Comics des Jahres: Unsere Favoriten 2022

Welche Comics waren die besten des Jahres 2022? Wie jedes Jahr haben wir auch im gerade zu Ende gegangenen nach den drei Lieblingscomics unserer Autorinnen und Autoren gefragt. Das Ergebnis ist nicht völlig deckungsgleich mit unseren Top 20 in der aktuellen ALFONZ-Ausgabe. An dieser Stelle gibt es nachzulesen, was Flix mit einem frankobelgischen Klassiker anstellt, wie ein Kriegsreporter endlich nach Deutschland kam, wie eine Familie auf Hawaii auseinanderfällt und was unsere Welt zusammenhält. Es warten Gesellschaftssatiren, Körpertauschkomödien, Kriegsgräuel, Liebesgeschichten, Coming-of-Age- und Coming-out-Storys. Ebenfalls mit von der Partie: Monster, Blutsauger und der Horror in der Neunten Kunst.

Die Comics des Jahres 2022
der ALFONZ-Redaktion und -Mitarbeiter

Unsere Top 20 ist ausführlich in ALFONZ 1/2023 zu finden. Einen kurzen Überblick bietet die Tabelle unten. Doch nicht jeder Titel, der bei unseren Autorinnen und Autoren einen Podestplatz belegt hat, hat es in die Top 20 geschafft. Zeit also, unsere »Alfonzos« zu Wort kommen zu lassen. Welche Comics, Manga und Gesamtausgaben zählen zu ihren ganz persönlichen Top 3 des Jahres 2022? Und weshalb? Und wer weiß, vielleicht ist ja noch die eine oder andere Entdeckung aus dem vergangenen Jahr dabei. (Und bitte nicht wundern, dass der eine oder andere Spitzentitel vom Jahresende 2022 fehlt. Denn unser ALFONZ-Bewertungszeitraum der Comics erstreckt sich von November 2021 bis Oktober 2022.)

Ein Klick auf die Verlage führt direkt auf deren Homepage, ein Klick auf das Cover zum entsprechenden Titel und ein Klick auf das Foto unserer »Alfonzos« zu deren Online- oder Social-Media-Auftritten (sofern vorhanden).


 


Veit Christoph Baecker

Platz 1:
Das Gutachten

Text: Jennifer Daniel
Zeichnungen: Jennifer Daniel
Carlsen | HC | Farbe | 208 Seiten | 25,00 €

Das Gutachten sticht in diesem Jahr heraus. Die Geschichte der Zeichnerin Jennifer Daniel (Jahrgang 1986) kommt nicht grell oder marktschreierisch daher. Sie überzeugt im Aufspüren der Risse im gesellschaftlichen Kitt der ausgehenden 1970er Jahre. Das Establishment ist noch vom Terror der ersten RAF-Generation geschockt und muss gleichzeitig bemerken, dass viele weißen Westen hässliche braune Flecken bekommen. Denn Erinnerungen und Taten lassen sich nicht dauerhaft verdrängen. So erzählt Jennifer Daniel zwar einen spannenden Krimi um die Frage, wer den tödlichen Autounfall der jungen Frau Miriam Becker verursacht hat. Darin verwoben ist aber die Geschichte des Herrn Martin, Mitarbeiter der Pathologie und von seinen Kriegserfahrungen schwer traumatisiert. Wer diese Zeit erlebt hat, erinnert sich sofort, wer nicht, kann einen guten Eindruck von einer Gesellschaft zwischen Aufbruch und Verschweigen gewinnen. Auch zeichnerisch überzeugt der Band auf 192 Seiten. Mit kräftigen Farben und eher klassischer Seitenaufteilung korrespondieren die Bilder mit der starken Story. Sehr besonders, daher mein Platz 1.


Platz 2:
Die neuen Abenteuer von Herrn Hase Band 6: »Beim Teutates!«

Text: Lewis Trondheim
Zeichnungen: Lewis Trondheim
Reprodukt | SC | Farbe | 48 Seiten | 13,00 €

Beinah unglaublich – jetzt hat es Herr Hase sogar geschafft eines der bekanntesten Comicuniversen der Welt zu kapern. In »Beim Teutates!«, dem sechsten Band seiner neuen Abenteuer, findet sich das desorientierte Langohr plötzlich inmitten des berühmtesten Gallierdorfs wieder. Als wäre dies nicht schon genug, sehen alle bekannten Helden in ihm auch noch Asterix. Sogar Obelix hegt keine Zweifel, obwohl der kleine Helm nicht wirklich auf Hases große Ohren passt. Alleine die Begegnungen mit den Dorfbewohnern und Römern sind ein großer Spaß und kratzen etwas am Glanz des Ruhms. Denn alle – besonders Obelix – sind deutlich schlichter als in ihren regulären Alben. Lewis Trondheim packt darauf noch eine wilde Betrugsgeschichte. Denn als angebliche Gottheit Teutates hat ein Scharlatan das Vertrauen der Gallier gewonnen. Nun versucht er, das Rezept des Zaubertranks an sich zu bringen. Doch da hat der Gott seine Rechnung ohne den Hasen gemacht. Große Comickunst vom wohl kreativsten Zeichner.


Platz 3:
Die Lesereise

Text: Andi Watson
Zeichnungen: Andi Watson
Schaltzeit | HC | s/w | 268 Seiten | 25,00 €

Ganz leise schmiegen sich anfangs die Schwarzweiß-Bilder von Andi Watson an den Leser. Denn die Lesereise des mittelmäßig bekannten Schriftstellers G.H. Fretwell wäre wahrscheinlich kaum einer Bemerkung wert, würde ihm nicht unterwegs sein Koffer mit allen Belegexemplaren gestohlen. Dieser Umstand lässt sich in den Buchhandlungen vor Ort noch improvisieren, vor allem da das Interesse an einer signierten Ausgabe nicht sonderlich ausgeprägt ist – genauso frustrierend wie das Unerwähntbleiben in der Literaturbeilage der Zeitung. Doch allmählich gerät der Literat ins Visier der Ermittler, da mit seinen Besuchen in der Provinz jeweils der Fund einer Leiche einhergeht. Daraus entwickelt sich eine kafkaeske Geschichte mit einem Autor, der zur getriebenen Figur wird. Ein eigenwilliger Comic aus einem ambitionierten Verlag.


Alexander Braun

Platz 1:
Anaïs Nin – Im Meer der Lügen

Text: Léonie Bischoff
Zeichnungen: Léonie Bischoff
Splitter | HC | Farbe | 192 Seiten | 29,80 €

Wer glaubt, dass man keinen exzellenten Comic mithilfe eines Vierfarb-Buntstiftes zeichnen kann, wird hier eines Besseren belehrt. Eines der klügsten Biopics der letzten Jahre in souverän eigenständiger Stilistik. Meisterklasse!


Platz 2:
Welt ohne Ende

Text: Jean-Marc Jancovici
Zeichnungen: Christophe Blain
Reprodukt | HC | Farbe | 196 Seiten | 39,00 €

Keine Ahnung, ob sich die pessimistische Sicht des französischen Klimaforschers Jancovici am Ende bewahrheiten wird. Der erkenntnisreiche Parforceritt durch ein Jahrhundert Vernichtung fossiler Energie ist erschütternd und von Christophe Blain kongenial in Szene gesetzt. Bester Sachcomic ever.


Platz 3:
Ernie Pike

Text: Héctor Germán Oesterheld
Zeichnungen: Hugo Pratt
avant-verlag | HC | Farbe | 364 Seiten | 49,00 €

Im Europa des Jahres 2022 herrscht wieder Krieg. Schon 1957 legten Meistertexter Oesterheld und der noch junge Hugo Pratt in Argentinien ihre Finger in die blutigen Wunden dieses Wahnsinns. 1957 mühte sich in poor old Comic-Germany ein Hansrudi Wäscher mit schwachen Tarzan- und Prinz-Eisenherz-Kopien ab. Man weiß nicht, was mehr wiegt: die Freude über diese mehr als überfällige deutsche Premiere eines Klassikers oder die Scham, dass die Wartezeit hierzulande schlappe 65 Jahre betrug.


Christian Endres

 

Platz 1:
Parker: Martini Edition Band 2

Text: Richard Stark, Darwyn Cooke
Zeichnungen: Darwyn Cooke
Schreiber & Leser | HC | Farbe | 336 Seiten | 57,80 €

Der zweite Sammelband mit Darwyn Cookes Parker-Comics nach den Gauner-Kriminalromanen von Richard Stark alias Donald E. Westlake: eine perfekte Retro-Adaption des klassischen Ursprungsmaterials.


Platz 2:
Das Humboldt-Tier

Text: Flix
Zeichnungen: Flix
Carlsen | HC | Farbe | 72 Seiten | 16,00 €

Flix holt das Marsupilami ins verschneite Berlin der 1930er – und jede Seite sprüht vor Referenzen und Comicmagie. Ein wunderschönes All-Age-Einzelalbum, das man allen in die Hand drücken kann.


Platz 3:
Kein anderer

Text: R. Kikuo Johnson
Zeichnungen: R. Kikuo Johnson
Reprodukt | HC | Farbe | 112 Seiten | 20,00 €

Diese Familiengeschichte aus Hawaii ist in ihren Emotionen zwischen Trauer und Verlust nicht nur universell – R. Kikuo Johnson hat sie auch meisterhaft inszeniert, was die Seitenkompositionen angeht.


Christoph Haas

Platz 1:
Spirou und Fantasio Spezial Band 36: »Spirou oder: die Hoffnung 4«

Text: Émile Bravo
Zeichnungen: Émile Bravo
Carlsen | SC | Farbe | 48 Seiten | 12,00 €

Ein würdiger Abschluss. Kein »Spirou gegen die Nazis«-Abenteuer. Bravo interessiert, was Krieg und Okkupation mit den Menschen im Belgien des Zweiten Weltkriegs anstellen. Grautöne, kein Schwarzweiß; behutsamer, pathosfreier Glaube an die Macht des Guten. Auf einer Ebene mit Filmen wie Jean Renoirs La grande illusion und Robert Rossellinis Paisà.


Platz 2:
Kein anderer

Text: R. Kikuo Johnson
Zeichnungen: R. Kikuo Johnson
Reprodukt | HC | Farbe | 112 Seiten | 20,00 €

Eine dysfunktionale Familie auf Hawaii. Die überarbeitete Mutter ist alleinerziehend; ihr kleiner Sohn einsam und vernachlässigt. Der Großvater stirbt; der Onkel, ein erfolgloser Musiker, taucht nach Jahren wieder zu Hause auf. Lakonisch erzählt, kunstvoll-reduziert gezeichnet: Kein anderer gelingt es perfekt, die Ästhetik der Short Story in den Comic zu übertragen.


Platz 3:
Surwilo

Text: Olga Lawrentjewa
Zeichnungen: Olga Lawrentjewa
avant-verlag | HC | s/w | 312 Seiten | 28,00 €

Leben, Sterben und Überleben während des Stalinismus und im von der deutschen Armee belagerten Leningrad. In expressiven Schwarzweißbildern schildert Lawrentjewa die Biografie ihrer Großmutter und erzählt Wahrheiten, die im Russland Putins nicht mehr gerne gehört werden. Surwilo ist auch ein mutiges Lebenszeichen der russischen Zivilgesellschaft.


Volker Hamann

Platz 1:
Das Humboldt-Tier

Text: Flix
Zeichnungen: Flix
Carlsen | HC | Farbe | 72 Seiten | 16,00 €

Schon wieder ein Marsupilami-Comic auf Platz 1 unserer Bestenliste? Bevor jemand die Nase rümpft und uns Einfallslosigkeit unterstellt, sei vorausgeschickt, dass das 1952 von André Franquin geschaffene Wundertier aus dem palumbianischen Urwald einfach eine tolle und sympathische Figur ist, mit der sich grenzenlos fantasievolle Geschichten erzählen lassen. Und wenn sie gut gemacht sind, dann begeistern sie zahlreiche Leser. So auch im ungewöhnlichsten Marsupilami-Album bisher: Als Flix seinen neuen Comic im Herbst 2022 in Hamburg vorgestellt und zur Lesung im Carlsen Verlag gebeten hatte, war er zuvor in einer Schulklasse zu Besuch und hatte dort eine Art »Feldtest« absolviert. Wie würden Kinder auf seine irrwitzige Geschichte über den nicht ganz unumstrittenen Forscher Alexander von Humboldt reagieren, der im 19. Jahrhundert nicht nur zahlreiche Kunstschätze aus Südamerika hatte mitgehen lassen, sondern ein Marsupilami gleich mit? Das erwacht dann viele Jahre später, im Berlin der 1930er Jahre, und mischt das Leben der kleinen Mimmi ebenso auf wie er die Hauptstadt der Weimarer Republik unsicher macht. Und die Kinder? Waren von Flix' Marsu-Abenteuer ebenso begeistert wie wir bei ALFONZ!


Platz 2:
Captivant

Text: Yves Chaland, Luc Cornillon
Zeichnungen: Yves Chaland, Luc Cornillon
Finix Comics | HC | Farbe u. s/w | 96 Seiten | 33,80 €

Seine 1979 begonnene Zusammenarbeit mit dem französischen Comicmagazin Métal Hurlant war für den jungen Zeichner Yves Chaland die Erfüllung seiner Träume. Der 1957 geborene Franzose war durch sein außergewöhnliches Zeichentalent Jean-Pierre Dionnet aufgefallen und genoss nun das uneingeschränkte Vertrauen des Chefredakteurs. Was lag also näher, als Vergnügen und Arbeit miteinander zu verbinden und seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Zusammen mit seinem Freund Luc Cornillon veröffentlichte Chaland in Métal Hurlant Monat für Monat seitenweise Hommagen, Persiflagen oder einfach nur Nonsens mit einem Augenzwinkern in Richtung von Serien wie Spirou und Fantasio, Valhardi, Buck Danny oder Jerry Spring. Als es darum ging, diese Beiträge gesammelt in einem Album zu veröffentlichen, hatten Chaland und Cornillon die geniale Idee mit Captivant, einem, so wollen die Künstler glauben machen, in den Jahren 1950 bis 1955 publizierten Magazin. Die beiden Zeichner sortierten ihre Beiträge aus Métal Hurlant in einer sinnvollen Reihenfolge, fügten hier und da eine Illustration hinzu und brachten mit Captivant ein Manifest der »Nouvelle Ligne claire« heraus. Wenngleich viele der Magazinbeiträge hierzulande bereits im Schwermetall-Magazin in Übersetzung erschienen waren, ist es umso schöner, das vollständige Album und damit die Grundidee hinter Captivant nun erstmals in Deutschland würdigen zu können.


Platz 3:
Antananarivo

Text: Mark Eacersall
Zeichnungen: Sylvain Vallée
Splitter | HC | Farbe | 136 Seiten | 29,80 €

Mit dem neuesten Werk von Sylvain Vallée, der hier ein Szenario von Mark Eacersall umgesetzt hat, betreibt der Splitter Verlag mehr als nur Autorenpflege. Denn der Zeichner von Es war einmal in Frankreich oder Katanga zählt nicht nur zu den herausragenden Künstlern seiner Generation, er hat mit der einfühlsamen, vom Älterwerden und der Freundschaft zweier unterschiedlicher Männer handelnden Erzählung auch bewiesen, welche Fantasien und Gefühlswelten sich in Comics darstellen lassen. Dass Vallée das darüber hinaus in großartigen realistischen Zeichnungen umsetzt, macht Antananarivo zu einem sehr berührenden Seherlebnis.


Thorsten Hanisch

Platz 1:
Midori: Das Kamelienmädchen
und Der lachende Vampir

Text: Suehiro Maruo
Zeichnungen: Suehiro Maruo
Reprodukt | HC | s/w | 160 Seiten (Midori), 240 Seiten (Vampir) | 20,00 € (Midori), 24,00 € (Vampir)

Dass Reprodukt 2022 dem großartigen Suehiro Maruo noch mal eine Chance auf dem deutschen Markt gegeben hat und das mit gleich zwei (!) Bänden auf einen Schlag, war für mich die totale Comicglückseligkeit, der absolute Sprechblasen-Himmel!


Platz 2:
In der Haut eines Mannes

Text: Hubert
Zeichnungen: Zanzim
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 29,00 €

Wunderbar unbekümmerte wie subtile Komödie, die die Geschlechter rasiermesserscharf von allen Seiten analysiert, Moralvorstellungen hinterfragt und schließlich zu einem flammenden Plädoyer für eine entfesselte Sexualität und letztendlich auch für die Liebe wird.


Platz 3:
Insomniacs after School

Text: Makoto Ojiro
Zeichnungen: Makoto Ojiro
Carlsen Manga | TB | s/w | 192 Seiten | 7,50 €

Müder Junge trifft müdes Mädchen … der Anfang einer super-süßen, angenehm ruhig erzählten Liebesgeschichte mit Sinn für kleine, stille Momente.


Bernd Hinrichs

Platz 1:
Captivant

Text: Yves Chaland, Luc Cornillon
Zeichnungen: Yves Chaland, Luc Cornillon
Finix Comics | HC | Farbe u. s/w | 96 Seiten | 33,80 €

Die Idee der fiktiven Comiczeitschrift wird von den Künstlern bis ins kleinste Detail umgesetzt. Der bibliophile Band suggeriert, dass wir einen Stapel unsortierter und nicht unbedingt aufeinander folgender Comicmagazine vorgesetzt bekommen. Großer Lesespaß.


Platz 2:
The Me You Love in the Dark

Text: Skottie Young
Zeichnungen: Joreg Corona
Splitter | HC | Farbe | 128 Seiten | 24,00 €

Die Reduzierung im Plot auf die drei wesentlichen Faktoren, die Protagonistin, das Haus und der Geist, haben die Komplexität so weit reduziert, dass etwas wirklich Schönes entstehen konnte. Eine düstere Geschichte voller Grusel und schöner Momente.


Platz 3:
Fox (Gesamtausgabe in einem Band)

Text: Jean Dufaux
Zeichnungen: Jean-François Charles

comicplus+ | HC | Farbe | 224 Seiten | 49,00 €

Eine klassische Abenteuergeschichte. Sie handelt von einem magischen Buch und von Edith, der Liebe seines Lebens. Die mysteriöse Reise, von der Fox berichtet, führt uns tief ins mystische Ägypten.


Matthias Hofmann

Platz 1:
Die verlorenen Briefe

Text: Jim Bishop
Zeichnungen: Jim Bishop
Cross Cult | HC | Farbe | 208 Seiten | 30,00 €

Platz 2:
Monster

Text: Barry Windsor-Smith
Zeichnungen: Barry Windsor-Smith
Cross Cult | HC | s/w | 368 Seiten | 40,00 €

Platz 3:
Trip mit Tropf

Text: Josephine Mark
Zeichnungen: Josephine Mark
Kibitz | HC | Farbe | 192 Seiten | 20,00 €

Guilty Pleasure:
Fantastic Four: »Tödlicher Kreislauf«

Text: Alex Ross
Zeichnungen: Alex Ross
Panini | HC | Farbe | 68 Seiten | 25,00 €

 


Alex Jakubowski

Platz 1:
Antananarivo

Text: Mark Eacersall
Zeichnungen: Sylvain Vallée
Splitter | HC | Farbe | 136 Seiten | 29,80 €

Ach, wie ich diese Zeichnungen liebe. Die Mimik, die Bewegungen – alles passt und dann noch dieser Plot. Ein alter Knacker on the road und auf der Reise zu seinem eigenen Ich. Charmant und umwerfend. 

Eine ausführliche Besprechung gibt es auf Alex' Blog.


Platz 2:
Die neuen Abenteuer von Herrn Hase Band 6: »Beim Teutates!«

Text: Lewis Trondheim
Zeichnungen: Lewis Trondheim
Reprodukt | SC | Farbe | 48 Seiten | 13,00 €

Dass Trondheim gerne mit frankobelgischen Klassikern spielt, hat er schon in »Der atomare Teilchenbeschleuniger« gezeigt, in dem Herr Hase ein erstaunliches Abenteuer im Kostüm eines gewissen Spirou erlebt. Und im Spirou-Spezial-Album »Panik im Atlantik« hat er seine Vorliebe als Szenarist eines echten Spirou-Abenteuers ausgelebt. In all diesen Geschichten hat er seine Kenntnis und auch sein Verständnis vom Comic an sich vermittelt. In »Beim Teutates!« gelingt ihm das auf bislang beste Weise. Ein geradezu kongeniales Machwerk.

Alex' komplette Rezension des Comics gibt es in ALFONZ 1/2023.


Platz 3:
Horror im Comic

Text: Alexander Braun
Zeichnungen: diverse
avant-verlag | HC | Farbe | 456 Seiten | 49,00 €

Er hat es schon wieder getan. Alexander Braun hat erneut ein Standardwerk der Sekundärliteratur zum Comic vorgelegt. Mit seinem Katalog Horror im Comic und der Ausstellung im schauraum comic + cartoon in Dortmund zeigt er, welchen Einfluss dieses Genre auf die Entwicklung der Neunten Kunst hatte. Eine Fülle an Abbildungen macht das Blättern im Buch zu einem Genuss. Die kunsthistorisch fundierte Einordnung liefert unendlich viele Fakten. Die Frage ist nur: Wie Alexander das alles immer wieder schafft?

Wer es wissen will, kann das Interview lesen, das Alex Jakubowski mit Alexander Braun geführt hat. Zum Interview geht es hier.


Peter Lau

Platz 1:
Acting Class

Text: Nick Drnaso
Zeichnungen: Nick Drnaso
Blumenbar | HC | Farbe | 268 Seiten | 28,00 €

Eine Gruppe ganz normaler Menschen besucht einen Schauspielkurs und verliert sich mit der Zeit in ihren Übungen. Was anfangs wie eine leicht psychedelische, vage unheimliche Sozialstudie wirkt, entpuppt sich mit der Zeit als kluge, detaillierte Allegorie über die Kraft von Parallelwelten, wie wir sie von Verschwörungstheoretikern oder Coronaleugnern kennen.


Platz 2:
Besondere Momente mit falschem Applaus

Text: Gipi
Zeichnungen: Gipi
avant-verlag | HC | Farbe | 176 Seiten | 30,00 €

Während ein Stand-up-Comedian seiner Mutter beim langsamen Sterben zusieht, wird er mit verdrängten Erinnerungen und existenziellen Gefühlen konfrontiert. Der innere Kampf von Männern, die mit ihren Emotionen nicht klarkommen, gehört zu Gipis Lieblingsthemen, aber noch nie hat er einen Protagonisten so intensiv und vielschichtig dargestellt.


Platz 3:
Trotz allem ... Liebe

Text: Jordi Lafebre
Zeichnungen: Jordi Lafebre
Splitter | HC | Farbe | 152 Seiten | 29,80 €

Eine Liebesgeschichte – rückwärts erzählt. Total rührend! Und wunderschön gezeichnet! Das Buch für den Frühling. Ist demnächst!


Gerrit Lungershausen

Platz 1:
Monster

Text: Barry Windsor-Smith
Zeichnungen: Barry Windsor-Smith
Cross Cult | HC | s/w | 368 Seiten | 40,00 €

Monster ist eine verwickelte Geschichte, die als Superhelden-Story beginnt und als Familiendrama weitergeht, um schließlich in einem irren Finale in einem deutschen Geheimlabor der Nazis zu enden. Im Original heißt der Comic Monsters, und es lassen sich tatsächlich viele Menschen ausmachen, deren Verhalten ihre Menschlichkeit infrage stellt. Und viele bewegen sich in moralischen Grauzonen, wohingegen die engschraffierten Zeichnungen sich ganz auf Schwarzweiß beschränken. Der erzählerische Furor zwischen Horror, Science Fiction, Familiendrama und amerikanischer Geschichtsstunde geht manchmal ein wenig auf Kosten der Kausalität, aber die detaillierten Zeichnungen machen die Tour zu einer sehr ansehnlichen Achterbahnfahrt über ein verkapptes Frankenstein-Monster und seine Geschichte. 35 Jahre habe Barry Windsor-Smith an diesem Buch gearbeitet, das 2021 bei Fantagraphics und nun auf Deutsch bei Cross Cult erschien und seit Langem erwartet wurde.


Platz 2:
Ernie Pike

Text: Héctor Germán Oesterheld
Zeichnungen: Hugo Pratt
avant-verlag | HC | Farbe | 364 Seiten | 49,00 €

Zwischen 1951 und 1959 arbeiteten die beiden Künstler gemeinsam an diversen Comics, bevor sie im Streit auseinandergingen. Neben den kleineren gemeinsamen stechen vor allem Ticonderoga, Sgt. Kirk und der 1957 begonnene Kriegscomic Ernie Pike heraus. Im Mittelpunkt der 34 kurzen Geschichten unterschiedlicher Länge steht der titelgebende Kriegsberichterstatter, der deutlich erkennbar an den realen Ernie Pyle angelehnt ist. Die kolorierten Kurzgeschichten spielen an verschiedenen Zweitweltkriegsfronten rund um den Erdball und sind damit geografisch so abwechslungsreich wie hinsichtlich ihrer Handlung. Die Figuren erschöpfen sich nicht in Nationalstereotypen und Klischees, spielen aber stets mit den Vorurteilen, die der Comic aufruft. Ernie Pike ist Beobachter, kein Akteur, und wir blicken über seine Schultern auf die Gräuel des Krieges. Die Ausgabe schließt eine Lücke für die deutsche Pratt- und Oesterheld-Leserschaft.


Platz 3:
Die Lesereise

Text: Andi Watson
Zeichnungen: Andi Watson
Schaltzeit | HC | s/w | 268 Seiten | 25,00 €

Die Liste der seltsamen Gestalten in Andi Watsons Lesereise ist lang und stellt ein wunderschön überzeichnetes Abbild der Literaturwelt dar. Charakteristisch sind die diversen Arten, auf die Watson die Dialoge scheitern lässt: Die Figuren verstehen einander falsch, hören nicht zu, unterbrechen einander oder schweigen an den falschen Stellen. Watsons cartoonige Strichzeichnungen sind viel reduzierter als in Glister und unterscheiden sich stark von den Zeichnungen von Geisha, Slow News Day oder Breakfast after Noon, wenngleich man einige Details aus diesen früheren Comics Andi Watsons wiedererkennen wird. Aus dem fast völligen Verzicht auf individuelle Mimik entsteht ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Komik von Watsons Story. Die pointierten, mit großer Verlässlichkeit ins Absurde abgleitenden Gespräche hätten auch von Kafka oder Beckett stammen können.


Wolfram Neun

Platz 1:
Vernon Subutex

Text: Virginie Despentes
Zeichnungen: Luz
Reprodukt | SC | Farbe | 304 Seiten | 39,00 €

Denke ich beim Schreiben dieser Zeilen an das herrlich aufgekratzte Leseerlebnis von Vernon Subutex im abgelaufenen Jahr zurück, stellt sich mir die angesichts der aus den Fugen geratenen Welt da draußen gewiss irrelevante, aber im popkulturellen Comicmikrokosmoskontext (uff) gestattete Frage: Wie konnte es der erste Band der genialen Adaption des Gesellschaftsromans über einen vom Schicksal vermöbelten Pariser Plattenverkäufer und seine wahnwitzige Odyssee durch diverse urbane Soziotope nicht in die Top 20 der offenbar schon im vorweihnachtlichen Glühwein-Modus chillenden ALFONZ-Redaktion schaffen?! Luz hat die Romanvorlage nicht einfach nur illustriert, er verleiht den rotzigen Texthalden von Virginie Despentes einen eigenen visuellen Sound, variiert in fieberhafter Opulenz die Seitenarrangements, streut immer wieder musikalische Querverweise ein und gönnt dem runtergerockten Figurenkabinett jeweils zugeordnete, mitunter poppige Farbnoten. Noch mal: genial!


Platz 2:
Antananarivo

Text: Mark Eacersall
Zeichnungen: Sylvain Vallée
Splitter | HC | Farbe | 136 Seiten | 29,80 €

Wilde Abenteuer in exotischen Ländern und der Gefahr stets gespottet – von den aufregenden Geschichten seines Freundes Jo kann Amédée, der ein fades Rentnerdasein mit Rheuma und freudloser Frau fristet, gar nicht genug bekommen. Als Jo im wahrsten Sinne des Wortes ins Gras beißt, begibt sich Amédée auf die Suche nach dem Erben des vermeintlich Weitgereisten. Es entrollt sich ein fantasievoll wie lebensklug erzählter Roadtrip durch die nordfranzösische Savanne. Antananarivo gehört nicht nur zu den besten Comics des Jahres, weil Sylvain Valleés semirealistische Zeichnungen in filmischen Kompositionen mit viel Liebe zum Detail ein angenehmes Fest für die Augen bereiten, sondern dem Plot von Mark Eacersall ein Kunststück gelingt: Man ertappt sich beim heiteren Feixen, wenn Amédée über sich hinauswächst, um es mit bestechlichen Beamten oder fiesen Fremdenlegionären aufzunehmen, ist aber gleichzeitig tief berührt von all den Wendungen, geplatzten Illusionen und verborgenen Wahrheiten.


Platz 3:
Trip mit Tropf

Text: Josephine Mark
Zeichnungen: Josephine Mark
Kibitz | HC | Farbe | 192 Seiten | 20,00 €

Beim Umblättern von Seite 7 auf Seite 8 ist es passiert: Zuvor bin ich eingetaucht in jene Waldwelt, betrat die Ambulanz für kranke Tiere, sah ein Reh mit Schal, den Bären mit Bienenstich (erster Schmunzler), das Kaninchen mit Rollvenen (zweiter Schmunzler) – und dann kam die tückische Seite 8, als plötzlich Maulwurf-Krankenschwester Erdmute … so, genug gespoilert! Jedenfalls dürfen sich der Kibitz-Verlag und Josephine Mark über ein weiteres verkauftes Exemplar freuen, denn der in Tateinheit mit ausgelassenem Lachen verschüttete Kaffee vermochte zwar das bunte Büchlein zu ruinieren, aber nicht die Freude an der humorvollen wie anrührend-tröstlichen Erzählung über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem krebskranken Kaninchen und einem schussverletzten Wolf auf ihrer abenteuerlichen Flucht vor dem Jäger und seinem Hund Horst. Ein warmherziger Lesegenuss für kleine, große und sehr große Kinder!

Ebenfalls lobenswert: Monster, Es war einmal in Frankreich (GA), Das Humboldt-Tier, Sammy & Jack (GA), Nami und das Meer, Ernie Pike, Odilon Verjus (GA), Das Gutachten, Herr Hase: »Beim Teutates«, 100 Bullets (GA)


Peter Nover

Platz 1:
Die neuen Abenteuer von Herrn Hase Band 6: »Beim Teutates!«

Text: Lewis Trondheim
Zeichnungen: Lewis Trondheim
Reprodukt | SC | Farbe | 48 Seiten | 13,00 €


Platz 2:
Ernie Pike

Text: Héctor Germán Oesterheld
Zeichnungen: Hugo Pratt
avant-verlag | HC | Farbe | 364 Seiten | 49,00 €


Platz 3:
Captivant

Text: Yves Chaland, Luc Cornillon
Zeichnungen: Yves Chaland, Luc Cornillon
Finix Comics | HC | Farbe u. s/w | 96 Seiten | 33,80 €

Der den Saluto romano entbietende Riesenroboter auf dem Cover gibt die Marschrichtung vor. Die von Luc Cornillon und Yves Chaland ab 1978 für das Magazin Métal Hurlant angefertigten Hommagen an Vertreter der amerikanischen Schule und belgische Klassiker begeistern durch einen aberwitzigen Stil- und Genremix sowie die eher unverkrampfte Einstellung der Künstler zu den Themen Sex und Gewalt. Neben dem faschistoiden Blechkameraden begegnet der Leser in spektakulären Geschichten wie »Erde in Gefahr!« oder »Eine Nacht des Grauens« unter anderem hartgesottenen Ermittlern, verrückten Wissenschaftlern und tollkühnen Piloten, die inmitten des sie umwehenden Irrsinns seltsam vertraut erscheinen. Gebündelt wurden diese für sensible Gemüter weitestgehend ungeeigneten Veröffentlichungen in dem fiktiven Magazin Captivant, das in Form eines nach dem Vorbild der Tintin- und Spirou-Sammelbände gestalteten Albums nun dank Finix Comics in prachtvoller Aufmachung erstmals komplett auf Deutsch vorliegt.


Sabine Scholz

Sabines Comics des Jahres sind bereits beim Tagesspiegel erschienen, nachzulesen hier. An dieser Stelle folgen deshalb die drei besten Kindercomics des Jahres 2022 (abzüglich Josephine Marks Trip mit Tropf, der bereits in Sabines Favoriten für den Tagesspiegel enthalten war):

Platz 1:
Das Humboldt-Tier

Text: Flix
Zeichnungen: Flix
Carlsen | HC | Farbe | 72 Seiten | 16,00 €

Flix wird der frankobelgischen Kultfigur mit seiner cleveren, zeitgemäß kritischen und gleichzeitig kindgerecht lustigen Geschichte über den Forscher Alexander von Humboldt mehr als gerecht. Es gelingt ihm außerdem, seinen unverwechselbaren Zeichenstil kongenial mit der charmanten Atmosphäre von André Franquins Original zu verschmelzen. Welcome to the jungle!


Platz 2:
Boris, Babette und lauter Skelette

Text: Tanja Esch
Zeichnungen: Tanja Esch
Kibitz | HC | Farbe | 160 Seiten | 20,00 €

Der neueste Kindercomicstreich der Ulf und das Rätsel um die Neue-Zeichnerin setzt dem jungen Zielpublikum größtenteils unverkrampft das Thema Migration (hier von einem Kinderzimmer ins andere) und Suche nach der eigenen Identität in einer plötzlich veränderten Umgebung in reduzierten, kunterbunten Cartoon-Artworks auseinander. Das seltsame, kanariengelbpelzige Haustier seiner Nachbarin, das Boris heimlich in Pflege nimmt, stellt das Leben des Jungen komplett auf den Kopf. Ein Hamster ist Babette jedenfalls nicht! Denn es kann nicht nur sprechen, sondern hat auch noch andere kuriose Eigenheiten und fühlt sich in seinem neuen Zuhause erst einmal völlig fehl am Platz.


Platz 3:
Die geheimnisvollen Akten von Margo Maloo Band 3: »Das geheime Netz«

Text: Drew Weing
Zeichnungen: Drew Weing
Reprodukt | HC | Farbe | 72 Seiten | 18,00 €

Der amerikanische Zeichner Drew Weing offenbart im dritten Band seiner Serie die geheime unterirdische Monstermetropole Echo City und baut damit die coole Story, die zu den Lieblingsserien in meiner Familie zählt, noch einmal enorm aus. Wer die spleenige Monstermediatorin und ihren Gehilfen Charles noch nicht kennt, der hat definitiv etwas verpasst!


Falk Straub

Platz 1:
Nami und das Meer

Text: Catherine Meurisse
Zeichnungen: Catherine Meurisse
Carlsen | HC | Farbe | 128 Seiten |  22,00 €

Keine Lust auf lustige Hommage-Bände frankobelgischer Klassiker? Es darf aber trotzdem witzig und französisch zugehen? Et voilà: La jeune femme et la mer, wie Catherine Meurisses neuer Comic im Original heißt. Darin verschlägt es das Alter Ego der 1980 geborenen Comickünstlerin nach Japan. Als Artist in Residence begegnet sie einem sprechenden Marderhund, einem Haikus dichtenden Maler und dem Geist einer legendären Frau. Meurisse, eh eine Klasse für sich, beweist einmal mehr, dass sie Autobiografisches mit Kunstdiskursen und Naturbetrachtungen zu Comics verbinden kann, die vor Esprit sprühen.


Platz 2:
Coming in

Text: Élodie Font
Zeichnungen: Carole Maurel
Splitter | HC | Farbe | 144 Seiten | 22,00 €

Und noch ein Comic aus Frankreich, der Alltägliches ausgesprochen kunstvoll zu Papier bringt. Élodie Font erzählt die Geschichte ihres Coming-outs und schildert feinfühlig, wie schwer dieser Schritt selbst in einer toleranten Gesellschaft fällt. Carole Maurel übersetzt diesen Selbstfindungsprozess in Bilder, die ins Metaphorische, Allegorische und Surreale abdriften.

Platz 3:
Anaïs Nin – Im Meer der Lügen

Text: Léonie Bischoff
Zeichnungen: Léonie Bischoff
Splitter | HC | Farbe | 192 Seiten | 29,80 €

Zu guter Letzt ein Comic aus Frankreich, der ein Künstlerinnenleben ausgesprochen kunstvoll zu Papier bringt. Wer sagt eigentlich, dass Biopics dröge sein müssen? Wie Léonie Bischoff die Beziehung zwischen Anaïs Nin und Henry Miller auf die Seiten zaubert, ist große Kunst, sowohl was die Zeichnungen als auch das Szenario anbelangt. Ein Comic über das Verhältnis zwischen Schriftstellerei und sexuellem Verlangen, der ebenso klug wie erotisch, aber nie anzüglich ist.


Stefan Svik

Platz 1:
Die Känguru Comics Band 1

Text: Marc-Uwe Kling
Zeichnungen: Bernd Kissel
Carlsen | HC | Farbe | 224 Seiten | 22,00 €

Eine wunderbare Bereicherung für die Funny-Comics mit exzellentem Timing, Witz und Verstand.

 

Platz 2:
Das Humboldt-Tier

Text: Flix
Zeichnungen: Flix
Carlsen | HC | Farbe | 72 Seiten | 16,00 €

Flix ist der Wilhelm Busch unserer Zeit. Oder? Dieser Comic mehrt selben völlig berechtigten Ruhm jedenfalls weiter.


Ralph Trommer

Platz 1:
Die Lesereise

Text: Andi Watson
Zeichnungen: Andi Watson
Schaltzeit | HC | s/w | 268 Seiten | 25,00 €

Eine perfekt erzählte Charakterstudie und Satire auf den Literaturbetrieb, die sich beängstigend ins Kafkaeske zuspitzt, mit pointiertem Strich umgesetzt.


Platz 2:
Spirou und Fantasio Spezial Band 36: »Spirou oder: die Hoffnung 4«

Text: Émile Bravo
Zeichnungen: Émile Bravo
Carlsen | SC | Farbe | 48 Seiten | 12,00 €

Der Abschluss der realistischen Spirou-Erzählung aus dem Zweiten Weltkrieg. Von Émile Bravo einfühlsam erzählt und in historischen Details gründlich recherchiert; ein neuer Klassiker!


Platz 3:
Ernie Pike

Text: Héctor Germán Oesterheld
Zeichnungen: Hugo Pratt
avant-verlag | HC | Farbe | 364 Seiten | 49,00 €

Ein Klassiker, auf den man hierzulande 60 Jahre warten musste. Ernie Pike ist ein Reporter im Zweiten Weltkrieg, der von zahlreichen kleinen und größeren kriegerischen Geschehnissen in Europa, in Afrika, auf Pazifikinseln und auf offenem Meer berichtet. Die vom legendären Autor Héctor Germán Oesterheld (1919–1978) geschriebenen Comics erschienen Ende der 50er Jahre in Argentinien – damals boomten dort die Comicmagazine. Es sind keine kriegsverherrlichenden Landsergeschichten und auch keine pathetischen Heldenepen. Ernie Pike erzählt in 34 »Graphic Short Stories« jeweils von menschlichen Dramen und individuellen psychologischen Konflikten. Angelehnt ist die Figur Pike an den realen Kriegsreporter Ernest Pyle, der 1945 selbst dem Krieg zum Opfer fiel. Hugo Pratt (1927–1995) hat seine teils fiktiven, teils auf wahren Begebenheiten basierenden Abenteuer gezeichnet und bewies schon in diesem Frühwerk – zehn Jahre vor Corto Malteses Südseeballade – sein Können. Die Short Storys sind jeweils von einer eigenen Atmosphäre geprägt und zeigen, dass schon lange vor dem Aufkommen der Graphic Novels anspruchsvolle Comics für erwachsene Leser entstanden sind.


Mechthild Wiesner

Platz 1:
Rude Girl

Text: Birgit Weyhe
Zeichnungen: Birgit Weyhe
avant-verlag | SC | Farbe | 312 Seiten | 26,00 €

Birgit Weyhe erzählt in ihrem Comic die Lebensgeschichte von Priscilla Layne und befasst sich dadurch mit dem Thema kulturelle Aneignung, das im vergangenen Jahr stark diskutiert wurde. Dass sie selbst mit diesem Vorwurf konfrontiert wurde, lässt sie in ihre Darstellung einfließen. So wird die Biografie ein Stück weit auch zur Autobiografie, und in einem spannenden Dialog wird uns das Leben Laynes nähergebracht, das gleichzeitig viel Allgemeingültiges über unsere Gesellschaft zu sagen weiß. Weyhes Bildsprache und grafische Stilmittel machen den Comic zu einem großen Lesegenuss.


Platz 2:
The Ende of the Fxxxing World

Text: Charles Forsman
Zeichnungen: Charles Forsman
Luftschaft Verlag | HC | s/w | 176 Seiten | 18,00 €

Wer die Netflix-Verfilmung gut fand, wird diesen Comic lieben. Zwei kaputte Jugendliche, die auf einem wilden Roadtrip durch die USA (hier spielt das Original) eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Comic aber als brillante Kritik an einer Gesellschaft, in der Menschen keine Anlaufstellen mehr finden für ihre Sorgen, Nöte und Bedürfnisse und nur noch die Möglichkeit haben, gnadenlos zu scheitern. Darüber hinaus ist die Bildsprache in ihrer Einfachheit großartig und erzeugt eine faszinierende Dynamik, die sich beim Lesen entfaltet.


Platz 3:
Kein anderer

Text: R. Kikuo Johnson
Zeichnungen: R. Kikuo Johnson
Reprodukt | HC | Farbe | 112 Seiten | 20,00 €

Kein anderer besticht durch seine Simplizität, die gleichzeitig so viel Tiefe in sich birgt. Es ist eine Geschichte darüber, wie das Leben einfach stur weitergeht, egal, was geschieht oder was wir damit machen. Jede:r hat ein eigenes Päckchen zu tragen und doch ist alles miteinander verwoben. Johnson zeichnet mit beeindruckender Farbgebung und klaren Darstellungen, er baut mehrere Ebenen ein und erzählt parallel auch über die Geschichte Hawaiis. Gleichzeitig wird er aber nie belehrend oder packt die Bedeutungskeule aus. Fast traumsicher zeichnet und erzählt er und lässt viel Spielraum für eigene Interpretationen.


Neben den 20 besten Comics des Jahres hat die ALFONZ-Redaktion zudem auf die wichtigsten Manga und Gesamtausgaben des abgelaufenen Jahres geblickt. An dieser Stelle folgen jeweils zehn Manga und Gesamtausgaben, die man im Auge haben sollte:


Die besten Comics eines Jahrgangs spielen natürlich schon während des Jahres eine Rolle. Auch 2022 haben sich unsere Autorinnen und Autoren vielen der hier vorgestellten Favoriten auf die eine oder andere Weise gewidmet. Hier ein Überblick in alphabetischer Reihenfolge:

  • Acting Class: Ralph Trommer bespricht Nick Drnasos Graphic Novel in ALFONZ 1/2023, Matthias Hofmann auf CRON in Frisch Gelesen Folge 322.
  • Antananarivo: Stefan Schmatz nimmt dieses »Roadmovie über den Sinn des Lebens« in einem Artikel in ALFONZ 3/2022 unter die Lupe.
  • Asadora (Manga): Björn Bischoff bespricht die ersten zwei Bände dieses Manga in Frisch Gelesen Folge 290.
  • Besondere Momente mit falschem Applaus: Peter Lau bespricht Gipis Graphic Novel in Frisch Gelesen Folge 312.
  • Blood ond the Tracks (Manga): Sabine Scholz bespricht die ersten zwei Bände in ALFONZ 1/2023.
  • Captivant: Bernd Hinrichs Rezension gibt es in Frisch Gelesen Folge 302.
  • Chainsaw Man (Manga): Matthias Hofmann bespricht den Auftakt dieses Manga in Frisch Gelesen Folge 183.
  • Chinaman (Gesamtausgabe): Bernd Hinrichs bespricht den ersten Band der Gesamtausgabe in Frisch Gelesen Folge 295.
  • Corto Maltese Band 16: Stephan Schunck bespricht Cortos Abenteuer in Berlin in Frisch Gelesen Folge 327.
  • Das Gutachten: Alex Jakubowski bespricht diese kriminalistische Graphic Novel in ALFONZ 3/2022, Björn Bischoff porträtiert deren Schöpferin Jennifer Daniel in ALFONZ 4/2022.
  • Das Humboldt-Tier: Flix und sein jüngster Streich sind Titelthema von ALFONZ 3/2022 in einem Artikel von Alex Jakubowski, und Ralph Trommer bespricht den Comic in ALFONZ 4/2022.
  • Die Abenteuer von Blake und Mortimer Band 25: Tyll Peters bespricht den Comic in ALFONZ 3/2022.
  • Die Känguru-Comics Band 1: In Alex Jakubowskis Artikel »Vom Buch zum Comic« in ALFONZ 1/2022 geht es unter anderem um diesen Bestseller.
  • Die Lesereise: Peter Lau bespricht diesen kafkaesken Comic in ALFONZ 3/2022.
  • Die neuen Abenteuer von Herrn Hase Band 6: »Beim Teutates!«: Alex Jakubowski bespricht diesen Mix aus Hommage und Persiflage in ALFONZ 1/2023.
  • Die verlorenen Briefe: Matthias Hofmann stellt Jim Bishop und seinen Comic in ALFONZ 4/2022 vor.
  • Fox: Eine Leseprobe aus dieser Gesamtausgabe gibt es in ALFONZ 3/2022.
  • Hen Kai Pan (Manga): Björn Bischoff interviewt Eldo Yoshimizu, den Schöpfer dieses Manga, in ALFONZ 4/2022.
  • Horror im Comic: Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in Dortmund haben sich Christian Blees und Thorsten Hanisch im Titelthema von ALFONZ 2/2022 mit alten und neuen Horrorcomics befasst.
  • In der Haut eines Mannes: Christoph Haas bespricht diese Körpertauschkomödie in ALFONZ 1/2023.
  • Jonas Valentin (Gesamtausgabe): Veit Christoph Baecker bespricht den ersten Band der Gesamtausgabe in ALFONZ 3/2022.
  • Kein anderer: Mechthild Wiesner bespricht R. Kikuo Johnsons Graphic Novel in ALFONZ 2/2022, Björn Bischoff in Frisch Gelesen Folge 275.
  • Lone Wolf & Cub (Manga): Björn Bischoff bespricht den ersten Band der Master Edition in Frisch Gelesen Folge 310.
  • Michel Vaillant (Gesamtausgabe): Die Collector's Edition dieses Rennfahrercomics war Titelthema von ALFONZ 4/2021.
  • Monster: Peter Schimkat stellt den Storyteller Bary Windsor-Smith und sein Opus magnum in ALFONZ 2/2022 vor.
  • Nami und das Meer: Ole Frahm bespricht Nami und das Meer in ALFONZ 2/2022.
  • Noir Burlesque Band 1: Stephan Schunck bespricht Enrico Marinis an den Film noir angelehnten Krimi in Frisch Gelesen Folge 293, ein Interview mit Marini gibt es in ALFONZ 2/2022.
  • Rooster Fighter (Manga): Matthias Hofmann bespricht die ersten zwei Bände in Frisch Gelesen Folge 307.
  • Rude Girl: Mechthild Wiesner stellt Birgit Weyhe und ihre jüngste Graphic Novel in einem Artikel in ALFONZ 3/2022 vor.
  • Sammy & Jack (Gesamtausgabe): Wolfram Neun bespricht diese Gesamtausgabe in ALFONZ 2/2022.
  • Simon vom Fluss (Gesamtausgabe): Stefan Schmatz stellt Claude Auclairs Endzeitcomic in ALFONZ 4/2021 vor, eine Leseprobe aus dem ersten Band der Gesamtausgabe gibt es in ALFONZ 1/2022, und Bernd Hinrichs bespricht den zweiten Band in Frisch Gelesen Folge 285.
  • Stray Toasters: Alexander Braun bespricht Bill Sienkiewicz' vierteilige Miniserie in ALFONZ 1/2022.
  • Surwilo: Peter Lau bespricht den Comic in ALFONZ 2/2022.
  • Tanguy & Laverdure (Gesamtausgabe): In seinem Artikel über Fliegercomics in ALFONZ 4/2022 widmet sich Christian Blees u.a. der Collector's Edition dieses Klassikers.
  • The End of the Fxxxing World: Mechthild Wiesners Rezension gibt es in Frisch Gelesen Folge 265.
  • The Me You Love in the Dark: Bernd Hinrichs Rezension gibt es in Frisch Gelesen Folge 311.
  • Trip mit Tropf: Stefan Pannor porträtiert Josephine Mark in ALFONZ 4/2022.
  • Trotz allem ... Liebe: Bernd Hinrichs Rezension gibt es in Frisch Gelesen Folge 262.
  • Vernon Subutex: Björn Bischoff bespricht diese Literaturadaption in ALFONZ 4/2022.
  • Welt ohne Ende: Walter Truck bespricht diesen Sachcomic in Frisch Gelesen Folge 294.

© der Abbildungen bei den Verlagen und Autoren, Fotos © Edition Alfons