Frisch Gelesen Folge 326: Ghibliothek

»Obwohl wir in Japan leben und Japaner sind, schaffen wir immer wieder Animationsfilme, die einen Bogen um Japan machen.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Ghibliothek – Der inoffizielle Guide zu den Filmen von Studio Ghibli

Autoren: Jake Cunningham, Michael Leader

Panini Comics
Hardcover | 192 Seiten | Farbe | 30,00 €
ISBN: 978-3-833-24262-5

Genre: Artbook, Filmführer

Für alle, die das mögen: Studio Ghibli, Animes, Nerdfakten



Fangen wir einfach mal mit der Gretchenfrage an: Wie spricht man denn nun »Ghibli« korrekt aus? Hierzu finden sich zwei Antworten mit vielen Begründungen im Netz. In dem Buch, das ich hier vorstellen möchte, wird sich aber auf Toshio Suzuki, einen der Mitbegründer des Studio Ghibli, berufen, der sagt, dass die Aussprache ursprünglich »giburi« gemeint gewesen wäre, sich aber »jiburi« so etabliert hätte, dass sich diese Form der Aussprache wohl nicht mehr abwenden ließe. Wie so oft im Leben ist also eigentlich beides richtig!


Szene aus Mein Nachbar Totoro (1988).


Ich falle hier gleich mit der Tür ins Haus, weil ich mir wirklich nicht vorstellen kann, dass jemand diesen Artikel liest, der oder die nicht bereits schon vom legendären Studio Ghibli gehört und nicht zumindest ein bis zwei Filme von ihm gesehen hat. Lange Jahre, in denen das Studio bereits eine feste Größe in der japanischen Animationslandschaft war, waren die Filme außerhalb Japans kaum bekannt. Nur eingefleischte Nerds kannten Titel wie Mein Nachbar Totoro oder Die letzten Glühwürmchen. Erst 1997 mit der Veröffentlichung von Prinzessin Mononoke gelang dem Studio der Sprung auf das internationale Parkett und immer mehr Menschen fingen an, sich für das Gesamtwerk des Studio Ghibli und ihre beiden wichtigsten Regisseure Hayao Miyazaki und Isao Takahata zu interessieren. Inzwischen ist fast der gesamte Ghibli-Katalog über die beiden Streaminggiganten Netflix und HBO abrufbar und so für ein großes Publikum verfügbar.


Filmplakat von Das Schloss im Himmel (1986).


Gleichzeitig ist es spannend, wie schwierig es weiterhin ist, Hintergrundinformationen zum Studio Ghibli in westlicher Sprache zu erhalten. Als ich 2006 meine Abschlussarbeit an der Uni über Shojo-Manga schrieb, war die Lage noch schlimmer, wenn man nicht des Japanischen mächtig war. Aber wirklich leicht zugänglich, von übersichtlichen Wikipedia-Einträgen abgesehen, sind Nerdfakten immer noch nicht. Das haben auch Jake Cunningham und Michael Leader so empfunden und hier das dringende Bedürfnis verspürt, diese Lücke etwas kleiner werden zu lassen. Anfänglich haben sie dies über einen Podcast getan, den sie 2018 gestartet haben und der immer noch läuft und sich ebenfalls über die gängigen (in diesem Falle Podcast-)Streamingdienste abrufen lässt unter dem Namen Ghibliotheque – A Podcast About Studio Ghibli. Alleine das herauszufinden hat mich locker eine Stunde gekostet, da ich natürlich gleich in eine Episode hineinversunken bin – er ist wirklich hörenswert!

Während Michael ein glühender Ghibli-Fan der ersten Stunde ist, kannte Jake zu Beginn des Podcasts nur zwei Filme. Gemeinsam erarbeiten sie sich in ihrer Show alle 24 Titel, die man dem Studio nach heutiger Lesart zuordnet. Hieraus entstand die Idee, dies auch in Buchform zu tun. In der also nun vorliegenden Ghibliothek werden, nach einem kurzen Einführungstext, alle diese Filme in chronologischer Reihenfolge vorgestellt. Jedes Kapitel ist so aufgebaut, dass es einen anfänglichen Text gibt, der kurz den Inhalt sowie die Entstehungsgeschichte des einzelnen Filmes skizziert. Dem folgt ein Kommentar zum Film, in dem die persönliche Note der beiden Autoren stärker zu Geltung kommt. Das Ganze ist umrahmt von Filmausschnitten, Filmplakaten und anderen Bildern, passend zum Inhalt des Kapitels.


Echte Fans: Die Macher des Buchs waren auch im Ghibli-Museum in Tokio (Mitte). Rechts: Hayao Miyazaki bei der Arbeit.


Diese lassen sich selbstverständlich unabhängig voneinander lesen. Man kann durchaus direkt zu dem persönlichen Favoriten springen oder dem Film, von dem man noch nichts gehört hat. In gewisser Weise bauen die Kapitel aber aufeinander auf und erzählen auch von der Entwicklung und dem Werdegang des Studios, weswegen ich das Buch mit Genuss in einem Rutsch durchgelesen habe. Nachdem es bei mir ankam, hat es übrigens eine ganze Weile gedauert, bis ich es in die Hände bekam, da es sich meine sehr Ghibli-begeisterte Tochter zuerst unter den Nagel riss und es mit Freuden durchblätterte. Auch wenn sie noch nicht lesen kann, hat sie sich sehr über die Bilder gefreut und mit Empörung festgestellt, dass es Filme gibt, die sie (zu Recht) noch gar nicht kennt.


Der Kapitel-Aufbau im Überblick (hier im englischen Original): Vorgestellt wird in diesem Kapitel der Oscargewinner Chihiros Reise ins Zauberland (2001).


Der einzige Wehrmutstropfen des Buches liegt darin, dass die Autoren Briten sind und sich dementsprechend ihre Backgroundinformationen über die Präsentation im Westen auf den englischsprachigen Markt beziehen und ich gerne auch ein paar deutsche Nerdinfos über verkaufte Kinotickets und Synchronstimmen gehabt hätte. Darüber hinaus ist die Ghibliothek aber ein sehr gelungenes Buch, mit dem man Ghibli-Fans jeden Alters sehr glücklich machen kann. Und ich werde jetzt noch etwas Podcast hören.

[Mechthild Wiesner]

Abbildungen © 2022 Panini Comics / Jake Cunningham, Michael Leader / Studio Ghibli


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