veit Christoph Baecker

Platz 1:
Der Letzte löscht das Licht

Text: Tobias Aeschbacher
Zeichnungen: Tobias Aeschbacher
Helvetiq | HC | Farbe | 128 Seiten | 20,00 €

Aus der Schweiz kommen lauter gute Sachen: Käse, Schokolade, das Rote Kreuz und nicht zuletzt das Offiziersmesser mit den unzähligen Funktionen. Unter den Comics des Jahres 2024 ist der Band Der Letze löscht das Licht von Tobias Aeschbacher wie das rote Taschenmesser: echte Qualitätsarbeit, voller Überraschungen, witzig erzählt und daher ein absolutes Must-Have. Tobias Aeschbacher nimmt uns mit in ein eigentlich stinknormales Mietshaus – doch öffnen sich die Türen, zeigt sich dort viel Unerwartetes. In Erlangen wurde das Debüt mit einem Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet.


Platz 2:
Transit Visa

Text: Nicolas de Crecy
Zeichnungen: Nicolas de Crecy
Reprodukt | HC | Farbe | 418 Seiten | 44,00 €

Manchmal meine ich, dass mir der Zigarettenrauch immer noch in den Kleidern hängt. Immerhin habe ich die gesamte Strecke von Paris bis an die türkische Küste in dem schrottreifen Citroën Visa verbracht, in dem die beiden Cousins Nicolas und Guy bei brütenden Temperaturen eigentlich ständig rauchen. Der erst dritte auf Deutsch erschienene Band des Franzosen Nicolas de Crecy – immerhin Max-und-Moritzpreisträger von 1994 – ist ein außergewöhnliches Roadmovie. Denn Transit Visa macht das Lebensgefühl von jungen Männern in der Zeit der Atomkatastrophe von Tschernobyl spürbar – auf allen 418 Seiten.


Platz 3:
Die Straße

Text: Manu Larcenet
Zeichnungen: Manu Larcenet
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 25,00 € (VZA: 79,00 €)

Manu Larcenet beherrscht die Düsternis. Seine vierbändige Erzählung Blast gibt einen tiefen Einblick in das Seelenleben eines Mörders, der dem Leser noch lange nachgeht. In Brodecks Bericht verleiht Larcenet der Romanvorlage von Philippe Claudel wie in Holzschnitten eine morbide Lebendigkeit. Sein neustes Werk Die Straße geht noch einen Schritt weiter. Die Umsetzung des dystopischen Romans von Cormac McCarthy ist brillant, dunkle Farben verstärken die totale Hoffnungslosigkeit der Hauptfiguren. Da lohnt sich die auf 700 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe.


Christian Endres

 

Platz 1:
Der verkehrte Himmel

Text: Mikael Ross
Zeichnungen: Mikael Ross
avant-verlag | SC |Farbe | 344 Seiten | 28,00 €

Ein begeisternder Berlin-Krimi im Gewand eines Euromanga, der Großstadt-Noir und Coming-of-Age-Drama vereint – und die Energie von Scott Pilgrim hat.


Platz 2:
Die Straße

Text: Manu Larcenet
Zeichnungen: Manu Larcenet
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 25,00 € (VZA: 79,00 €)

Eine nicht nur grafisch perfekte Comicadaption des mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Romanmeisterwerks über die düstere Postapokalypse.


Platz 3:
Fungirl

Text: Elizabeth Pich
Zeichnungen: Elizabeth Pich
Edition Moderne | SC | Farbe | 256 Seiten | 26,00 €

Witzig, frech, dreist, fies, überdreht, lüstern, crazy, daneben … und trotzdem sehr sympathisch und sehr gut. Genau das Richtige für alle, die Fleabag gefeiert haben.


Thomas Greven

Platz 1:
Der große Reset

Text: Ika Sperlin
Zeichnungen: Ika Sperling
Reprodukt | SC | Farbe | 176 Seiten | 24,00 €


Platz 2:
Die Straße

Text: Manu Larcenet
Zeichnungen: Manu Larcenet
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 25,00 € (VZA: 79,00 €)


Platz 3:
Der Götzendiener

Text: Joann Sfar
Zeichnungen: Joann Sfar
avant-verlag | HC | Farbe | 208 Seiten | 30,00 €

 


Volker Hamann

Platz 1:
Der Schlumpf, der vom Himmel fiel

Text: Tebo
Zeichnungen: Tebo
Splitter (toonfish)| HC | Farbe | 56 Seiten | 15,95 €

Was für ein Spaß! Mit seiner Hommage an Peyos Klassiker über einen Schlumpf, der durch einen doofen Unfall seine Erinnerung verliert und dadurch kein Schlumpf mehr sprechen und seine Freunde verstehen kann, hat der französische Zeichner Frédéric Thébault alias Tebo ein tolles Album für alle Altersklassen geschaffen. Die Sprache der Schlümpfe, die gar nicht so leicht zu verstehen ist – Kenner wissen das! –, spielt eine zentrale Rolle in der liebevollen und grandios lakonisch-komischen Erzählung über drei Schlümpfe, die sich des nun unter einer Amnesie leidenden Kollegen annehmen: Schlumpfine ist die echte Anführerin der Bande, der Brillenschlumpf entpuppt sich als kleiner Erfinder und der Muskelschlumpf hat aufgrund seiner Stärke eine beruhigende Wirkung auf die anderen. Gemeinsam begeben sie sich auf eine vor tollen Einfällen und gutem Humor überbordende Tour, und Tebo hat gezeigt, wie eine zeitgemäße und voller frischer Ideen ausgeführte Neuinterpretation aussieht.


Platz 2:
Columbusstraße

Text: Tobi Dahmen
Zeichnungen: Tobi Dahmen
Carlsen | HC | s/w | 528 Seiten | 40,00 €

 
Platz 3:
Hoka Hey!

Text: Neyef
Zeichnungen: Neyef
Splitter | HC | Farbe | 224 Seiten | 45,00 €

 


Matthias Hofmann

Platz 1:
Die Straße

Text: Manu Larcenet
Zeichnungen: Manu Larcenet
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 25,00 € (VZA: 79,00 €)

Qualitätsmäßig ist in den Sphären, wo sich Manu Larcenets Comics befinden, die Luft sehr dünn. Nur die Besten können sich dort halten. Mit Die Straße hat der Franzose erneut einen Geniestreich abgeliefert. Eine adäquate Adaption des Pulitzer-preisgekrönten Romans von Cormac McCarthy zu erschaffen, ist für sich schon große Kunst, dabei noch die Seele dieser dystopischen Vorlage exakt in Comicform zu transformieren, dürfte nur wenigen gelingen. Nach einer großen Katastrophe ist in den USA alles vernichtet. Das ganze Land ist von Asche bedeckt. Ein kranker Vater und sein junger Sohn befinden sich auf der Flucht vor dem drohenden Winter auf dem Weg in den Süden. Überall lauern Gefahren durch Plünderer, aber am schlimmsten ist der unbarmherzige Hunger. Larcenet hat hier seine Zeichenkunst weiter verfeinert: Panelaufteilung, Anatomie, Perspektiven, das ausgeklügelte Spiel mit Hell und Dunkel. Das ist ganz großes Kino in Form einer Graphic Novel. Damit zählt er nicht nur zu den Besten der Besten, sondern spielt inzwischen in seiner eigenen Liga.


Platz 2:
Transit Visa

Text: Nicolas de Crecy
Zeichnungen: Nicolas de Crecy
Reprodukt | HC | Farbe | 418 Seiten | 44,00 €

 

Platz 3:
Die große Illusion Band 1: »New York, 1938«

Text: Alessandro Totta
Zeichnungen: Alessandro Totta
Reprodukt | HC | Farbe | 248 Seiten | 29,00 €

 


Alex Jakubowski

Platz 1:
Columbusstraße

Text: Tobi Dahmen
Zeichnungen: Tobi Dahmen
Carlsen | HC | s/w | 528 Seiten | 40,00 €

Was Tobi Dahmen während seiner acht Jahre dauernden Arbeit zu Papier gebracht hat, ist eine Perle unter den mittlerweile zahlreichen Comics zur Erinnerungskultur. Seine Familiengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus würden manche daher gerne im Schulunterricht sehen. Lehrbuchartig aber ist Columbusstraße nicht. Zum Glück ist das Buch deutlich spannender und unterhaltsamer als so manches dröge Werk, das im Geschichtsunterricht eingesetzt wird. Animiert durch ein Gespräch, das der in den Niederlanden lebende Künstler 2005 mit seinem Vater während einer Zugfahrt nach Dresden geführt hat, durchforstet er vergilbte Kisten, Fotoalben und alte Mappen voller Unterlagen. Er führt Gespräche und recherchiert sorgfältig die Geschichte seiner Vorfahren. Er beschäftigt sich mit Themen, die in vielen anderen Familien unter den Teppich gekehrt werden. Warum etwa tritt jemand in die NSDAP ein, auch wenn er deren Ideologie kritisch gegenüber steht? Aktueller könnte dieser Stoff kaum sein. Ein Stoff, der unbedingt eine möglichst breite Leserschaft verdient hat – nicht nur im Unterricht.

Zu Alex' Interview mit Tobi Dahmen geht es: hier.

Platz 2:
Die Straße

Text: Manu Larcenet
Zeichnungen: Manu Larcenet
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 25,00 € (VZA: 79,00 €)

Diese Zeichnungen, diese Stimmung! Wie Manu Larcenet die preisgekrönte Romanvorlage umsetzt, ist einfach sensationell. Eine Dystopie zum Dahinschmelzen – wenn es sowas geben kann ... ;-)


Platz 3:
Digger

Text: Ramar
Zeichnungen: Ramar
Kult Comics | HC | s/w u. Farbe | 192 Seiten | 25,00 € (VZA: 40,00 €)

Ein Gefängnisinsasse, der zwei Wärter hinter sich her schleift, ein Mordversuch, ein Mithäftling, der zum einzigen Freund hinter den Gefängnismauern wird und der davon träumt, eines Tages als Eisverkäufer sein Geld zu verdienen. Digger ist eine der ungewöhnlichsten Geschichten, die ich 2024 gelesen habe. Liebevoll, melancholisch und gleichzeitig brutal und hart. Warum Digger genau in den Knast muss, wissen wir nicht. Als Ich-Erzähler ist er aber überzeugt davon, dass er hinter die dicken Mauern gehört. Groß und dick ragt er unter den anderen Insassen hervor. Offenbar hat er Feinde im Gefängnis. Das Messer, das ihm in den Bauch gerammt wird, richtet dank der dicken Fettschicht kaum Schaden an. Dass er am Ende fast wie der Graf von Monte-Christo entkommt und für ein Happy End auch bei seinem Freund sorgt, macht die Geschichte zu einem Mutmacher in schwierigen Zeiten. Mehr gibt es: hier.


Marcus Kirzynowski

Platz 1:
Mort Cinder

Text: Héctor Germán Oesterheld
Zeichnungen: Alberto Breccia
avant-verlag | HC | s/w | 260 Seiten | 40,00 €

Weit mehr als nur eine Sammlung von Horror-Mystery-Kurzgeschichten bietet diese Neuauflage des argentinischen Klassikers in einem Band: Oesterheld nutzt das Konzept des unsterblichen Wanderers duch die Zeiten, um kleine Parabeln über die menschliche Natur zu erzählen, die in allen Jahrhunderten durch Gier, Machtsucht und Gewalt geprägt ist. Breccia setzt diese in höchst effektiven, teils ins Abstrakte abgleitende Schwarzweiß-Zeichnungen um, schabt manchmal weiße Silhouetten aus dem Schwarzen oder sprizt mit der Tinte auf den Zeichenkarton – Avantgarde ist bei diesen Comics, die ihrer Zeit weit voraus waren, wohl der treffendste Begriff.


Platz 2:
Rio Band 1: »Gott für uns alle«

Text: Louise Garcia, Corentin Rouge
Zeichnungen: Corentin Rouge
Zack Edition | HC | Farbe | 64 Seiten | 20,00 €

Nach einem gemeinsam mit der Brasilianerin Louise Garcia erstellten Szenario schafft Corentin Rouge ausdrucksstarke Figuren mit herrlichen Visagen und dynamische Actionszenen. Die Geschwister Rubeus und Nina müssen nach der Ermordung ihrer Mutter auf den Straßen Rios überleben und geraten an eine Jugendbande. Sie schlagen sich mit kleinen Diebstählen in Luxushotels an der Copacabana durch, werden aber schnell zu Gejagten durch korrupte Polizisten. Die hellen Strände mit ihren Touristen und die dunklen Gassen und Favelas: Garcia und Rouge entwerfen ein differenziertes Bild der starken sozialen Gegensätze der brasilianischen Metropole.


Platz 3:
Giant Gesamtausgabe

Text: Mikaël
Zeichnungen: Mikaël
Zack Edition | HC | Farbe | 128 Seiten | 32,00 € (VZA: 49,00 €)

Mikaël erzählt auch in diesem Teil seiner New-York-Trilogie von den großen Träumen und harten Realitäten im Big Apple des frühen 20. Jahrhunderts. Diesmal widmet er sich, inspiriert vom berühmten Foto der ungesichert in schwindelnder Höhe Pause machenden Arbeiter, jenen tapferen Männern, die unter täglichem Einsatz ihres Lebens die gigantischen Hochhäuser bauten. Ethnische Rivalitäten, Probleme mit der Mafia, Armut und Tod, aber auch Kameraderie und Solidarität bestimmen ihren Alltag. Mikaël bannt all das mit lockerem Strich in meist sepia-grün gehaltene Bilder, die zugleich leicht wirken als auch die harte Atmosphäre widerspiegeln.


Peter Lau

Platz 1:
Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein

Text: Emmanuel Lepage
Zeichnungen: Emmanuel Lepage
Splitter | HC | Farbe | 312 Seiten | 45,00 €

Autobiografische Erzählung über die Kindheit des Autors in Land-WGs einer alternativen katholischen Reformbewegung und deren Spuren bis in die heutige Zeit. Die Geschichte einer komplett vergessenen Subkultur.


Platz 2:
Spirou präsentiert 6: Rummelsdorf Band 3: »Eine handvoll Kohlenstoffatome«

Text: Beka
Zeichnungen: David Etien
Carlsen | SC | Farbe | 56 Seiten | 12,00 €

Der beste Spirou-Spin-off seit Emile Bravos »Die Hoffnung« endet mit einem schrecklichen Tod, berauschenden Pilzen und eine der größten Erfindungen des 20. Jahrhunderts. Nur für Erwachsene.


Platz 3:
Louise

Text: Dinah Wernli
Zeichnungen: Dinah Wernli
Edition Moderne | SC | Farbe | 168 Seiten | 34,00 €

Die Geschichte der Bäuerin Louise Grütter, die erst als Modell des Schweizer Malers Cuno Amiet und später als seine Magd arbeitete, erzählt in wunderschönen Aquarellen und sehr kurzen Texten, die an Haikus erinnern. Kunst über Kunst.


Gerrit Lungershausen

Platz 1:
Der verkehrte Himmel

Text: Mikael Ross
Zeichnungen: Mikael Ross
avant-verlag | SC |Farbe | 344 Seiten | 28,00 €


Platz 2:
Outline

Text: Michèle Fischels 
Zeichnungen: Michèle Fischels
Reprodukt | SC | Farbe | 208 Seiten | 24,00 €


Platz 3:
Am liebsten mag ich Monster Band 2

Text: Emil Ferris 
Zeichnungen: Emil Ferris
Panini | SC | Farbe | 420 Seiten | 39,00 €


Peter Nover

Platz 1:
Digger

Text: Ramar
Zeichnungen: Ramar
Kult Comics | HC | s/w u. Farbe | 192 Seiten | 25,00 € (VZA: 40,00 €)

Der Titelheld von Ramars (d. i. Ralf Marczinczik) Digger hat zwar bei der ALFONZ-Kür des Comics des Jahres nicht die Krone erringen können, dafür ist er im Besitz einer blauen Mütze. Und die ist mehr wert. Viel mehr.
Warum, das erfährt der geneigte Leser im Verlauf der Lektüre dieser ursprünglich als fortlaufender Webcomic veröffentlichten Geschichte über Einsamkeit, Freundschaft und Freiheit, in der sich Inhalt und Form die Hand reichen. Eine Reihe »fragwürdiger Lifestyle-Entscheidungen« hat dazu geführt, dass der titelgebende Hüne eine lange Haftstrafe in einem abgelegenen Gefängnis verbüßen muss. Nach einer Messerattacke soll sich das Leben des Mannes, den ein Mitinsasse »Digger« nennt, von Grund auf verändern. Ramar erzählt seine poetisch angehauchte Story, die vom ICOM den Independent Comic Preis 2024 in der Kategorie »Beste Selbstveröffentlichung« verliehen bekam, mit feinem Humor. Um das Lesevergnügen nicht zu schmälern, sei an dieser Stelle nur so viel verraten: Auf die inneren Werte kommt es an!


Platz 2:
Der Schlumpf, der vom Himmel fiel

Text: Tebo
Zeichnungen: Tebo
Splitter (toonfish)| HC | Farbe | 56 Seiten | 15,95 €

Extraschlumpfiger Schlumpf um einen des Schlumpfs unschlumpfigen Schlumpf, der sein Schlumpf verschlumpft hat. Dieser schlumpfige Spezial-Schlumpf von Frédéric Thébault alias Tebo beschlumpft durch seinen schlumpfigen Schlumpf und sollte von allen geschlumpft werden.


Platz 3:
Harry Dickson Band 2: »Das Horrortribunal«

Text: Doug Headline/Luana Vergari
Zeichnungen: Onofrio Catacchico
Schreiber & Leser | HC | Farbe | 64 Seiten | 17,95 €

Atmosphärisch dichte Comicadaption eines Romans von Jean Ray mit dem in London lebenden »amerikanischen Sherlock Holmes« und seinem Adlatus Tom Will. Die wendungsreiche, mit Elementen des Schauerromans gewürzte Geschichte bietet feinste Krimikost und sorgt für ein Lesevergnügen mit dem Prädikat »very british«.


Gregor Ries

Platz 1:
Ahmadjan und der Wiedehopf

Text: Maren und Ahmadjan Amini
Zeichnungen: Maren Amini
Carlsen | HC | Farbe | 240 Seiten | 26,00 €

Maren Amini verfolgt die Geschichte ihres freiheitsliebenden Vaters Ahmadjan und seiner Reisen zwischen Deutschland und der Heimat Afghanistan. Die bewegte Biografie verschränkte die Hamburger Cartoonistin mit Auszügen aus dem persischen Dichterklassiker Die Konferenz der Vögel. Die Charaktere legt sie als Strichmännchen im Walter Moers-Stil an, wobei sie Farbe als Signalwirkung für großformatige Landschaftsimpressionen oder surreale Einlagen einsetzt. Auch Gemälde ihres Vaters kommen zum Einsatz. Die Culture-Clash-Geschichte stellt einen so humorvollen wie eindringlichen Appell für Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Widerstand gegen Unterdrückung dar.

Platz 2:
Der verkehrte Himmel

Text: Mikael Ross
Zeichnungen: Mikael Ross
avant-verlag | SC |Farbe | 344 Seiten | 28,00 €

An Mikael Ross kam man in diesem Jahr schwer vorbei. Rund um das ereignisreiche Treffen des vietnamesischen Mädchens Tâm mit der älteren Hoa Binh auf der Flucht vor einem Schlepper verknüpft er Coming-of-Age-Porträt, Thriller und Plattenbau-Milieustudie mit lebendigen, eigenwilligen Charakteren. Zwischen Manga- und US-Comic-Book-Stil darf wie in Totem eine lesbische Liebesgeschichte (oder nur eine Freundschaftsstory?) nicht fehlen. Bei über 300 Seiten will man das dynamisch erzählte Werk kaum aus der Hand legen.


Platz 3:
Das kalte Herz

Texte: Sascha Hommer
Zeichnungen: Sascha Hommer
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 24,00 €

Sascha Hommer setzt Wilhelm Hauffs unsterbliches Kunstmärchen in grünlich eingefärbten, weitgehend monochromen Panels und dunklen Einschüben einfallsreich um. Insgesamt hält sich seine Parabel über Hartherzigkeit, Egoismus und die Auswüchse des Kapitalismus stärker an den Original-Plot als manche TV- oder Kinoadaption. Kleine Abwandlungen wie die Geschlechtswandlung und Hervorhebung des Glasmännleins oder die Rolle des Babys des Protangonisten als Verkörperung der reinen Unschuld im Finale fallen originell und sinnvoll aus.


Jan Roidner

Platz 1:
Alles Gute

Text: Lena Steffinger
Zeichnungen: Lena Steffinger
Jaja Verlag | HC | Farbe | 152 Seiten | 24,00 €

Wer hat Angst vor Grün, Rot und Blau? Mit expressiven Buntstiftzeichnungen entfesselt die Stuttgarter Illustratorin und Psychologin Lena Steffinger in ihrem Debüt Alles Gute einen spektakulär-fantastischen Farbrausch. Von der Corona-Pandemie inspiriert erzählt sie eine mysteriöse Story, die zwischen Utopie und Dystopie changiert. Alle sieben Jahre wird die Stadt Paradisen im Sommer von einer Katastrophe, einer »Besuchung«, heimgesucht. Wie gehen die Menschen mit der Erwartung auf die nächste Katastrophe um? Angesichts aktueller Plagen wie Krankheiten, Naturkatastrophen oder der Umweltzerstörung befragt Stockinger die Resilienzfähigkeit des Menschen. Jedes Panel ist ein Kunstwerk. Die Geburt einer großartigen Erzählerin und brillanten Koloristin.

Platz 2:
Allzumenschliches

Text: Catherine Meurisse
Zeichnungen: Catherine Meurisse
Carlsen | HC | Farbe | 96 Seiten | 25,00 €

Philosophie ist schon lange nicht mehr Sache alter weißer Männer! In Allzumenschliches lässt Catherine Meurisse, die Jeanne d'Arc des französischen Comics, eine junge Frau respektlos und humorvoll ein feministisch inspiriertes Zwiegespräch mit Klassikern des abendländischen Denkens wie Sokrates, Aristoteles, Kant, Nietzsche oder Freud führen. Unter dem Brennglas ihres karikaturesken Zeichenstifts hinterfragt sie Mythen und Widersprüche männlichen Denkens. Geistreich, witzig und mit leichter Hand gezeichnet – wie es eben nur diese Ausnahmestilistin beherrscht. Mit Leichtigkeit, die ihr 2015 beim Attentat auf Charlie Hebdo abhandenkam und die sie nun im Zeichnen wiederfindet. Ein intellektueller und zeichnerischer Hochgenuss. »Le style c'est l'homme« – und Catherine.


Platz 3:
Die 5 Reiche Band 12: »Die Erste, die stirbt«

Text: Lewelyn
Zeichnungen: Jérôme Lereculey
Splitter | HC | Farbe | 56 Seiten | 17,00 €

Auf insgesamt 30 (!) Bände, verteilt über fünf Zyklen, ist die seit 2021 bei Splitter erscheinende Fantasy-Saga Die 5 Reiche angelegt. Jérôme Lereculey (Zeichnungen) und das Autorenteam Lewelyn (Andoryss, David Chauvel und Patrick Wong) entfalten vor dem Auge des Lesers die spektakuläre Kulisse eines pseudoantiken Heldenepos, das zum Teil an Game of Thrones erinnert. In einer anthropomorphen Tierwelt voller Intrigen und Kriege rivalisieren fünf Reiche, das der Raubkatzen, Affen, Bären, Hirsche und Echsen, um die Macht. Mit »Die Erste, die stirbt« endet der zweite Zyklus der Saga, der im feudalen Affensamuraimatriarchat Lys spielt. Mittlerweile fiebere ich jedem neuen Band entgegen. Dieses Jahr beginnt der dritte Zyklus. Unbedingt einsteigen!


Sabine Scholz

Platz 1:
Zozo Zombie

Text: Yasunari Nagatoshi
Zeichnungen: Yasunari Nagatoshi
Carlsen Manga | TB | s/w | 192 Seiten | 5,00 €

Die elfbändige, kauzige Comedy-Reihe Zozo Zombie von Yasunari Nagatoshi bringt untoten Wahnsinn voll grotesken Kodomo-Humors. Zombie Zozo inhaliert am liebsten Tomatensaft, amüsiert mit abgetrennten Körperteilen und lässt ordentlich einen fahren – zur Freude der Grundschulzielgruppe und zum Schrecken aller Eltern. Mit skurrilen (Fäkal-)Gags, grotesk-wuseligem Chibi-Artwork und nonstop Absurditäten ist Zozo Zombie wie Shaun of the Dead für Kids: unanständig, unkonventionell und völlig durchgedreht. Ein Wahnsinnsspaß für die Kleinen!


Platz 2:
Nenn es nicht Mystery

Text: Yumi Tamura
Zeichnungen: Yumi Tamura
Tokyopop | SC | s/w | 192 Seiten | 9,00 €

Der preisgekrönte Josei-Manga Nenn es nicht Mystery von Yumi Tamura, der Meisterin hinter Basara und 7SEEDS über den exzentrischen Studenten Kuno Totono kombiniert packende Krimi-Rätsel mit tiefgründigen Charakteren. Fans von Knives Out und Sherlock – zugreifen!


Platz 3:
Die Katzen des Louvre

Text: Taiyo Matsumoto
Zeichnungen: Taiyo Matsumoto
Reprodukt | HC | s/w u. Farbe | 432 Seiten | 29,00 €

Eine Hommage an den Louvre, eine Hommage an Katzen und präsentiert mit der erzählerischen Tiefe, unverwechselbaren Bildsprache und surrealen Fantasie des herausragenden Mangakas Taiyo Matsumoto. Die poetische, geheimnisvolle Reise durch das legendäre Museum voller Kunstschätze ist eines meiner Must-Reads des Jahres 2024.


Falk Straub

Drei beachtliche Comics, die es nicht in unsere Top 20 geschafft haben:

Platz 1:
Zeter und Mordio

Text: Jens Cornils
Zeichnungen: Jens Cornils
avant-verlag | SC | Farbe | 224 Seiten | 25,00 €

Dass eine Geschichte über Antisemitismus keine bierernste Angelegenheit sein muss, beweist Jens Cornils mit diesem Debüt. Sein auf wahren Begebenheiten beruhender Historienkrimi, der zwischen Hamburg und Altona spielt, ist schwungvoll, gewitzt und wartet am Ende im wahrsten Wortsinn mit ganz großem Käse auf.


Platz 2:
Scum.

Text: Théa Rojzman
Zeichnungen: Bernardo Muñoz
bahoe books | HC | Farbe | 120 Seiten | 26,00 €

Noch berühmter als ihr radikal-feministisches SCUM Manifesto machte Valerie Solanas (1936–1988) ihr Mordversuch an Andy Warhol (1928–1987). Eine Filmbiografie Solanas' unter dem Titel I Shot Andy Warhol (1996; Regie: Mary Harron) gibt es bereits. Diese Graphic Novel aus dem Hause bahoe books nimmt sich des kurzen und tragischen Lebens der Schriftstellerin nun auf künstlerisch wie erzählerisch sehr freie Weise an. Ebenso originell wie bewegend.


Platz 3:
Briar – die Legende von Dornröschen Band 1: »Nie wieder schlafen«

Text: Christopher Cantwell
Zeichnungen: Germán Garcia
Splitter | HC | Farbe | 128 Seiten | 22,00 €

Inzwischen hat sich selbst bei Disney herumgesprochen, welch überkommene Frauen- und Rollenbilder ihre Märchenfilme reproduzieren. Seither heißt es in Filmen wie Küss den Frosch (2009), Rapunzel − Neu verföhnt (2010) oder Die Eiskönigin (2013) »Selbst ist die Prinzessin!«. Hübsch anzusehen und zuckersüß bleibt das Ganze freilich trotzdem. Wer stattdessen auf gegen den Strich gebürstete Märchen steht, kann bei Briar bedenkenlos zugreifen. So schön wie bei Disney sehen die Zeichnungen von Germán Garcia allemal aus, bevor sich in der von Christopher Cantwell erdachten Dornröschen-Neuinterpretation Blut und Galle hinzugesellen. Ein grimmiger Augenschmaus!


Stefan Svik

Platz 1:
Der unglaubliche Hulk Band 1

Text: Phillip Kennedy Johnson
Zeichnungen: Nic Klein
Panini | SC | Farbe | 160 eiten | 20,00 €

Platz 2:
Percy Pickwick Band 25: »Der Letzte der Pickwicks«

Text: Zidrou
Zeichnungen: Turk
Splitter (toonfish) | HC | Farbe | 48 Seiten | 14,95 €

Platz 3:
Kinkerlitzchen

Text: Marie Sann, Yann Krehl
Zeichnungen: Marie Sann
Splitter | HC | Farbe | 96 Seiten | 25,00 €

 


Walter Truck

Platz 1:
Plastik

Story: Doug Wagner
Zeichnungen: Daniel Hillyard
Cross Cult | HC | Farbe | 144 Seiten | 25,00 €

Wagner und Hillyard erzählen streckenweise außerordentlich brutal und lassen ihre Akteure – wenn es sein muss – wie von Sinnen wüten. Und es muss öfter sein. Hauptfigur Edwyn ist ein böser Mensch, kein strahlender Held und gewinnt unsere Sympathie, weil er gegen Leute vorgeht, die schlimmer sind als er selbst.


Platz 2:
Lucie auf den Spuren der Tiere

Story: Pierre Wazem
Zeichnungen: Pierre Wazem
Helvetiq | HC | Farbe | 72 Seiten | 15,00 €

Die junge Lucie reist mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit, um mehr von den seltsamen Dingern zu erfahren, die sie in einem Buch entdeckt. Tiere heißen die. Schöner Kindercomic um Umweltschutz, der sich prima zum gemeinsamen Lesen eignet.


Platz 3:
Girls' Last Tour Band 1

Story: Tsukumizu
Zeichnungen: Tsukumizu
Manga Cult | TB | s/w | 160 Seiten | 10,00 €

Die Welt der Zukunft ist kalt. Bitterkalt. Und trostlos. Die Apokalypse hat stattgefunden, fegte die Menschheit vom Antlitz der Erde und verschonte offenbar nur zwei junge Frauen. Skurril, es gibt unglaubliche Mengen an Waffen und Munition. Doch Essen ist Mangelware. Gemächlicher Endzeitmanga mit wenig Action. Aber ein fesselnder.


Neben den 20 besten Comics des Jahres hat die ALFONZ-Redaktion zudem auf die wichtigsten Manga und Gesamtausgaben des abgelaufenen Jahres geblickt. An dieser Stelle folgen jeweils zehn Manga und Gesamtausgaben, auf die man ein Auge haben sollte:


Die besten 20 Comics eines Jahrgangs sowie die ganz persönlichen Favoriten unserer Autorinnen und Autoren spielen natürlich schon während des Jahres eine Rolle. Auch 2023/2024 wurden viele der Titel in ALFONZ oder auf CRON vorgestellt. Hier ein Überblick in alphabetischer Reihenfolge:


© der Abbildungen bei den Verlagen und Autoren, Fotos © Edition Alfons, Foto Sabine Scholz © Wildfangfotografie Julia Naake