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Comics des Jahres: Unsere Favoriten 2021

Welche Comics waren die besten des Jahres 2021? Wie jedes Jahr haben wir auch im soeben zu Ende gegangenen nach den drei Lieblingscomics unserer Autorinnen und Autoren gefragt. Das Ergebnis ist nicht völlig deckungsgleich mit unseren Top 20 in der aktuellen ALFONZ-Ausgabe. Hier erfahrt ihr, wie das Marsupilami wurde, was es ist, begleitet schwule Cowboys durch den Wilden Westen und ein Leibreitpferd durchs Leben eines Königs. Auf euch warten Geistergeschichten aus Fernost, Tunnelbauten im Nahen Osten und Märchen-Updates von der Insel. Wie immer geht es um Liebe, Tod und Politik, um Familienbande und das Erwachsenwerden, um Gott und die Welt und Gottes Sohn – oder zumindest um einen, der das von sich behauptet.

Die Comics des Jahres 2021
der ALFONZ-Redaktion und -Mitarbeiter

Unsere Top 20 könnt ihr in ALFONZ 1/2022 nachlesen. Einen kurzen Überblick bietet die Tabelle unten. Doch nicht jeder Titel, der bei unseren Autorinnen und Autoren einen Podestplatz belegt hat, hat es in die Top 20 geschafft. Zeit also, unsere »Alfonzos« zu Wort kommen zu lassen. Welche Comics, Manga und Gesamtausgaben zählen zu ihren ganz persönlichen Top 3 des Jahres 2021? Und weshalb? Und wer weiß, vielleicht ist ja noch die eine oder andere Entdeckung aus dem vergangenen Jahr für euch dabei. Ein Klick auf die Verlage führt euch direkt auf deren Homepage, ein Klick auf das Cover zum entsprechenden Titel und ein Klick auf das Foto zu den Online- und Social-Media-Auftritten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (sofern vorhanden).


 


Veit Christoph Baecker

Platz 1:
Rhapsodie in Blau

Text: Andrea Serio
Zeichnungen: Andrea Serio
Schreiber & Leser | HC | Farbe | 128 Seiten | 27,80 €

Das Meer, der Himmel, die Nacht so schön und blau, dass es fast schon wehtut. Kein Wunder, dass die Jugendlichen in ihren Sommerferien an der Adria den Strand und das Wasser wochenlang kaum verlassen. Doch die unbeschwerte Idylle verdüstert schlagartig der hässliche Schatten des Faschismus mit seiner Rassenideologie, Unterdrückung und Gewalt. Auf den letzten Drücker können der junge Jude Andrea Goldstein und seine Schwester nach New York flüchten. Dort leben sie in einfachen Verhältnissen und aus Andrea wird der junge Mann Andrew. Der beschließt 1944 freiwillig als Soldat in die alte Heimat zu gehen, um für die Befreiung Italiens und Europas zu kämpfen. Die berührende Geschichte beruht auf dem realen Briefwechsel zwischen Andrea Goldstein und seiner Cousine Cati. Neben der Anspielung auf George Gershwins berühmtes Musikstück »Rhapsody in Blue« bezieht sich der Titel besonders auf die großartige Kolorierung. Huldigte Lorenzo Mattotti Anfang der 1990er Jahre in Feuer der Farbe Rot, wechselt sein Landsmann Andrea Serio drei Jahrzehnte später auf Blau.


Platz 2:
Bella Ciao 1

Text: Baru
Zeichnungen: Baru
Edtion 52 | HC | s/w u. Farbe | 136 Seiten | 20,00 €

Baru – der Name steht für Urgewalt und Qualität. Mit Bella Ciao übertrifft sich der Franzose mit italienischen Wurzeln noch einmal selbst. In fünf Episoden spürt er dem Schicksal der italienischen Einwanderer in Frankreich nach. Eindrucksvoll zeigt Baru die Ausgrenzungen der Menschen, die für andere die Drecksarbeit erledigen. Insofern ist der Blick zurück zugleich eine glasklare Analyse der Gegenwart. Geändert hat sich außer den Nationalitäten in den vergangenen 140 Jahren offensichtlich wenig.
Klar, das berühmte Partisanenlied, das in den vergangenen Jahren über Klubs und Sportveranstaltungen auch in Deutschland zu neuer Popularität gefunden hat, ist das Leitmotiv des Bandes. Doch die Entstehungsgeschichte entspricht so gar nicht den geläufigen Vorstellungen. Den Opfern eines Massakers von 1893 gibt der Zeichner ein Gesicht und damit ein Stück ihrer Würde zurück. Fast anrührend ist der autobiografische Teil – mit einem Nudelrezept obendrauf.


Platz 3:
Senso

Text: Alfred
Zeichnungen: Alfred
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 20,00 €

Es braucht nur wenige Panels, dann steigt die unerträgliche Hitze des Tages aus dem Band Senso. Auch in die drückende Schwüle der Nacht ziehen die Bilder des französischen Zeichners Alfred alias Lionel Papagalli den Leser unmittelbar.
Hauptfigur Germano Mastorna erlebt in der süditalienischen Provinz einen selbst für ihn verrückten Tag. Denn bei dem nicht mehr ganz jungen Mann geht anfangs so ziemlich alles schief: Zugverspätung, Kontaktperson verpasst, Hotelzimmer vergeben, Tasche geklaut, Knie aufgeschlagen. Da er das meiste davon mehr oder weniger selbst vermurkst hat, hält sich das Mitleid des Lesers in engen Grenzen.
Alfred ist ein kleines Meisterwerk gelungen. Man möchte eigentlich gleich aufbrechen und im Hotel mit seinen skurrilen Kunstwerken und Charakteren einchecken. Er verknüpft in Senso so viele Erzählstränge, Anspielungen und Ebenen, dass man den Band gar nicht aus der Hand legen will. Vor allem beeindrucken seine Farben und die immer wieder großen Bilder, die einen tiefen Einblick in die Liebe und das Leben geben.


Simone Bauer

Platz 1:
Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht

Text: Mariko Tamaki
Zeichnungen: Rosemary Valero-O‘Connell
Carlsen | SC | Farbe | 304 Seiten | 22,00 €

Zugegeben, diese Graphic Novel landete auf meiner Wunschliste in erster Linie wegen des Covers: Eine junge Frau zeigt der Leserschaft ihren kurz geschorenen, blonden Hinterkopf. Genau mein Typ! Laura Dean. Sie wird umschlungen von einer Schwarzhaarigen, deren angstvoller Blick direkt ins Auge sticht. Das ist Freddy. Frederica Riley lebt ein buntes, queeres Highschool-Leben im sehr liberalen Berkeley. Passend dazu setzt Rosemary Valero-O‘Connell auf pinke Farbakzente. Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht ist generell mit einem absolut femininen Strich gezeichnet, was mein ästhetisches Empfinden auf voller Linie befriedigte. Die Texte von Mariko Tamaki sind sehr quirky und authentisch. Denn Laura Dean ist ein absoluter »Fuckboi« – und Freddy dennoch hoffnungslos in sie verschossen. Und so konnte nicht nur das Cover, sondern auch die gesamte Geschichte überzeugen.


Platz 2:
Dialoge mit mir selbst Band 2

Text: Kabi Nagata
Zeichungen: Kabi Nagata
Carlsen Manga | SC | Farbe | 176 Seiten | 18,00 €

Ich folge Kabi Nagata schon seit Längerem überall hin, egal, in welche Abgründe sie vordringt. Es ist nicht immer leicht, aber auch stets schön, wenn sie in ihrem Leben aus Depression, Essstörung und Angstattacken einen Lichtblick sieht. Die Mangaka erzählt schonungslos autobiografisch. Auch wenn ihre Sexualität bei ihrem Debüt Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit zum Hauptthema gemacht wurde, so ist es nur eines von vielen. Wie Mariko Tamaki nutzt sie pinke Highlights, doch während Mariko Tamaki eine üppige Blumenwiese malt, bleibt Kabi Nagata bewusst minimalistisch. Alles andere würde von den tiefgründigen Texten ablenken: Ihrem Tagebuch, ihrem Selbstgespräch. In der Fortsetzung geht es schon gleich in der Einleitung wieder hoch her mit Gefühlen, die nicht immer angenehm sind. So ist es ihr nicht gelungen, sich am Ende des ersten Bandes ihrer Selbstdialoge zu verlieben, und neue Freunde an und für sich zu finden, fällt ihr extrem schwer. Trotz der Schwere des Lebens gibt Kabi Nagata nie auf, was ihre Reise so faszinierend macht. Gleichzeitig ist Dialoge mit mir selbst 2 zudem ein ungeschönter Einblick in japanische Familientraditionen.


Platz 3:
Yunas Reise zum Ich

Text: Yuna Hirasawa
Zeichungen: Yuna Hirasawa
Carlsen Manga | SC | Farbe | 144 Seiten | 10,00 €

Nicht nur im Zusatz »My Sex Change Experience« wird auf die Transthematik hingewiesen, es braucht gleich noch einen Hinweis: »Autobiografischer Manga mit Transgender-Thematik«. Ja, wir wissen es nun. Derweil kann „Yunas Reise zum Ich völlig für sich alleine stehen: Yuna Hirasawa hat ihre körperliche und rechtliche Geschlechtsangleichung hinter sich und dokumentiert in diesem Manga den Weg dahin. Die Panels sind äußerst üppig gestaltet – selbst wenn mal mit Hintergründen gespart wird, wurden die Figuren detailreich gestaltet. Liebe und Mühe hinter der Arbeit an diesem Manga spürt man auf jeder Seite. Und es ist wahrlich eine Reise: Um die bestmögliche Operation zu erhalten, fliegt Yuna alleine nach Thailand. Das führt zu einer Mischung aus Aufklärung, tiefen Emotionen – und durchaus Witz.


Alexander Braun

Platz 1:
Tunnel

Text: Rutu Modan
Zeichnungen: Rutu Modan
Carlsen | HC | Farbe | 280 Seiten | 28,00 €

Gehässige Akademiker, die um ihre Universitätskarrieren ringen, gierige Antiken-Sammler und eine alleinerziehende Mutter, die einen Tunnel von Israel unter das Gebiet der Palästinenser graben will, weil sie dort die Bundeslade vermutet, was nicht nur ein archäologisches Erdbeben auslösen würde, sondern auch ein politisches. Der israelischen Autorin und Zeichnerin Rutu Modan ist eine meisterhafte Burleske zwischen wildem Slapstick und klugen Einlassungen über den Nahostkonflikt gelungen. Wenn politische Zustände so verfahren sind, dass nur noch der Wahnsinn regiert, kann man ihnen nur noch mit Lachen begegnen. Rutu Modan (geboren 1966) hat in 13 Jahren drei Graphic Novels vorgelegt: Jede ist ein Hit. Comic at its best!


Platz 2:
Der Mann, der Chris Kyle erschoss

Text: Fabien Nury
Zeichnungen: Brüno
Carlsen | HC | Farbe | 176 Seiten | 24,00 €


Platz 3:
Goldjunge

Text: Mikael Ross
Zeichnungen: Mikael Ross
avant-verlag | HC | Farbe | 192 Seiten | 25,00 €


Christian Endres

 

Platz 1:
Auf einem Sonnenstrahl

Text: Tillie Walden
Zeichnungen: Tillie Walden
Reprodukt | SC | Farbe | 544 Seiten | 29,00 €

Tillie Walden, Jahrgang 1996, ist das größte Talent, das die Neunte Kunst in den letzten Jahren gesehen hat. Ihre originelle Space Opera setzt mehr auf Fantasie denn auf Hard-SF-Logik – und hat so viel Magie wie die besten Ghibli-Animationsfilme.


Platz 2:
Snow, Glass, Apples

Text: Neil Gaiman
Zeichnungen: Colleen Doran
Splitter | HC | Farbe | 64 Seiten | 19,80 €

Diese schockierend gruselige und märchenhaft drastische Schneewittchen-Spiegelung betont Sex, Vampirismus und Nekrophilie. Für ihre außergewöhnlich visualisierte Umsetzung von Grimm und Gaiman erhielt Colleen Doran völlig zurecht den Eisner Award und den Bram Stoker Award.


Platz 3:
Donjon Antipoden +10.000: »Rubeus Khan«

Text: Joann Sfar, Lewis Trondheim
Zeichnungen: Vince
Reprodukt | SC | Farbe | 48 Seiten | 13,00 €

Eine freche, futuristische Entenhausen/Donald-Duck-Persiflage, die Science Fiction mit Krimi und teils blutiger Action kombiniert. Der Einzelband ist der perfekte Einstieg ins Donjon-Universum und ein großes Comicvergnügen, selbst wenn man vorher noch nie einen Donjon-Band gelesen hat.


Ole Frahm

Platz 1:
Tunnel

Text: Rutu Modan
Zeichnungen: Rutu Modan
Carlsen | HC | Farbe | 280 Seiten | 28,00 €

Niemand versteht in unseren Tagen zeitgenössischer, komischer, pointierter, komplexer, einfallsreicher, stilsicherer zeichnend zu erzählen als Rutu Modan.


Platz 2:
Sibylla

Text: Max Baitinger
Zeichnungen: Max Baitinger
Reprodukt | HC | Farbe | 176 Seiten | 24,00 €

Comics sind gezeichnete Konstruktionen, deren Schönheit erst sichtbar wird, wenn dies nicht versteckt wird.


Platz 3:
Burma Gesamtausgabe

Text: Jacques Tardi (nach Léo Malet)
Zeichnungen: Jacques Tardi
Edition Moderne | HC | s/w | 408 Seiten | 39,00 €

Diese handliche Gesamtausgabe erinnert dran, dass es Graphic Novels vor ihrem Begriff gab. »Rue de la Gare«, vor über dreißig Jahren veröffentlicht, erscheint nicht gealtert. Die politischen Kommentare haben an Bissigkeit nichts verloren. Auch die Adele-Bände werden jetzt wiederveröffentlicht und sind neu zu entdecken!


Joanna Gawronska

Platz 1:
Lucky Luke Hommage Band 5: »Zarter Schmelz«

Text: Ralf König
Zeichnungen: Ralf König
Egmont | SC/HC | Farbe | 56 Seiten | 8,99 €/16,00 €

Ich liebe Lucky Luke (und vor allem Jolly Jumper!) und fast noch schöner als die Veröffentlichung eines neuen Bandes ist für mich ein neuer Hommage-Band. Die sind – in den meisten Fällen – nämlich großartig und dieser erst recht! Ein empathischer Lucky Luke, ein unverwechselbarer Stil und eine dicke Portion Humor, ich lieb's!


Platz 2:
Mein Leben unter Ludwig II. Memoiren eines Leibreitpferdes

Text: Miguel Robitzky
Zeichnungen: Miguel Robitzky
Rowohlt | HC | Farbe | 292 Seiten | 28,00 €

Apropos Pferd mit Personality: Die Graphic Novel über Cosa Rara, dem Lieblingspferd von König Ludwig II. (bekannt als Schlössle-Bauer), hat mir ebenfalls einige Lachtränen beschert, obwohl die Geschichte von Ludwig eigentlich sehr tragisch ist ... Aber wie hier die historisch überlieferte Geschichte mit Humor on Point, bissigen Seitenhieben und gut dosiertem Anachronismus verpackt wird: einfach toll!


Platz 3:
Kitaro Bände 1-3

Text: Shigeru Mizuki
Zeichnungen: Shigeru Mizuki
Reprodukt | TB | s/w | je 192 Seiten | je 6,90 €

Kitaro hatte ich schon vor einigen Jahren auf Englisch gelesen und mich sehr über die Entdeckung der deutschen Erstveröffentlichung gefreut, da ich großer Fan der japanischen Yokai bin (generell Gruselgeschichten, könnte daran liegen, dass ich als Kind sehr oft Zeichentrickserien wie Ghostbusters oder Geschichten aus der Gruft geschaut habe). Man merkt der Reihe natürlich ihr Alter an, aber gerade dadurch versprüht sie viel Charme und kann wärmstens empfohlen werden.


Volker Hamann

Volker Hamann

Platz 1:
Marsupilami: »Die Bestie« Teil 1

Text: Zidrou
Zeichnungen: Frank Pé
Carlsen | HC | Farbe | 156 Seiten | 25,00 €

Frank Pé ist leidenschaftlicher Comiczeichner und herausragender Künstler für Tierillustrationen. Dass seine Hommage an das palumbianische Wundertier, das von André Franquin 1952 als die wichtigste Nebenfigur in der belgischen Serie Spirou und Fantasio eingeführt worden war, so großen Erfolg haben würde, war zu erwarten. Doch Franks stimmiger Umsetzung des Szenarios von Zidrou mit ihren kraftvollen, teils düsteren, teils gefühlvollen Zeichnungen gelang noch mehr. Marsupilami: Die Bestie begeistert sowohl die Fans klassischer frankobelgischer Comics alter Schule mit einem ungewohnten Blick auf eine beliebte Kultfigur, die nun ein realistisches »Leben« abseits der fantasievollen Abenteuer an der Seite von Spirou und Fantasio zu führen scheint. Und sie überzeugt auch anspruchsvolle Leser von Comics, die möglicherweise schon seit Jahren keinen »Klassiker« mehr angerührt haben. Frank und Zidrou beweisen mit dem in kürzester Zeit in Deutschland nachgedruckten ersten Teil von Marsupilami: Die Bestie, dass sowohl Klassikeranleihen als auch innovative und moderne Umsetzung zum Publikumserfolg werden können. Der sehnlichst erwartete zweite Teil soll 2022 erscheinen, wenn das Marsupilami seinen 70. Geburtstag feiert.


Platz 2:
Lucky Luke Hommage Band 5: »Zarter Schmelz«

Text: Ralf König
Zeichnungen: Ralf König
Egmont | SC/HC | Farbe | 56 Seiten | 8,99 €/16,00 €

Ein typischer König und ein untypischer Lucky Luke haben sich als eine ideale Kombination erwiesen, dem »Mann, der schneller schießt als sein Schatten« ein würdiges Denkmal zu setzen, das noch lange nachwirken wird.


Platz 3:
Senso

Text: Alfred
Zeichnungen: Alfred
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 20,00 €

Ebenso gefühlvoll wie dramatisch und witzig setzt Alfred in Senso eine beginnende Liebesgeschichte in wunderschönen Bildern um.


Thorsten Hanisch

Platz 1:
Niemals

Text: Bruno Duhamel
Zeichnungen: Bruno Duhamel
avant-verlag | HC | Farbe | 64 Seiten | 20,00 €

In Niemals dreht sich alles um die alte Witwe Madeleine Proust, die zusammen mit ihrer dicken Katze Balthazar in einem alten Haus an der Steilküste von Troumesnil wohnt und ihren seit Jahren verschollenen Mann vermisst. Da Wind und Wetter jedes Jahr einen Meter der Steilküste abtragen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ihr Häuschen in die Tiefe stürzt, weswegen der Bürgermeister sie umsiedeln will. Doch Madeleine will nicht. Und ist in Besitz von einem Dutzend deutscher Stielhandgranaten. Der hierzulande unbekannte Duhamel zieht alle Register: Was beginnt wie eine wahnsinnig komische Groteske um eine kampfeslustige Omi, mutiert urplötzlich zu einer ergreifenden, rührenden Liebesgeschichte jenseits aller Klischees – nur weil eine alte, blinde Frau mit deutschen Stielhandgranaten wirft, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht weiß, wie man mit ganzer Kraft liebt.


Platz 2:
GoGo Monster

Text: Taiyō Matsumoto
Zeichnungen: Taiyō Matsumoto
Reprodukt | HC | s/w | 458 Seiten | 29,00 €

Als erklärter Fan japanischer Comickost abseits von Dragon Ball & Co. kann man den Reprodukt Verlag einfach nur immer und immer wieder hemmungslos abfeiern, denn es ist fraglich, ob ohne das Berliner Traditionshaus Perlen wie Taiyō Matsumotos im Heimatland bereits 2000 erschienener Band GoGo Monster deutsche Ufer erreicht hätten. Erzählt wird – sehr verkürzt – von einem sensiblen Außenseiter, der spürt, dass er erwachsen wird, das aber nicht will, da man sich dann »im Inneren zu Brei auflöst« und »das Gehirn hart wie Stein wird«. Klassischer Coming-of-Age-Stoff also? Nein – ein kryptischer, traumgleicher, leicht melancholischer Trip in den Kopf eines Kindes, erzählt von einem Autor, der seinem jungen Protagonisten kompromisslos auf Augenhöhe begegnet. Nicht nur fesselnd, regelrecht hypnotisch.


Platz 3:
Parallel

Text: Matthias Lehmann
Zeichnungen: Matthias Lehmann
Reprodukt | HC | s/w | 464 Seiten | 29,00 €

Grandioses Debüt, das trotz exorbitantem 450-Seiten-Umfang nicht einen Moment lang loslässt. Erzählt wird von Karl Kling, einem in die Rente entlassenen Werkarbeiter, der seine Lebensbeichte ablegt. Kling startete im Nachkriegsdeutschland eine klassische Kleinbürgerkarriere: Der Schwiegervater besorgt einen guten Job, die Zukunft ist gesetzt – jetzt nur noch Kinder. Doch: Kling entdeckt seine homosexuellen Gefühle und das in einer Gesellschaft, deren Männerbild vom nicht allzu lange zurückliegenden Nationalsozialismus erst frisch zementiert wurde. Kling muss zwei Leben leben, wird aber in keinem davon auch nur annähernd glücklich und erkennt erst spät, dass er sich viel zu lange was vorgemacht hat. Parallel funktioniert dabei aber nicht nur als (fiktive) Biografie, sondern auch als schonungsloses Gesellschaftsporträt, das leider nicht ganz so überholt ist, wie man es sich wünschen würde.


Bernd Hinrichs

Platz 1:
Marsupilami: »Die Bestie« Teil 1

Text: Zidrou
Zeichnungen: Frank Pé
Carlsen | HC | Farbe | 156 Seiten | 25,00 €


Platz 2:
Yeshua

Text: Tomaz Lavric
Zeichnungen: Tomaz Lavric
comicplus+ | HC | Farbe | 160 Seiten | 39,00 €


Platz 3:
Niemals

Text: Bruno Duhamel
Zeichnungen: Bruno Duhamel
avant-verlag | HC | Farbe | 64 Seiten | 20,00 €


Matthias Hofmann

Platz 1:
Dragman

Text: Steven Appleby
Zeichnungen: Steven Appleby
Schaltzeit | HC | s/w + Farbe | 336 Seiten | 29,00 €

Dragman ist der Hammer!
Schon lange nicht mehr hat mich ein Comic so überrascht und begeistert wie Steven Applebys enthemmter Erzählreigen, der mit Genres spielt wie echte Kunstschaffende, die innovativ mit Konventionen brechen. Doch der Reihe nach …
Weiter geht’s zur kompletten Rezension: Frisch Gelesen Folge 232.


Platz 2:
Aldobrando

Text: Gipi
Zeichnungen: Luigi Critone
Carlsen | HC | Farbe | 208 Seiten | 28,00 €

Hier hat man bei Carlsen alles richtig gemacht: eine spannende, abwechslungsreiche Abenteuergeschichte mit begeisternden Zeichnungen im Großformat zu einem guten Preis.
Fazit: uneingeschränkt empfehlenswert, nicht nur für Fantasyfreunde, sondern für alle Fans von Comicabenteuern.
Weiter geht’s zur kompletten Rezension: Frisch Gelesen Folge 204.


Platz 3:
Yeshua Gesamtausgabe

Text: Tomaž Lavrič
Zeichnungen: Tomaž Lavrič
comicplus+ | HC | Farbe | 160 Seiten | 39,00 €

Auf die Gesamtausgabe von EVROPA im Vorjahr lässt comicplus+ 2021 einen weiteren Comic des Slowenen Tomaž Lavrič folgen. Und ich muss sagen: Dieser Comic hat mich total umgehauen. Nun sollte ich erwähnen, dass ich um »Bibelgeschichten« gerne einen großzügigen Bogen mache. Ich kenne natürlich die wichtigsten Stellen, da ich in meiner Jugend als Schüler und Konfirmand damit konfrontiert wurde. Deshalb sollte man die Geschichte des Wanderpredigers Jesus von Nazareth grob kennen, um mit diesem Comic den vollen Lesegenuss zu erzielen.
Yeshua ist die Hauptfigur in Lavričs Alternativwelt-Drama, die vor rund 2000 Jahren in einem Palästina unter römischer Besatzung lebt. Allerdings ist Yeshua, der selbsternannte Messias, ein Trickser und Blender. Er ist ruhmsüchtig, eitel und lebt mit einer Hure zusammen. Seine zwölf Jünger bilden eine Gang aus Hochstaplern. Erzählt wird die Geschichte retrospektiv aus der Sicht von Philippus, einem der Jünger, der behauptet, so wäre es wirklich passiert. Daher bietet sich eine höchst spannende und verblüffende Leseerfahrung, wenn man sieht, wie Yeshua Kranke »heilt«, Wasser in Wein »verwandelt« oder wie er nach seiner Kreuzigung »aufersteht«. Die Zeichnungen von Lavrič können auf ganzer Linie überzeugen, sodass unter dem Strich ein fesselndes Leseerlebnis geboten wird, welches mich noch lange nach Ende der Lektüre beschäftigt hat. Für konservative Christen dürfte der Comic schockierend und blasphemisch sein. Für alle anderen sei er als einer der besten Comics empfohlen, die 2021 erschienen sind.


Alex Jakubowski

Platz 1:
Lucky Luke Hommage Band 5: »Zarter Schmelz«

Text: Ralf König
Zeichnungen: Ralf König
Egmont | SC/HC | Farbe | 56 Seiten | 8,99 €/16,00 €

Nackte Cowboys mit Brustwarzen. Ein Viehtrieb über den Bareback Mountain. Ein schwules Paar, das auf sein bewegtes Leben zurückblickt – und auf das unseres beliebten Cowboys. Wer Ralf König eine Hommage über Lucky Luke zeichnen lässt, muss damit rechnen, dass er auch einen Ralf König bekommt.
Dass Lucky Luke selbst Männer liebt – soweit wollten es die Rechteinhaber dann aber doch nicht kommen lassen. Es reicht, dass Erzähler Bud zugibt, früher selbst einmal Fan von Lucky Luke gewesen zu sein. Eine Hommage in der Hommage.
Aber natürlich geht es in Königs »Zarter Schmelz« um Schwulsein und Männlichkeit. Der Band strotzt vor Anspielungen und Gags. Kaum zu glauben, dass der Kölner einfach so drauflos zeichnet und sich der Plot erst während der Arbeit entwickelt.
Dass König schon als Kind großer Lucky-Luke-Fan war, zeigt sich in vielen Anspielungen und den auftretenden Figuren. Calamity Jane etwa hat er geliebt – natürlich fehlt sie auch hier nicht. Seine Bewunderung für Altmeister Morris sprudelt nicht nur aus allen Sprechblasen, sie zeigt sich auch bei seiner Adaption der Perspektiven und Farben.
In der Hommage-Reihe nimmt »Zarter Schmelz« eine herausragende Stellung ein. Eine würdige Veröffentlichung zum 75. Geburtstag des Cowboys.


Platz 2:
Rhapsodie in Blau

Text: Andrea Serio
Zeichnungen: Andrea Serio
Schreiber & Leser | HC | Farbe | 128 Seiten | 27,80 €

Was für ein Licht, was für eine Erzählweise. Ein impressionistischer Comic, bei dem der Tod zum schwarzen Strich wird und wo das Verschwommene mehr aussagt als so manch detaillierte Zeichnung in anderen Büchern. Sommer, Sonne, Krieg. Wer noch Zweifel daran hat, dass man diese drei Themen in einem Comic einfühlsam vereinen kann, der muss zu dieser Komposition greifen.


Platz 3:
Karmela Krimm Band 1: »Ramadan Blues«

Text: Lewis Trondheim
Zeichnungen: Franck Biancarelli
Schreiber & Leser | HC | Farbe | 48 Seiten | 14,95 €

Wieder einmal ein toller Krimi von Trondheim, wieder einmal mit einer Frau als Hauptfigur. Der Schauplatz Marseille, das Umfeld ein Fußballclub. Spannend, ungewöhnlich – mit tollen Bildern und einer stimmigen Geschichte. Ein erster Band, der Lust macht auf viele, viele weitere.


Peter Lau

Drei englischsprachige Veröffentlichungen aus dem Jahr 2021, die wir auf Deutsch brauchen:

Platz 1:
The City of Belgium

Text: Brecht Evens
Zeichnungen: Brecht Evens
Drawn & Quarterly | HC | Farbe | 336 Seiten | 29,95 $

Ein fantastisch anzusehender Streifzug durchs belgische Nachtleben in psychedelischen Wimmelbildern, der bei allen Extremen immer warmherzig und verständnisvoll bleibt.


Platz 2:
Seek You – A Journey through american Loneliness

Text: Kristen Radtke
Zeichnungen: Kristen Radtke
Pantheon Books | HC | Farbe | 352 Seiten | 23,96 $

Ein brillantes grafisches Essay, das zugleich umfassend und detailliert die Ursachen und Folgen des unterschätztesten Problems unserer Zeit betrachtet: Einsamkeit.


Platz 3:
It’s not what you thought it would be

Text: Lizzy Stewart
Zeichnungen: Lizzy Stewart
Fantagraphics | HC | Farbe | 168 Seiten | 24,99 $

Eine stille, feinfühlige Kurzgeschichtensammlung über die Jahre, in denen Mädchen aus der Kindheit ins Erwachsenenleben finden müssen – zart und berührend.


Gerrit Lungershausen

Platz 1:
Dragman

Text: Steven Appleby
Zeichnungen: Steven Appleby
Schaltzeit | HC | s/w u. Farbe | 336 Seiten | 29,00 €

Lange ist das Superheldengenre nicht mehr so intelligent und unterhaltsam gegen den Strich gebürstet worden wie in Dragman. Keine muskelstrotzenden Flattermänner und auch keine globalen Bedrohungen durch allzu raffinierte Superschurken. Ganz im Gegenteil: Anstelle von überzeichneten Männlichkeitsklischees bietet Dragman ein erfrischendes Understatement. Diese queere Superhelden-Kriminalgeschichte ist so verrückt, intelligent und komisch, dass man sie nicht verpassen sollte.


Platz 2:
Parallel

Text: Matthias Lehmann
Zeichnungen: Matthias Lehmann
Reprodukt | HC | s/w | 464 Seiten | 29,00 €

Mit Parallel hat Matthias Lehmann im vergangenen Jahr ein Comicprojekt abgeschlossen, das er vor acht Jahren begonnen hatte und für das er von der Berthold Leibinger Stiftung 2018 in die Gruppe der Finalisten des Comicbuchpreises gewählt wurde. Dieses umfangreiche Debüt handelt von Karl Kling, der seine Homosexualität in den 1950ern nicht so leben kann, wie er es gern möchte. Aber was er will, weiß er eigentlich selbst nicht, und so versucht er, zwei Parallelleben zu führen – natürlich völlig erfolglos.


Platz 3:
Rückkehr nach Eden

Text: Paco Roca
Zeichnungen: Paco Roca
Reprodukt | HC | Farbe | 184 Seiten | 24,00 €

Paco Roca inszeniert in Rückkehr nach Eden eine biografische Spurensuche anhand dreier Fotografien, die seine Mutter aus ihrer Jugendzeit hinterließ. War in Paco Rocas vorigem Band La Casanoch das Sommerhaus des Vaters der zentrale Erinnerungsort, spürt die Erzählung nun dem Sommertag nach, an dem ein Strandfoto entstanden ist.


Heiner Lünstedt

Platz 1:
Wundervolle Sommer Band 3: »Mam'zelle Estérel

Text: Zidrou
Zeichnungen: Jordi Lafebre
Salleck | HC | Farbe | 56 Seiten | 15,00 € (VZA: 64 Seiten, 49,00 €)


Platz 2:
Rorschach Bd. 1-3

Text: Tom King
Zeichnungen: Jorge Fornés
Panini | HC | Farbe | je 76 Seiten | je 15,00 € (auf 555 Ex. lim. Variantcover: je 22,00 €)

Die Miniserie spielt 35 Jahre nach dem Comicklassiker Watchmen. Sehr am Rande wird gezeigt, wie sich die Welt nach der Zerstörung von New York entwickelt hat, wobei auch Elemente aus der HBO-Serie eingeflossen sind. Autor Tom King schildert vor diesem Hintergrund einen verzwickten Kriminalfall. Ein Polizist versucht herauszufinden, wie ein vereinsamter Schöpfer von Piratencomics zum eine Rorschach-Maske tragenden Attentäter wurde. Dabei blickt King tief in menschliche Abgründe und erzählt von einem scheinbar banalen Ereignis, das Jahrzehnte später tödliche Folgen hat. Der Spanier Jorge Fornés greift in seinen nur auf den ersten Blick nüchtern wirkenden Zeichnungen zwar gelegentlich auf Dave Gibbons' »Neun-Panels-pro-Seite«-Artwork zurück, doch ansonsten hält er sich mit Anspielungen auf Watchmen zurück. Die Virtuosität, mit der Alan Moore eine auf mehreren Zeitebenen spielende Geschichte erzählte, war zweifelsohne die Inspiration für diesen ebenso eigenständigen wie beeindruckenden Comic.


Platz 3:
Marsupilami: »Die Bestie« Teil 1

Text: Zidrou
Zeichnungen: Frank Pé
Carlsen | HC | Farbe | 156 Seiten | 25,00 €

 


Wolfram Neun

Platz 1:
Lucky Luke Hommage Band 5: »Zarter Schmelz«

Text: Ralf König
Zeichnungen: Ralf König
Egmont | SC/HC | Farbe | 56 Seiten | 8,99 €/16,00 €

Nein, ich bin keine »Steckrübe«, besitze aber durchaus Schwulenhasserfahrung – weil man mich mal falsch einsortiert hat. Insofern habe ich mit Empathie, vor allem aber mit großem Vergnügen die pointierte Bildergeschichte von Bud und Terrence aus Straight Gulch durchschmökert, in der auf Gäulen mit Regenbogenmähne hockende Indianer nicht nur queer, sondern eben auch noch Indianer sein dürfen. Und dann, hahahaha, die lila Kühe, deren Tiefenentspannung nur vom Gebrüll der herrlich fucking unkorrekten Calamity Jane unterbrochen wird, ein durch Schokozigaretten getriggerter Lucky Luke oder die Brüsseler Spitze mit dem Bild von der herabhängenden Unterlippe… Tatsächlich ist Zarter Schmelz der unterhaltsamste, unverkrampfteste und humorvollste Beitrag gegen Homophobie und für Toleranz, den ich seit Langem lesen durfte!


Platz 2:
Goldjunge

Text: Mikael Ross
Zeichnungen: Mikael Ross
avant-verlag | HC | Farbe | 192 Seiten | 25,00 €

Als die Musikwelt Beethovens 250. Geburtstag coronagerecht feierte, da-da-da-daaaa sorgte Mikael Ross mit seinem wunderbaren Comic über des Genies frühe Jahre für willkommene Abwechslung im Homeoffice. In mal tragischen, mal heiteren, oft absurden, aber nie der Lächerlichkeit anheimfallenden Episoden widmet sich der preisgekrönte Zeichner erfindungsreich und mit dem zur damaligen Zeit üblichen derben Humor den Leiden des jungen Luddi, wie ihn dessen bescheuerte Brüder nennen. Düster sind die Passagen von existenzieller Schwere, von Krankheit, Schmerz und Bedrängnis, urkomisch hingegen Szenen wie die (erdichtete) Begegnung vom durchfallgeplagten Ludwig und seinem Vorbild Mozart auf einem Wiener Kübelscheißhaus. Am Klavier wird der »Goldjunge« zum Systemsprenger: Wellen aus expressiven Farben und Linien in voluminösem Schwung schwellen zum Klangtsunami an und fluten die Seiten. Selten hat man klassische Musik derart eindrücklich in Bildsprache übersetzt erlebt. Come and rock me, Luddi!


Platz 3:
Requiem

Texte: Albert Mitringer
Zeichnungen: Albert Mitringer
Zwerchfell | HC | s/w, teils Farbe | 186 Seiten | 25,00 €

Albert Mitringer aus dem fröhlich-morbiden Wien zelebriert eine Totenmesse, die den Tod nicht als Ende, sondern als Ausgangspunkt des heroischen Roadtrips eines gefallenen Ritters beschreibt, der von einer narkoleptischen Krähe wiedererweckt wird, um fortan als Untoter seine alten weißen Knochen auf den Spuren der Vergangenheit durch triste Gefilde zu bugsieren. Die Darstellung dieser geisterhaften Welt wirkt auf eine Weise lebendig, dass man nicht genug davon bekommt. Knorrige Bäume, schroffe Felsen, unaufhörlich prasselnden Regen oder dem Manga-Baukasten entliehene Actionsequenzen illustriert Mitringer mit holzschnittartigen Schraffuren aus einem Reigen haarfeiner Tuschestiftlinien, die effektvolle Hell-Dunkel-Kontraste erzeugen. Ganz anders die Erinnerungsfetzen des Helden: Sie schimmern in harmlosen Wasserfarben durch und transportieren so berührende Momente. Requiem ist ein schönes, ein poetisches Buch. Ein Buch für alle, die noch nicht tot sind.


Peter Nover

Platz 1:
Lucky Luke Hommage Band 4: »Wanted«

Text: Matthieu Bonhomme
Zeichnungen: Matthieu Bonhomme
Egmont | SC/HC | Farbe | 70 Seiten | 8,99 €/16,00 €

Nornen, Hexen bei Shakespeare, Engel für Charlie. Memorable Frauenfiguren treten gerne als Trio auf. So auch im zweiten Lucky-Luke-Hommage-Band von Matthieu Bonhomme, in dem der Lonesome Cowboy die ebenso attraktiven wie wehrhaften Schwestern Angie, Bonnie und Cherry auf einem gefahrvollen Viehtrieb durch den Wilden Westen begleitet. Zum 75. Geburtstag begegnet der überraschend steckbrieflich gesuchte »Mann, der schneller schießt als sein Schatten« dabei einer Vielzahl von Figuren aus seiner Vergangenheit. Angefangen beim Cover, auf dem sich die tiefdekolltierte Cherry an Lucky Lukes Bein klammert, spielt Bonhomme gekonnt mit Genreklischees. Dabei stellt er subtil die Frage nach dem Wesenskern des von Morris geschaffenen Helden, der den weiblichen Verlockungen widersteht und sich mit Unbeflecktheit, Ehrenhaftigkeit und Einsamkeit dem Ehrenkodex einer romantisch verklärten Vorstellung des fahrenden Rittertums verhaftet zeigt.


Platz 2:
Micky in der alten Welt

Text: Denis-Pierre Filippi
Zeichnungen: Silvio Camboni
Egmont | HC | Farbe | 68 Seiten | 29,00 €

Abseits von Pandemie, Umweltkatastrophen und Geschlechtersensibilität existiert eine fantastische Welt, in der die Gesetze der Schwerkraft aufgehoben sind. In der Luft treibende Landparzellen, die durch Trossen verbunden sind, bilden den Lebensraum von aus dem Disney-Universum bekannten Figuren. Der Seilermeister Micky und die Treiblandjägerin Minnie bieten hier dem schurkischen Tyrannen Phantom die Stirn und machen sich auf die Suche nach einem verborgenen Kontinent. Die mit Fantasy-Versatzstücken gespickte Handlung begeistert ebenso wie das spektakuläre Artwork von Silvio Camboni, das den Leser zum längeren Verweilen einlädt.


Platz 3:
Marsupilami: »Die Bestie« Teil 1

Text: Zidrou
Zeichnungen: Frank Pé
Carlsen | HC | Farbe | 156 Seiten | 25,00 €

Nach »Das Licht von Borneo« widmen sich Zidrou und Frank Pé mit dem ersten Marsupilami-Band erneut einer aus Spirou und Fantasio vertrauten Figur. Ihr palumbianischer Urwaldbewohner hat allerdings wenig mit dem aus der Mutterserie vertrauten possierlichen Kerlchen zu tun und präsentiert sich bisweilen drastisch-realistisch. Die im grauen Brüssel der 1950er Jahre angesiedelte Handlung um das an Tierhändler verkaufte Wundertier und den kleinen, sich liebevoll um es kümmernden François zieht sofort in ihren Bann. Zu Recht wurde dieser Ausnahmeband zum ALFONZ-Jahressieger 2021 gekürt. Das Herz des Verfassers dieser Zeilen vermag er jedoch nicht ganz so zu wärmen wie die beiden obengenannten Titel.


Peter Osteried

Platz 1:
Snow, Glass, Apples

Text: Neil Gaiman
Zeichnungen: Colleen Doran
Splitter | HC | Farbe | 64 Seiten | 19,80 €


Platz 2:
Rorschach 1-3

Text: Tom King
Zeichnungen: Jorge Fornés
Panini | HC | Farbe | je 76 Seiten | je 15,00 € (auf 555 Ex. lim. Variantcover: je 22,00 €)


Platz 3:
Dracula

Text: Georges Bess
Zeichnungen: Georges Bess
Splitter | HC | s/w | 208 Seiten | 39,80 €


Jan Roidner

Platz 1:
Little Nemo nach Winsor McCay

Text: Frank Pé
Zeichnungen: Frank Pé
Carlsen | HC | Farbe | 88 Seiten | 35,00 €


Platz 2:
Prisma

Text: Joe Kessler
Zeichnungen: Joe Kessler
Edition Moderne | SC | Farbe | 272 Seiten | 24,00 €


Platz 3:
Bloody Mary

Text: Kristina Gehrmann
Zeichnungen: Kristina Gehrmann
Carlsen | HC | Farbe | 336 Seiten | 28,00 €


Sabine Scholz

Sabines Comics des Jahres sind bereits beim Tagesspiegel erschienen, nachzulesen hier. An dieser Stelle folgen deshalb die drei besten Romance-Manga-Titel des Jahres 2021:

Platz 1:
Stand Up! Bände 1-3

Text: Aiji Yamakawa
Zeichnungen: Aiji Yamakawa
Egmont Manga | SC | s/w | je 176 bzw. 192 Seiten | je 7,00 €

Segelohren und eine außergewöhnliche Körpergröße – Utako hadert schon lange mit diesen zwei auffälligen Merkmalen. Da ihr Sitznachbar Naoyuki ebendiese wunden Punkte am ersten Schultag zielgenau und unabsichtlich trifft, müsste Utako eigentlich einen Groll gegen ihn hegen. Aber irgendwie kann sie ihm nicht böse sein. Mangaka Aiji Yamakawa erzählt von zwei gleichberechtigten, sympathischen Figuren auf Augenhöhe in einer geruhsamen, realistischen Schulromanze, die auf allzu plakative Genreklischees verzichtet.


Platz 2:
Ran the Peerless Beauty Bände 1-3

Text: Ammitsu
Zeichnungen: Ammitsu
TOKYOPOP | SC | s/w | je 192 Seiten | je 6,99 €

Der Gute-Laune-Shojo-Einsteigertitel kommt im modernem Look und mit zarten Blumendekorationen sowie einer verträumten Liebesgeschichte daher, die mit sehr gutem Lesefluss und gut abgestimmten Dialogen punktet. Mit der unnahbaren Einserkandidatin und Schulschönheit Ran sowie dem freundlichen Blumenhändlersohn Akira wählte Mangaka Ammitsu ein Hochglanzpaar mit Wow-Effekt, welches das Herz eingefleischter Romantikfans höherschlagen lassen wird.


Platz 3:
Cinderella Closet – Aufbruch in eine neue Welt Bände 1-3

Text: Wakana Yanai
Zeichnungen: Wakana Yanai
altraverse | SC | s/w | 208 Seiten/192 Seiten/176 Seiten | 5,00 €/je 7,00 €

Die innere Einstellung zählt – mit dieser Botschaft tritt Mangaka Wakana Yanai an ihr junges Publikum heran und verwöhnt es mit jeder Menge Lifestyle- und Mode-Trends aus der Metropole Tokio. Die Zeichnerin und Fashion-Influencerin, die auf Instagram mit ihren Zeichnungen der neuesten Streetwear-Trends jede Menge Follower versammelt, erzählt in der romantischen Comedy Cinderella Closet eine Geschichte über Selbstbewusstsein und Vorurteile mit starken und vielschichtigen Figuren.


Stephan Schunck

Platz 1:
Bella Ciao 1

Text: Baru
Zeichnungen: Baru
Edtion 52 | HC | s/w u. Farbe | 136 Seiten | 20,00 €


Platz 2:
Soon

Text: Thomas Cadène, Benjamin Adam
Zeichnungen: Benjamin Adam
Carlsen | HC | Farbe | 240 Seiten | 29,00 €


Platz 3:
Rorschach 1-3

Text: Tom King
Zeichnungen: Jorge Fornés
Panini | HC | Farbe | je 76 Seiten | je 15,00 € (auf 555 Ex. lim. Variantcover: je 22,00 €)


Falk Straub

Drei Comics, die es nicht in unsere Top 20 geschafft haben, es aber mehr als verdient gehabt hätten:

Platz 1:
Wasserschlangen

Text: Tony Sandoval
Zeichnungen: Tony Sandoval
Cross Cult | HC | Farbe | 144 Seiten |  25,00 €

Wegen des Titelbilds hätte ich fast die Finger von diesem Comic gelassen. Dabei weiß doch jedes Kind, dass man ein Buch nicht nach seinem Einband bewerten sollte. Hinter Tony Sandovals Wasserschlangen verbirgt sich kein kriegerischer Fantasycomic, wie es das Cover vermuten ließe, sondern eine morbide, surreale, irre und einfach nur wunderschöne Coming-of-Age-Story. Eine Geistergeschichte über den Tod, das sexuelle Erwachen und Zähne. Sigmund Freud hätte seine wahre Freude gehabt!


Platz 2:
Soon

Text: Thomas Cadène, Benjamin Adam
Zeichnungen: Benjamin Adam
Carlsen | HC | Farbe | 240 Seiten | 29,00 €

Im Jahr 2151 ist die Weltbevölkerung auf ein Zehntel ihrer einstigen Größe geschrumpft und verteilt sich auf sieben Riesenstädte. Der Rest des Planeten ist der Natur überlassen. Ihr Heil sucht die Menschheit einmal mehr in den Sternen. Doch das Raumfahrtprogramm Soon, das dem Comic seinen mehrdeutigen Titel gibt, ist umstritten. Anhand einer Mutter und ihres Sohnes erzählt der Franzose Thomas Cadène auf verschiedenen, sehr klug miteinander verflochtenen Zeitebenen von der Ambiguität von Technik und Ethik, von Fortschritt und Rückschritt, von Ehrgeiz und Selbstzufriedenheit. Ein großartiger Comic, der ruhig, klug und mitreißend in eine mögliche Zukunft, auf unsere Gegenwart und Vergangenheit blickt.


Platz 3:
Strange Adventures 1

Text: Tom King
Zeichnungen: Evan Shaner, Mitch Gerads
Panini | SC/HC (auf 333 Ex. lim.) | Farbe | 196 Seiten |  21,00 €/30,00 €

Wer mit Superman, Batman und Co. nicht nur aufgewachsen, sondern auch mit ihnen erwachsen geworden ist, muss Tom King lesen. Der ehemalige CIA-Mitarbeiter steht derzeit wie kein zweiter Szenarist für Superheldencomics jenseits all des Kinderkrams. Fanboys, die partout nicht erwachsen werden wollen, wird das wenig gefallen. Bei King steht nicht die Action, sondern das Zwischenmenschliche im Vordergrund. In Strange Adventures sehen wir vor dem Hintergrund eines interstellaren Krieges einer Ehe beim Auseinanderbrechen zu. Es geht um Heldentum, dessen Vermarktung und Dekonstruktion. Und um unangenehme Antworten auf vermeintlich einfache Fragen. Denn wie unsere echte Welt ist auch Kings Superheldenuniversum nicht nur schwarz oder weiß – leuchtet dafür aber in den prächtigsten Farben von den Seiten.


Stefan Svik

Platz 1:
Batman: The World

Text: diverse
Zeichnungen: diverse
Panini | SC | Farbe | 188 Seiten | 20,00 € (auf 999 Ex. lim. HC: 30,00 €; auf 666 lim. Premium Edition: 49,00 €)

Ich bin generell mehr an Kurzgeschichten interessiert als an ausufernden, angeblich bahnbrechenden »Events«, die am Ende doch größtenteils belanglos und überflüssig sind. Die Batman-Anthologie internationaler Stars der Comicszene bietet zeichnerisch und erzählerisch eine große Bandbreite, demonstriert eindrucksvoll wie einflussreich und zeitlos die Figur von Bob Kane und Bill Finger ist. Ein Höhepunkt der Geschichten stammt aus Deutschland: Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg beleuchtet in ihrer Story, wie aus der Generation Greta eine neue Form des Terrorismus werden kann, wenn sich Personen zu fanatisch und rücksichtslos in eine ursprünglich sehr positive Idee stürzen und am Ende menschliche Leben keinen Wert mehr haben.


Platz 2:
Beeil dich, Mutter! Ich muss nach Berlin!

Text: Martin Perscheid
Zeichnungen: Martin Perscheid
Lappan | SC | Farbe | 144 Seiten | 12,00 €

Ja! Es ist ein Buch mit Cartoons. Aber es enthält ebenso Comics, und es ist neben den Werken von Hauck und Bauer das Lustigste, am treffendsten Beobachtete und Geistreichste, worüber ich 2021 lachen konnte. Es ist leider das letzte zu Lebzeiten erschienene Werk von Martin Perscheid. Die Mischung aus Albernheit, Ernsthaftigkeit, politischem und alltäglichen Themen bringt dieser Großmeister des Humors so wunderbar leichtfüßig und unverkopft immer und immer wieder perfekt auf den Punkt. Martin Perscheid, Du fehlst.


Platz 3:
Rorschach Bd. 1-3

Text: Tom King
Zeichnungen: Jorge Fornés
Panini | HC | Farbe | je 76 Seiten | je 15,00 € (auf 555 Ex. lim. Variantcover: je 22,00 €)

Einerseits braucht Alan Moores und David Gibbons' Meisterwerk Watchmen keine Fortsetzungen. Andererseits ist dieser Comic aber zu gut, um ihn als Geldmacherei abzutun. Eine spannende, geistreiche und tief bewegende Kriminalgeschichte über die abgehängten Außenseiter unserer Gesellschaft, die allzu leichte Opfer für Menschenfischer werden und für üble Taten eingespannt werden können. Ein Comic der bestens verdeutlicht, was die Neunte Kunst kann, was sonst keine andere Kunstform schafft.


Ralph Trommer

Platz 1:
Rückkehr nach Eden

Text: Paco Roca
Zeichnungen: Paco Roca
Reprodukt | HC | Farbe | 184 Seiten | 24,00 €

Fünf Personen an einem Tisch am Strand sind auf dem alten, vergilbten Familienfoto zu sehen. Ein Foto wie viele andere, das jedoch viele Geschichten birgt. Der spanische Comiczeichner Paco Roca baut seine neue Graphic Novel Rückkehr nach Eden ganz auf diesem unscheinbaren Bild auf und kehrt immer wieder zu ihm zurück. Protagonistin ist Paco Rocas Mutter Antonia, die als junges Mädchen auch auf dem Foto zu sehen ist, das 1946 am Strand bei Valencia entstanden ist. Paco Roca steigt so in das Porträt seiner Vorfahren ein, das sich zum Fresko einer ganzen Epoche entwickelt. Es ist das Spanien der frühen Franco-Ära, der Bürgerkrieg ist bereits vorbei. Roca lässt die berührenden und erschütternden Erinnerungen seiner Mutter in seinen sorgfältig getuschten, klaren Zeichnungen wieder lebendig werden, taucht sie in dunkle Grau-, Sepia- und Brauntöne, sodass sie mit den in den Comic integrierten alten Fotografien eine Einheit bilden. Das Spanien der kleinen Leute mit all ihren alltäglichen Sorgen wird realistisch dargestellt und nicht glorifiziert. Rückkehr nach Eden ist ein eindringliches Gesellschafts- und Generationenporträt.


Platz 2:
Spirou und Fantasio Spezial Band 32: »Pacific Palace«

Text: Christian Durieux
Zeichnungen: Christian Durieux
Carlsen | SC | Farbe | 80 Seiten | 13,00 €

Das französische Luxushotel Pacific Palace wird für einen staatstragenden Gast reserviert, der Zuflucht vor der Verfolgung in seinem Heimatland sucht: Iliex Korda war jahrelang »Großer Führer« der »Demokratischen Republik Karajan«. Im Hotel sind die Sicherheitsmaßnahmen groß: Neben dem Direktor Herrn Paul ist nur ausgesuchtes Personal vor Ort. Darunter die Hotelpagen Spirou und Fantasio ...
Der Zeichner Christian Durieux hat das beliebte belgische Comicheldenduo für den Einzelband »Pacific Palace« in ein ungewöhnliches Dekor versetzt – ein abgelegenes, wie aus der Zeit gefallenes Hotel. Mit der Konzentration auf einen Schauplatz verlässt der Band das übliche Schema der »turbulenten Abenteuer in aller Welt«, dem die klassischen Spirou-Comics seit den ersten Strips von 1938 verpflichtet sind. In Christian Durieux' subtil angelegtem Kammerspiel fungieren die Hauptfiguren weniger als Handlungsträger denn als Zeugen eines raffinierten Politdramas. Der belgische Zeichner überzeugt mit einem ausgefeilten Szenario, das im Kern eine zeitlose Satire auf den fragwürdigen Umgang eines demokratischen Staats mit Diktatoren erzählt, und verquickt dabei Suspense- mit Komödienelementen. Sein feiner, eleganter Zeichenstil brilliert in der Ausgestaltung des Jugendstilhotels wie auch in der karikierenden Darstellung prägnanter Charaktere.


Platz 3:
Senso

Text: Alfred
Zeichnungen: Alfred
Reprodukt | HC | Farbe | 160 Seiten | 20,00 €

Germano, ein leicht verpeilter Mann mittleren Alters, begegnet in einem überfüllten Hotel in der italienischen Provinz der sympathischen Elena. In Senso erzählt der 1976 geborene französische Zeichner Alfred eine alltägliche, tragikomische Geschichte um einen liebenswerten Antihelden. Mit schwungvollem Pinselstrich gelingt es Alfred, seine leicht überzeichneten Charaktere zum Leben zu erwecken, vor idyllischer südlicher Kulisse. Als sich Elena und Germano nachts in einem verwunschenen wilden Park verlieren, verwandelt sich die Geschichte in einen surrealen Sommernachtstraum. Die in Lebensritualen gefangenen Großstädter entdecken dabei lange verschüttete Gefühle wieder.
Die warmen, expressiven Farben treffen vorzüglich die Stimmung eines Sommertages, während es sich in den bläulich-düsteren Nachtszenen auch leicht gruseln lässt. Der Flirt der beiden »gut gereiften« Charaktere ist reich an Komik und zugleich lebensnah. Erzählerisch wie grafisch ein Meisterwerk von großer Leichtigkeit.


Walter Truck

Platz 1:
Die Vögel – fliegen hoch!

Text: Arne Zank
Zeichnungen: Arne Zank
Ventil | HC | Farbe | 128 Seiten | 20,00 €

Schon das Titelbild lädt zum Schmunzeln ein. Das vorgeschaltete »Dr.« vor dem »Arne Zank« klingt schwer nach dem Missbrauch eines akademischen Titels, denn Zank ist kein Doktor, dafür aber hauptberuflich Schlagzeuger bei der Band Tocotronic. »Kriminell« geht es auch im Innenteil weiter. Ein großer Vogel überfällt eine Bank, was mit nur drei Panels superschnell abgehandelt ist, und türmt danach mit einem kleineren. Damit beginnt eine irre Odyssee. Toller Band mit eigentümlichen Zeichnungen und Protagonisten, für die 3G oder 4G gilt, je nachdem, wie die Worte gezählt werden: »geflügelt, gerissen, geben Gas«!


Platz 2:
Stumptown Band 1: »Der Fall des Mädchens, das sein Shampoo mitnahm (und seinen Mini zurückließ)«

Text: Greg Rucka
Zeichnungen: Matthew Southworth
Splitter | HC | Farbe | 160 Seiten | 24,00 €

Dex ist eine Ermittlerin mit Glücksspiel als teurem Hobby. So ist sie grundsätzlich knapp bei Kasse und kann sich nicht immer alle Aufträge aussuchen. Eines Tages wird sie nach einem weiteren verlorenen Spiel zur Chefin ihres Stamm-Casinos zitiert, und erhält die Chance, ihre Schulden abzuarbeiten. Sie soll deren verschwundene Enkelin finden. Eben jene mit dem zurückgelassenen Mini. Oder aber knapp 18.000 Dollar ziemlich schnell auf den Tisch legen. Das hier ist etwas für Fans von Detektivgeschichten und trockenen Sprüchen ähnlich wie »Oh, ich glaube, da ist ein Loch« – selbstverständlich bevor das Wagenverdeck aufgeschlitzt wird. Die Zeichnungen sind schön, die Kolorierung einfühlsam.


Platz 3:
Dorohedoro Band 1

Text: Q-Hayashida
Zeichnungen: Q-Hayashida
Manga Cult | SC | s/w | 528 Seiten | 15,00 €.

Stark verkürzt geht es darum, böse Magier unschädlich zu machen, also zu töten, sodass ihr »Zauber« verfliegt. Dabei geht es ganz schön zackig und blutig zur Sache. Da dieser Band Zeichnungen enthält, die zunächst unübersichtlich wirken, und diese mangatypisch schwarzweiß sind, fällt dieses grotesk brutale aber äußerst unterhaltsame Treiben erst bei näherer Betrachtung auf. Toller Band mit vielen Seiten und ohne Ende Inhalt. Tipp: Denkapparat ausschalten, die Optik und den Inhalt einfach so auf sich wirken lassen – und dann alles einfach nochmal lesen.


Mechthild Wiesner

Für mich stand 2021 im Zeichen von starken Comics von Frauen. Hier hat mich besonders die Bandbreite der weiblichen Themen beeindruckt und auf welchen Ebenen sie angegangen wurden. Da gibt es auf der einen Seite Titel, die ihren Frust daran, in einer patriarchalen Gesellschaft zu leben, abarbeiten, dies aber mit viel Kampfeslust und noch mehr Witz tun. Auf der anderen Seite stehen die Titel, die mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit neue, junge weibliche Lebensstile skizzieren, als sei dies das einfachste unserer Zeit. Beides zeugt von Aufbruch und davon, dass Frauen sich in Lebensstilen etablieren, für die vorangegangene Generationen hart gekämpft haben. Meine Wahl fällt daher auf:

Platz 1:
Zur Seite Kerl

Text: Kate Beaton
Zeichnungen: Kate Beaton
Zwerchfell | HC | s/w | 168 Seiten | 24,00 €


Platz 2:
Wie du erfolgreich wirst, ohne die Gefühle von Männern zu verletzen

Text: Sarah Cooper
Zeichnungen: Sarah Cooper
Mentor Verlag | HC | Farbe | 216 Seiten | 24,00 €


Platz 3:
Moon Girl und Devil Dinosaur 1

Text: Brandon Montclare, Amy Reeder
Zeichnungen: Natacha Bustos, Marco Failla
Panini | SC | Farbe | 276 Seiten | 19,00 €


Die besten Comics eines Jahrgangs spielen natürlich schon während des Jahres eine Rolle. Auch 2021 haben sich unsere Autorinnen und Autoren vielen der hier vorgestellten Favoriten auf die eine oder andere Weise gewidmet. Hier ein Überblick in alphabetischer Reihenfolge:

  • Aldobrando: Eine Leseprobe von Aldobrando findet ihr in ALFONZ 1/2021, eine Rezension von Matthias Hofmann hier.
  • Auf einem Sonnenstrahl: Björn Bischoff bespricht Tillie Waldens neuen Comic hier.
  • Bella Ciao: Peter Lau bespricht Barus neuen Comic in ALFONZ 2/2021, Stephan Schunck hier.
  • Bloody Mary: Jan Roidner stellt Kristina Gehrmann und ihren aktuellen Comic in ALFONZ 2/2021 vor.
  • Burma: Peter Schimkat bespricht diese Gesamtausgabe in ALFONZ 4/2021.
  • Die Vögel – fliegen hoch!: Ein kurzes Interview, das Björn Bischoff mit Arne Zank geführt hat, könnt ihr in Björns Artikel über Musikcomics in ALFONZ 2/2021 nachlesen und Walter Trucks Rezension des Comics hier.
  • Donjon Antipoden +10.000: »Rubeus Khan«: Zum Donjon-Neustart holt Peter Lau hier zu einem rezensorischen Rundumschlag aus.
  • Dorohedoro: Walter Truck bespricht den ersten Band dieses Manga in ALFONZ 4/2021.
  • Dracula: In Peter Osterieds Artikel über Blutsaugercomics widmet er sich auch Georges Bess' Dracula, nachzulesen in ALFONZ 1/2021.
  • Dragman: Matthias Hofmann bespricht Steven Applebys Comic hier.
  • Goldjunge: Björn Bischoffs Artikel über Musikcomics in ALFONZ 2/2021 widmet sich auch Mikael Ross' Comic über den jungen Beethoven.
  • GoGo Monster: Sabine Scholz porträtiert den GoGo-Monster-Schöpfer Tayō Matsumoto in ALFONZ 3/2021, Björn Bischoff bespricht GoGo Monster hier.
  • Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht: Mechthild Wiesner bespricht diesen Coming-of-Age-Comic hier.
  • Little Nemo nach Winsor McCay: Peter Lau bespricht diese Hommage hier.
  • Lucky Luke Hommage 4: Anlässlich des 75. Geburtstags des Lonesome Cowboy hat Alex Jakubowski einen Artikel in ALFONZ 2/2021 verfasst. Darin kommen natürlich auch die aktuellen Hommage-Bände vor. Zur Hommage »Wanted« lieferten sich Heiner Lünstedt und Joanna Gawronska zudem eine Obligatorische Kampfszene in ALFONZ 3/2021.
  • Lucky Luke Hommage 5: Anlässlich des 75. Geburtstags des Lonesome Cowboy hat Alex Jakubowski einen Artikel in ALFONZ 2/2021 verfasst. Darin kommen natürlich auch die aktuellen Hommage-Bände vor.
  • Marsupilami: »Die Bestie«: Das berühmte Tier aus dem palumbianischen Urwald war Titelthema von ALFONZ 3/2021. Volker Hamann widmet sich seiner Geschichte und den Machern des aktuellen Comics über das Marsupilami.
  • Mein Leben unter Ludwig II.: Tyll Peters bespricht diese fiktive Autobiografie in ALFONZ 4/2021.
  • Moon Girl und Devil Dinosaur: Den ersten Band deises »Panini Ink«-Titels bespricht Mechthild Wiesner in ALFONZ 3/2021.
  • Niemals: Walter Truck bespricht Bruno Duhamels Comic in ALFONZ 3/2021.
  • Parallel: Markus Pfalzgraf stellt Matthias Lehmann und dessen Comicdebüt in ALFONZ 1/2022 vor.
  • Prisma: Ralph Trommer bespricht Joe Kesslers Comic in ALFONZ 3/2021.
  • Requiem: Wolfram Neun bespricht Albert Mitringers Comic in ALFONZ 3/2021.
  • Rorschach: Peter Lau bespricht Rorschach hier und liefert sich mit Stefan Svik in ALFONZ 1/2022 eine Obligatorische Kampfszene.
  • Senso: Veit Christoph Backer bespricht Alfreds Comic in ALFONZ 3/2021.
  • Sibylla: Björn Bischoff porträtiert Max Baitinger in ALFONZ 4/2021, Ole Frahm rezensiert Baitingers Comic in ALFONZ 1/2022.
  • Snow, Glass, Apples: Falk Straub bespricht diese Neuinterpretation des bekannten Märchens hier.
  • Soon: Neben vielen anderen Titeln behandelt Falk Straub in seinem Artikel über Science-Fiction-Comics in ALFONZ 1/2021 auch Soon. Stephan Schunck bespricht den Comic hier.
  • Stumptown: Walter Truck bespricht den Auftaktband hier.
  • Tunnel: Ole Frahm stellt Rutu Modans Gesamtwerk und ihren aktuellen Comic in ALFONZ 1/2021 vor.
  • Wie du erfolgreich wirst, ohne die Gefühle von Männern zu verletzen: Den witzigen Sachcomic der Stand-up-Komikerin Sarah Cooper bespricht Mechthild Wiesner hier.
  • Wundervolle Sommer: Eine Leseprobe des dritten Albums von Wundervolle Sommer findet ihr in ALFONZ 2/2021 und Peter Laus Rezension hier.
  • Yeshua: Eine Leseprobe findet ihr in ALFONZ 3/2021.
  • Zur Seite Kerl: Mechthild Wiesner bespricht Kate Beatons Comicstripsammlung hier.

© der Abbildungen bei den Verlagen und Autoren, Fotos © Edition Alfons